Immer wieder sorgt Sahra Wagenknecht für vehementen Streit in der Linkspartei. Nun kommt es zum offenen Bruch. Foto: dpa/Michael Kappeler

Der ehemalige Parteichef Bernd Riexinger nennt den Vorstandsbeschluss „völlig richtig“. Die Fraktionsspitze ist dagegen empört.

Nach dem offenen Bruch der Linken-Parteiführung mit Sahra Wagenknecht wird in der Partei wieder einmal höchst kontrovers diskutiert. Die Fraktionsführung im Bundestag übt heftige Kritik. Der Ex-Vorsitzende Bernd Riexinger ist sehr zufrieden.

Das Tischtuch zwischen der Führung der Linkspartei und ihrer prominentesten Politikerin hatte am Samstag ein einstimmiger Vorstandsbeschluss endgültig zerrissen, dessen Wortlaut unserer Zeitung vorliegt. „Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“ – so lautet der Schlüsselsatz der vom Parteivorstand verabschiedeten Entschließung, die anschließend von den beiden Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan öffentlich gemacht wurde.

Vorwurf der „Erpressung“

In der verabschiedeten Erklärung werden der populären Abgeordneten „Erpressungsversuche“ vorgeworfen. So sei es zu bezeichnen, „wenn Einzelne sich systematisch über Mehrheiten hinwegsetzen und versuchen, der Linken durch öffentliche Einlassungen über die Medien sowie durch die Drohung mit der Gründung einer konkurrierenden Partei einen anderen Kurs aufzuzwingen“, heißt es in dem Text.

Mit der Entschließung der Parteiführung erreicht der Dauerkonflikt mit Wagenknecht den Höhepunkt. Seit Jahren hatte Wagenknecht vor allem in der Asylpolitik Positionen vertreten, für die sie auf Parteitagen keine Mehrheit mobilisieren konnte. Auch das strategische Bemühen der alten Parteiführung um den Stuttgarter Bernd Riexinger und Katja Kipping, für die Partei neue Wählermilieus – etwa in großstädtischen akademischen Kreisen – zu gewinnen, wurde von Wagenknecht scharf kritisiert. Sie sprach verächtlich von der neuen „Lifestyle-Linken“. Auch Wagenknechts Russland-freundliche Haltung zum Ukraine-Krieg war in der Partei nicht unumstritten geblieben.

Zuletzt hatte es immer neue Gerüchte um Pläne Wagenknechts gegeben, eine eigene Partei zu gründen. Entsprechende Absichten hatte die Politikerin nie eindeutig dementiert. Dagegen hatte sie sich festgelegt, nicht mehr für die Linke für den Bundestag zu kandidieren. Letzter Anlass für den offenen Bruch ist nach Recherchen unserer Zeitung ein unversöhnlich verlaufenes Gespräch des geschäftsführenden Parteivorstands mit Wagenknecht in der letzten Maiwoche.

Meinungsforscher sehen Potenzial für Wagenknecht-Partei

Die Parteiführung sieht sich offenbar nach für sie akzeptablen Landtagswahlergebnissen in den Stadtstaaten Berlin und Bremen stark genug, um den offenen Bruch zu vollziehen. In aktuellen Meinungsumfragen liegt die Linke wieder oberhalb der Fünf-Prozent-Marke. Eine Parteigründung durch Wagenknecht wäre allerdings eine erhebliche Bedrohung für die Zukunft der Linkspartei. Meinungsforscher geben einer Wagenknecht-Partei gute Chancen, durch die Übernahme populistischer Positionen ein erhebliches Reservoir an Proteststimmen zu sammeln. Die Frage ist, ob Wagenknecht diesen Sprung wagt. Sie hat selbst eingeräumt, dass sie nicht die Kraft und das Talent habe, selbst eine tragfähige Parteiorganisation aufzubauen.

Fraktionsführung spricht von „großem Fehler“

Die Entscheidung der Parteispitze wird parteiintern in teils heftigen Worten kommentiert. Große Zustimmung und vehementer Widerspruch wechseln sich ab. Ex-Parteichef Riexinger nennt den Beschluss gegenüber unserer Zeitung „völlig richtig“. Die Parteispitze habe sehr lange „Geduld und Toleranz mit Wagenknecht aufgebracht“. Letztlich habe „sie selbst den Bruch herbeigeführt“. Es wäre nun fair von Wagenknecht, ihr Bundestagsmandat, „das sie der Linken verdankt, aber ohnehin nicht nutzt“ zurückgeben, sagte Riexinger. Das Stuttgarter Vorstandsmitglied Luigi Pantisano sprach von einem „wichtigen Signal“ an alle, die der Linken nahe stehen, nun mitzutun. Dagegen nannte die Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag Amira Mohamed Ali den Beschluss „einen großen Fehler und einer Partei unwürdig, die sich Solidarität und Pluralität auf die Fahnen schreibt“.

Was der Vorstandsbeschluss bedeutet

Distanzierung
 Formal ist der Beschluss des linken Parteivorstands kein Parteiausschluss, gegen den Sahra Wagenknecht sich in einem womöglich langen parteigerichtlichen Verfahren wehren könnte.

Forderung
Die Parteispitze drängt Wagenknecht zur Rückgabe ihres Bundestagsmandats. „Es ist ein Gebot des politischen Anstandes und der Fairness gegenüber den Mitgliedern unserer Partei, wenn diejenigen, die sich am Projekt einer konkurrierenden Partei beteiligen, konsequent sind und ihre Mandate zurückgeben“, heißt es in der Erklärung vom Samstag. Es sei „nicht akzeptabel, dass Ressourcen aus für die Linke gewonnenen Mandaten für den Aufbau eines Konkurrenzprojektes genutzt werden“.

Engagement
Wagenknecht war in der Bundestagfraktion in dieser Wahlperiode kaum noch anwesend.