Auf einem begehbaren Stadtplan ist in Rot der Tiefbahnhof ­markiert – Lichteffekte sollen diesen Teil des Turmforums einmal zum optischen Spektakel machen. Foto: Max Kovalenko

Fünf Ebenen, eine Vision – die Ausstellung zum Bahnprojekt Stuttgart 21 auf fünf Etagen im Turm des Stuttgarter Hauptbahnhofs wird zurzeit runderneuert. Erste Teile des Turmforums, einer mit viel multimedialer Technik ausgestatteten Schau, sind voraussichtlich ab März zugänglich.

Stuttgart - Alles im Blick zu haben, wer kann das von sich behaupten. Zumal beim Bahnprojekt Stuttgart 21. David Bösinger ist relativ nahe dran an dieser Idealvorstellung: ein Blick in den Turm – so schön wird der neue Hauptbahnhof, ein Blick aus dem Fenster – so weit sind die Bautrupps damit. „Auf die Weise sollen auch die Besucher das Projekt in Zukunft erleben“, sagt der Leiter der Stuttgart-21-Ausstellung. Bösinger hat sein Büro auf Ebene vier des Bahnhofsturms und ist zurzeit vor allem damit beschäftigt, die Schau auf Vordermann zu bringen.

Mit einem Etat von 500.000 Euro wird derzeit das Turmforum umgebaut. Multimedial, digital, interaktiv, die Schau soll einmal modernsten Standards genügen.

Ausstellungsräume, Büros, Restaurant, Aussichtsplattform – der Turm des Stuttgarter Hauptbahnhofs erstreckt sich insgesamt über neun Ebenen. Im Turmforum haben die Handwerker das Sagen. Beim Rundgang durch die fünf Etagen der S-21-Schau erläutert Ausstellungsleiter Bösiger nicht ohne Stolz, was sich zwischen Werkzeug und Gerüsten bisher nur erahnen lässt.

Am Aufzug im Erdgeschoss heißt es deshalb auf einem Schild: „Wegen Umbau geschlossen“. Das gilt für den größten Teil der Stuttgart-21-Ausstellung. Momentan ist nur Ebene sechs für Besucher zugänglich. Dort geht es um den neuen Hauptbahnhof selbst. Noch dominieren Großplakate und Schaukästen. Ein Schriftband aus roten Leuchtdioden zeigt die künftigen Fahrzeiten der Züge in die Region an. Ausstellungstechnik fürs Museum. „Das kommt alles weg“, sagt Bösinger. Freigeräumt werden vor allem die Fenster, und das überall in der Ausstellung, damit Besucher später immer auch einen Blick von oben in die Baugruben werfen können. Das hydraulisch betriebene Modell des Bahnhofs, das wie ein Teil einer riesengroßen Miniatureisenbahn wirkt, bleibt auf Ebene sechs. „Die Menschen wollen das Modell sehen“, sagt der Ausstellungsleiter.

In Ebene fünf herrscht vor allem Dunkelheit

Das Konzept der künftigen Schau sieht vor, dass sich Besucher, beginnend auf Ebene drei, das Projekt Stück für Stück Richtung Aussichtsplattform erarbeiten. „Wer nur 20 Minuten Zeit hat, erfährt auf Ebene drei das Wichtigste zu Stuttgart 21, in den Etagen darüber geht die Ausstellung in die Tiefe“, so Bösinger. „Für Tiefentaucher“, ergänzt Andreas Maien. Dessen Agentur Macom und das Designstudio Heller haben im vorigen Jahr den Wettbewerb gewonnen, der dem Umbau vorausgegangen ist. Beide haben sich unter anderem mit der inhaltlichen Konzeption des Porsche-Museums in Stuttgart-Zuffenhausen einen Namen gemacht.

Ein Höhepunkt der Schau im Bahnhofsturm dürfte Ebene fünf werden. Dort ist es vor allem dunkel. Die unterirdische Zugstation und sämtliche Tunneltrassen sind auf einem begehbaren, in viele Quadrate aufgeteilten Stadtplan aufgezeichnet, der wiederum mit Schwarzlicht angestrahlt wird. Sobald jemand auf einem der Quadrate steht, wird der Bereich zusätzlich von unten beleuchtet.

Auf Ebene sieben geht es um den Städtebau infolge von Stuttgart 21 im künftigen Rosensteinviertel. Weil städtebaulich noch vieles im Fluss ist, wird sich dieser Teil der Schau vermutlich am häufigsten verändern. Der Pluspunkt der Ausstellung liegt „in ihrer Aktualisierungsfähigkeit“, sagt Andreas Maien. Der Reiz des Auftrags bestand laut Marcel Heller zudem darin, „neuste Technik und die Gestaltung von Räumen auf begrenzten Flächen zu kombinieren“.

Bahn hat Baurecht

Der Clou der Schau: Inhalte können später per Internet überall gezeigt werden. Sogar Besucher können Informationen versenden, „quasi durch die Mauern des Bahnhofsturms hindurch“, wie David Bösinger mit einem sachten Anflug von Pathos formuliert.

Stuttgart-21-Gegnern sind derlei Gefühle natürlich fremd. Warum so viel Geld für eine Ausstellung ausgeben, deren Inhalt ohnehin nie gebaut wird, werden die meisten argwöhnisch fragen. Am 5. März soll der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn tagen und über 1,1 Milliarden Mehrkosten beraten. Ausgang offen. David Bösinger hat sich frei davon gemacht, tägliche Wasserstandsmeldungen, von wem auch immer, zur Grundlage seiner Arbeit werden zu lassen. Die Bahn hat Baurecht. Das Wort Scheitern hat er deshalb aus seinem Wortschatz gestrichen. Einen Plan B für die Nutzung der Räume im Bahnhofsturm gibt es laut dem Stuttgart-21-Büro nicht. „Über 60 Prozent der Bevölkerung sind für Stuttgart 21, das ist für mich Ansporn und Motivation“, sagt Bösinger. Für ihn hat die Ausstellung vor allem eine aufklärerische Funktion. Im Mittelpunkt steht das Projekt. Der Protest dagegen findet im Turmforum am Rande statt.

Auf einem der Berührbildschirme taucht unter dem Stichwort Kosten die Summe 4,526 Milliarden Euro auf. Der Betrag ist überholt, oder nicht? Man könne nicht alles tagesaktuell in die Ausstellung einpflegen, entgegnet David Bösinger. Soll heißen: Sind Mehrkosten von allen Partnern akzeptiert, finden sie auch Eingang in die S-21-Schau. Bösinger hat die Debatte im Blick.