Bei Fällarbeiten von vermeintlich schützenswerten Bäumen im Februar im Rosensteinpark gab es manche Überraschung. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die Käfer-Affäre auf einem Baufeld für das Bahnprojekt Stuttgart 21 ist in der Landespolitik angekommen. Es geht um die Gretchenfrage: Soll jemand strafrechtlich belangt werden, wenn er den Nachweis artengeschützter Tiere manipuliert?

Stuttgart - Die Käfer-Experten sehen sich getäuscht. Das stellen die Sachverständigen nach einer neuerlichen Überprüfung ihrer Gutachten um mögliche Juchtenkäfer-Verdachtsbäume im Rosensteinpark seit 2012 fest. Dort, wo für das Bahnprojekt Stuttgart 21 ein Tunnelportal und eine neue Neckarbrücke geplant sind, gibt es laut Leipziger Gutachterbüro Bioplan „keine Zweifel an einer gezielten Manipulation durch Dritte“.

 

Dabei geht es nicht nur um jene zwei Bäume, bei deren Fällung im Februar unter anderem eine Flasche mit Käferresten gefunden wurde. In der neuerlichen Analyse, die unserer Zeitung vorliegt, haben die Gutachter fünf weitere Bäume aufgelistet, „die den Verdacht einer Manipulation nahe legen“. Gleiches gelte für Bäume im Bereich der Ehmannstraße. Diese konnten allerdings durch ein anderes Bauverfahren für einen Tunnel erhalten werden.

Staatsanwalt sieht keine Verstöße gegen das Strafrecht

Strafrechtlich ist der Befund der Ökologen allerdings ohne Bedeutung – selbst wenn Täter vorsätzlich an den von den Gutachtern benannten sieben Bäumen Kotpillen als Beleg für eine Juchtenkäferbesiedelung verteilt oder andere typische Spuren gelegt hätten. Und selbst wenn dem Bahnprojekt dadurch ein Schaden durch hohe Zusatzkosten verursacht würde: Es handelt sich trotzdem um keine Straftat, die von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden müsste. „Betrug setzt unter anderem eine Bereicherungsabsicht voraus“, sagt Jan Holzner, Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, „das ist hier nicht gegeben.“ Das Thema sei vielmehr zivilrechtlich zu klären.

Auch im Naturschutzgesetz gibt es nichts zum Thema. Für die Landes-SPD eine klare Gesetzeslücke. „Es kann doch nicht sein, dass Artenschutz mit geringen Mitteln so missbraucht werden kann“, sagt der Ulmer SPD-Landtagsabgeordnete Martin Rivoir. Der Gesetzgeber müsse sich damit befassen, wie man „mit der Fälschung artenschutzrechtlicher Fakten“ umgeht.

Grünen-Minister verurteilt „solche Manipulation“

Rivoirs Landtagsanfrage zum Thema Manipulation bei S 21 mit „gefakten Juchtenkäfern“ ist nun von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) beantwortet worden. „Die Landesregierung verurteilt jede Manipulation, die zum Ziel hat, das Projekt Stuttgart 21 zu verzögern oder zu verteuern“, stellt Hermann dabei fest. Außerdem sei man der Auffassung, „dass eine solche Manipulation sowohl berechtigte Belange des Artenschutzes als auch legitime Projektkritik in Misskredit bringt“.

SPD-Mann Rivoir sagt, dass die Landtagsfraktion sich damit nicht begnügen wolle. Womöglich mit Hilfe der neuen SPD-Bundesjustizministerin Katarina Barley oder aber per Bundesratsinitiative durch das Land Baden-Württemberg wolle man auf eine Gesetzesänderung drängen. Schließlich seien Großprojekte aller Art betroffen – wie etwa mutmaßliche Manipulationen mit geschützten Vögeln bei Windkraftprojekten im badischen Münstertal und Oberwolfach zeigten. In letzterem Fall hatte der Fund eines Kotstücks eines Auerhahnkükens den Bau dreier Windkrafträder gestoppt.

Projektsprecher: Die Politik ist am Zug

Mit dem SPD-Vorstoß spürt S-21-Projektsprecher Jörg Hamann Rückenwind: „Uns ist nachweislich ein hoher Schaden entstanden“, sagt er. Das Landes-Verkehrsministerium spricht in seiner Stellungnahme von mehreren Hunderttausend Euro. Dass es bisher keine rechtliche Handhabe gegen Manipulationen gebe, müsse man zur Kenntnis nehmen, so Hamann. Jedoch gehe es nicht nur um Stuttgart 21: „Der Ball liegt jetzt auf dem Spielfeld der Politik.“

Freilich: Selbst wenn Projektgegner im Rosensteinpark mit Käferkot manipuliert hätten, was Vertreter wie Dieter Reicherter von den „Juristen gegen Stuttgart 21“ vehement bestreiten, so hat dies mit der Verzögerung des Bauabschnitts von zweieinhalb Jahren wenig zu tun. „Das Verfahren unter Beteiligung der Europäischen Kommission wäre auch so erforderlich geworden“, stellt Minister Hermann fest.

Hauptproblem liegt drei Kilometer entfernt

Schließlich hatten die Käfer-Experten im Februar tatsächlich auch zwei Bäume mit Besiedelungsspuren von Rosenkäfern festgestellt. Die sind zwar nicht so streng geschützt wie Juchtenkäfer, deren Anwesenheit löst aber grundsätzlich einen entsprechenden Alarm aus. Die Ökologen stellten vier Rosenkäferlarven sicher.

Dass sich das Bahnprojekt um weitere vier Jahre verzögert, liegt indes nicht am Rosensteinportal. Der Schwerpunkt der Probleme liegt gut drei Kilometer Luftlinie entfernt, im künftigen Tunnel nach Feuerbach.