Eltern wollen ihrem Nachwuchs ein kinderfreundliches Umfeld bieten – und ziehen im Zweifel dafür raus aus der Stadt. Foto: Charlotte Fischer

Im Kreis Freudenstadt haben die Frauen statistisch gesehen am meisten Kinder im Land. Das zeigt eine neue Studie. Großstädte schneiden tendenziell schlecht ab: Stuttgart und Karlsruhe etwa. Pforzheim und Heilbronn aber zeigen, dass es auch anders geht.

Stuttgart - Baden-Württemberg scheint kein schlechter Platz für Familien zu sein. In der jüngsten Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (Bib) zur Kinderzahl von Frauen in Deutschland schneidet der Südwesten gut ab. Von den 44 der 402 deutschen Landkreise, in denen Frauen, statistisch betrachtet, mehr als 1,7 Kinder haben, befindet sich immerhin fast ein Drittel in Baden-Württemberg. Nur in Bayern gibt es mehr Landkreise mit relativ kinderreichen Familien. Bundesweit spitze ist aber der niedersächsische Kreis Cloppenburg. Das ist der einzige Kreis in Deutschland, in dem die Frauen, statistisch gesehen, mehr als zwei Kinder haben.

 

Für die Studie haben die Forscher Daten des Zensus 2011 und der Geburtenstatistik ausgewertet. Dabei haben sie ihr Augenmerk auf die Frauenjahrgänge 1969 bis 1972 gerichtet, weil bei dieser „Kohorte“, so die Annahme, die Familiengründungsphase inzwischen abgeschlossen ist. Diese sogenannte Kohortenfertilität soll aussagekräftiger sein als die üblicherweise verwendete zusammengefasste Geburtenziffer (TFR), denn dabei wird die Anzahl der Geburten ins Verhältnis zur Anzahl der Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren gesetzt. Dieser Durchschnittswert verliert an Aussagekraft, weil sich die Familiengründungsphase üblicherweise innerhalb weniger Jahre abspielt. Die Bib-Studie gibt deshalb Hinweise darauf, wo Familien mit Kindern besonders gerne leben – und wo eben nicht.

Freudenstadt ist vorne, Baden-Baden weit hinten

In Baden-Württemberg liegt der Kreis Freudenstadt (1,864 Kinder) ganz vorn; im bundesweiten Vergleich nimmt der Kreis im Schwarzwald den fünften Rang ein. Auch der Neckar-Odenwald-Kreis (1,843 Kinder) und der Kreis Biberach (1,808 Kinder) landen in dem Ranking relativ weit vorn. Unter den 28 deutschen Landkreisen, in denen die Frauen weniger als 1,3 Kinder bekommen haben, finden sich aber auch drei baden-württembergische. Zu diesen Schlusslichtern zählen die beiden Großstädte Stuttgart (1,291 Kinder) und Karlsruhe (1,261) sowie der Stadtkreis Baden-Baden (1,220).

Damit bildet das Land ganz gut ab, was die Autoren der Bib-Studie als Faktoren für oder gegen Familiengründungen ausgemacht haben. Demnach ist die Fruchtbarkeitsrate in den Kreisen signifikant höher, die ländlich geprägt sind, in denen der Anteil an Akademikerinnen geringer ist, es relativ viele Katholiken gibt, die Dienstleistungsbranche in der wirtschaftlichen Struktur nicht so stark ausgeprägt und die Arbeitslosigkeit geringer ist.

Baden-Baden dürfte indes vor allem deshalb so weit hinten landen, weil der Stadtkreis der älteste im Land ist. Und Stuttgart und Karlsruhe erzielten für Großstädte typische Werte, sagt Martin Bujard, einer der Autoren der Bib-Analyse. „In Großstädten ist Wohnraum deutlich teurer und sehr knapp.“ Deshalb ziehe es viele Familien mit Kindern ins Umland, wo sie günstiger und mehr Wohnraum bekämen.

Pforzheim und Heilbronn schneiden gut ab

Allerdings gibt es auch Großstädte, die deutlich besser abschneiden. Als einzige Großstadt überhaupt gehört Pforzheim mit seinen 120 000 Einwohnern zu den Kreisen, in denen Frauen mehr als 1,7 Kinder haben. Allerdings leben in Pforzheim auch relativ viele Menschen mit Migrationshintergrund, die laut der Statistik ebenfalls häufiger größere Familien gründen. Fast jede zweite Frau dort hat einen ausländischen Pass oder entstammt einer Familie, die nach Deutschland gezogen ist.

Ähnliches gilt für den Stadtkreis Heilbronn. Die Heilbronner haben die Marke von 1,7 Kindern denkbar knapp verfehlt (1,699 Kinder). Neben einem hohen Migrantenanteil kennzeichnet die Stadt, dass sie wohlhabend und die Arbeitslosenquote niedrig ist – außerdem ist die Kinderbetreuung für Drei- bis Sechsjährige kostenlos. Das 120 000 Einwohner zählende Heilbronn war vor fast zehn Jahren die bundesweit erste Großstadt, die den gebührenfreien Kindergarten eingeführt hat.

„Potenzielle Eltern prüfen sehr genau, wo sie ein Haus bauen oder eine Wohnung kaufen wollen“, sagt Martin Bujard vom Bib. „Dabei spielen das Betreuungsangebot und die schulischen Möglichkeiten eine große Rolle.“ Insofern hätten die Rathäuser durchaus Gestaltungsspielräume, erklärt der Forscher. „Die Politik kann die Familiengründung in Städten durchaus unterstützen: bei der Schaffung von Wohnraum, bei der Kinderbetreuung, aber auch verkehrspolitisch oder bei der Schaffung von grünen Bewegungszonen für Kinder.“