Stuttgarter Bürger bringen alte Filme ins Stadtpalais. Die Aufnahmen machen Lust auf mehr. Nun sollen noch frühere Gastarbeiter ihr Material zeigen.
Stuttgart - Klein, groß, rund, eckig. Auf einem Tisch des Stuttgarter Stadtmuseums im ehemaligen Wilhelmspalais stapeln sich Filmrollen und VHS-Kassetten, die ein junges Paar vorbei gebracht hat: 16 Millimeter, 35 Millimeter, Super 8, Vhs-Kassetten, DVDs, alles ist hier schon gelandet – und das ist auch der Sinn der Sache. Denn das Haus des Dokumentarfilms hatte die Bürger dazu aufgerufen, bewegte Bilder aller Art aus ihrem privaten Fundus vorbeizubringen und sichten zu lassen. Abhängig vom Inhalt und mit Einverständnis des Besitzers sollen die Aufnahmen e ins Archiv des Hauses des Dokumentarfilms aufgenommen und digitalisiert werden.
Auch Günther Joachimsthaler, Vorsitzender des Bürgervereins Stuttgart-Fasanenhof, und seine Frau sind gekommen. Sie übergeben Anita Bindner, der Archivleiterin im Haus des Dokumentarfilms, einen Imagefilm, den Studierenden der Hochschule der Medien 2010 anlässlich der Eröffnung der Stadtbahnlinie 6 gedrehte habe. „Wir haben den Aufruf in der Zeitung gelesen“, erzählt Joachimsthaler. „Eine tolle Geschichte!“
Es geht um die Perspektive der Bürger
Anita Bindner und ihre Kollegen wollen die Menschen zum einen für solche Zeitdokumente sensibilisieren, zum suchen sie Amateurmaterial für ihr Archiv. „Es geht um die Sichtweise der Bürger, wie sie ihre Stadt erlebt haben und erleben“, sagt Anna Leippe, die im Haus des Dokumentarfilms für die Filmkonservierung zuständig ist. Privataufnahmen über Hochzeiten und Urlaube könnten auch Auskunft über die jeweilige Zeit geben. Gleichzeitig schränkt sie ein: „Mit den digitalen Medien hat die Flut der Bilder zugenommen. Nicht jeder Urlaub passt ins Archiv. Die Aufnahmen müssen etwas mit Stuttgart, Stuttgartern oder hiesigen Ereignissen sowie Baden-Württemberg zu tun haben.“ Sie freut sich, dass einige alteingesessene Firmen Aufnahmen aus den 20er- und 30er-Jahren beigesteuert haben. „Imagefilme, in denen die Stadt vorkommt.“
Die Veranstaltung am Samstag bildete den Auftakt. „Wir freuen uns, wenn uns Bürger in den kommenden Wochen kontaktieren und ihr Film- und Videomaterial vorbeibringen“, sagt Binder. Sie hofft, dass auch einstige Gastarbeiter und Menschen mit Migrationshintergrund private Aufnahmen beisteuerten, damit auch deren Perspektive dokumentiert werden können. „Von dieser Seite haben wir noch nicht so viel privates Material, Stuttgart ist bunt, hier leben zahlreiche Nationen, das wollen wir zeigen.“ Geplant ist, daraus einen weiteren Stuttgartfilm zusammenzustellen. Nach den Filmen von 2003 und 2010, wird dies der dritte Film über die Landeshauptstadt sein.
Der letzte Stuttgart-Film endet 1993
Wie der aussehen könnte, zeigte am Samstag eine Leinwand im Stadtpalais. Dort liefen die bisherigen Stuttgartfilme, die unter anderem an den Brand im Alten Schloss 1931, die zerstörte Stadt 1945 und die Wirtschaftswunderjahre – Papi liegt in der Badewanne, während Mami kocht –, erinnern. Auch darin enthalten: der Bau des Fernsehturms oder VfB-Siege aus Fan- und Fernsehsicht. „Der letzte Film, den wir gemacht haben, endet 1993“, sagt Bindner: „Stuttgart hat sich seit dem enorm weiterentwickelt, der kleine Schlossplatz in seiner einstigen Form ist weg, auch Stuttgart 21 muss thematisiert werden.“