Mit Stuttgart 21 geht es laut DB-Konzernvorstand Ronald Pofalla (links) aufwärts. OB Fritz Kuhn (Grüne) schaut skeptisch. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Projektpartner sind sich über ein zweites Gleis bei der Wendlinger Kurve einig und appellieren an den Bund, Mehrkosten bei S 21 zu übernehmen.

Stuttgart - Die Bahn-Neubaustrecke Wendlingen–Ulm soll einen bisher nicht geplanten zweiten Abzweig in Richtung Tübingen erhalten. Auf das lange geforderte Zusatzgleis haben sich die Projektpartner am Freitag in der Sitzung des Lenkungskreises geeinigt. Man wolle bis zum Herbst 2018 die Änderung der bisherigen Pläne genehmigt bekommen, sagte Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla.

Die Neubaustrecke solle mit der Ergänzung Ende 2022 unabhängig von Stuttgart 21 in Betrieb gehen. Dessen Fertigstellung war vom DB-Aufsichtsrat im Januar von Ende 2021 auf Ende 2025 geschoben und eine Verteuerung auf 8,2 Milliarden Euro akzeptiert worden. Bisher sind 2,9 Milliarden ausgegeben und 3,7 Milliarden gebunden.

Mehr Sicherheit für den Takt

Durch das zweite Gleis, die sogenannte Große Wendlinger Kurve, sollen Taktstörungen durch ein- und ausfädelnde Züge auf der mit 250 Kilometern pro Stunde befahrbaren Neubaustrecke vermieden werden. Der zusätzliche Anschluss werde etwa 100 Millionen Euro kosten, so Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Er stellt sich vor, dass der Bund dazu 60, das Land 20 und die Landkreise und Kommunen der Region Neckar-Alb 20 Millionen Euro beisteuern. Auch der Verband Region Stuttgart könnte sich beteiligen, wenn der Nutzen für die S-Bahn nachgewiesen werde, so Regionaldirektorin Nicola Schelling.

Hermanns Rechnung steht im Widerspruch zu Aussagen von Steffen Bilger (CDU). Der Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister hatte am 19. April erklärt, dass der Bund seinen Zuschuss zu Stuttgart 21 (Nahverkehrsmittel) erhöhe, das Land im Gegenzug das zweite Gleis im Projekt Wendlingen–Ulm allein zahlen solle. Bilger hat Anfragen unserer Zeitung dazu nicht beantwortet. Bei Wendlingen–Ulm zahlt das Land 950 Millionen Euro als Festbetrag, das Vorhaben hat sich laut Pofalla auf 3,7 Milliarden Euro verteuert.

Neues Sicherungssystem gefordert

Die Neubaustrecke solle bis zur Fertigstellung von S 21 von allen Zuggattungen genutzt werden, so Hermann. Alle Projektpartner fordern den Bund dazu auf, Zuschüsse für ein Modellprojekt zu gewähren, mit dem das neueste Zugsicherungssystem ETCS auch für den Nahverkehr und S-Bahnen entwickelt wird. Über ETCS und vor allem die exorbitanten Mehrkosten von S 21 wollen die Partner mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprechen. 3,7 Milliarden Euro Mehrkosten seien „eine Belastung für das Projekt“, so OB Fritz Kuhn (Grüne). Obwohl man die gerichtliche Auseinandersetzung nicht scheue – die Bahn hat alle Partner auf Mitzahlung verklagt –, wolle man gemeinsam erreichen, dass der Bund die Mehrkosten übernehme. Beim Neubau von Schienenwegen in Deutschland ist das gesetzlich vorgesehen, doch bei S 21 gilt ein spezieller Finanzierungsvertrag.

„Der Vorstand der Deutschen Bahn treibt die Fertigstellung konsequent voran, daran gibt es keine Zweifel“, sagte Pofalla, der Hermann ausdrücklich für dessen Einsatz für die Große Wendlinger Kurve dankte.

Der Bund schickt keinen

Die Projektpartner Bahn, Land, Stadt und Region Stuttgart demonstrierten am Freitag große Einigkeit, ein Vertreter des Bundes, der dem Lenkungskreis den Statuten nach angehört, war nicht zugegen. Die Teilnahme von Bundesvertretern an dem 2008 gegründeten Gremium lässt sich an einer Hand abzählen.

Vor der Sitzung des Lenkungskreises war das Gerücht aufgekommen, dass die Bahn beim Bau der 85 Meter hohen Filstalbrücke zwischen Wiesensteig und Mühlhausen im Täle eine Zwangspause wegen fehlender statischer Nachweise einlegen müsse. Dem widersprach Projekt-Geschäftsführer Manfred Leger. „Die Statik für die Brücke ist fertig“, sagte er. Nach Informationen unserer Zeitung ist die statische Berechnung für Teile der Brücke nicht abgeschlossen. Die S-21 Pressestelle erklärte, dass „die Ausführungsplanung dem Baufortschritt entsprechend verläuft“, also schrittweise geplant und gebaut werde. Die beauftragten Firmen haben bei der Bahn eine Schweigeerklärung unterzeichnet, sie dürfen sich nicht äußern, Äußerungen können nicht zitiert werden.