EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (links) und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola bei ihrem Besuch in Israel. Nicht allen in der EU hat diese Solidaritätsaktion gefallen. Foto: dpa/Bea Bar Kallos

Die EU würde gerne als wichtiger Partner in der Welt wahrgenommen werden. Im Moment machen die Hauptakteure vieles, um diesen Eindruck zu zerstören.

Ursula von der Leyen redet gerne über das Team Europe. Sie meint damit eine starke Europäische Union, die mit einer Stimme spricht und politisch gemeinsam an einem Strang zieht. Doch diese Beschreibung der Einheit entpuppt sich ausgerechnet in diesen Tagen der multiplen Krisen als schnöder Wunschtraum der Kommissionschefin.

Dabei sind die zahlreichen politischen Differenzen, die in einem vielschichtigen Konstrukt wie der EU notgedrungen im System angelegt sind, nur eines von mehreren Problemen. Zur Belastung werden inzwischen persönliche Differenzen und Eitelkeiten zwischen den Hauptakteuren, die es schwierig machen, die Staaten Europas auf einer gemeinsamen Linie zu halten.

Die EU am Rande der Peinlichkeit

Am Rand der Peinlichkeit bewegen sich die Querelen zwischen Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel. Nicht zum ersten Mal wirft der Belgier der Deutschen vor, ihre Kompetenzen zu überschreiten. So stellte sich Ursula von der Leyen nach dem Terrorüberfall der Hamas schnell auf die Seite Israels und machte sich auf zum Solidaritätsbesuch in Jerusalem. Dieses forsche Auftreten trieb Michel auf die höchste aller Palmen, von wo aus er über den Nachrichtendienst X (ehemals Twitter) die Mission Ursula von der Leyens in außergewöhnlich scharfen Formulierungen in Frage stellte. Assistiert wurde ihm von Josep Borrell, der sich als EU-Außenbeauftragter schändlich übergangen fühlte und seine Chefin via X ebenfalls massiv kritisierte. Die Außenwirkung war fatal. Denn während die USA zur selben Zeit einen Flugzeugträger in den Nahen Osten beorderten, herrschte in der EU auf X eine Art politischer Zickenkrieg.

Tweets mit einer brisanten Vorgeschichte

Diese Tweets haben allerdings eine Vorgeschichte, denn schon zu Beginn des Krieges in der Ukraine hatte die Kommissionschefin mit ihrem forschen außenpolitischen Auftreten die beiden Männer schonungslos vor sich hergetrieben. Bereits damals raunte der Kreis der Diplomaten um Charles Michel, sie überschreite ihr Mandat und maße sich außenpolitische Kompetenzen an, die sie als ranghöchste EU-Beamtin schlicht nicht habe. Doch der Eindruck, den Michel und Borrell angesichts des russischen Überfalls hinterließen, war frappierend. Sie erschienen damals in einer Situation, die eindeutiges Handeln erforderte hat, als zögerlich und zaudernd. Das haben sie der Deutschen offensichtlich bis heute nicht verziehen.

Reichlich verzweifelt versucht nun Charles Michel das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen. Nach tagelangem Abwarten berief er innerhalb kurzer Zeit zwei Tagungen der EU-Länder zum Krieg im Nahen Osten ein. Erkenntnisfördernd waren beide Treffen nicht. Israels Recht auf Selbstverteidigung wurde betont, allerdings wurde die Regierung in Jerusalem auch an ihre völkerrechtlichen Pflichten erinnert.

Zum Thema Orbán wird geschwiegen

Das Beharren von Charles Michel auf seiner außenpolitischen Richtlinienkompetenz wird nun allerdings von überraschender Seite in gewisser Weise konterkariert. Denn der ungarische Premier Viktor Orbán reiste in diesen Tagen nach Peking, um als einziger EU-Premier an den Feierlichkeiten zum Jubiläum der chinesischen Seidenstraße teilzunehmen. Dort diente er sich nicht nur Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinpin an, sondern hofierte auf einer Pressekonferenz auch Wladimir Putin – der russische Präsident wird mit internationalem Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen gesucht. Beide Begegnungen sind eigentlich ein Affront gegenüber der gesamten Europäische Union. Aus dem Munde von Charles Michel kommt dazu allerdings nur Schweigen.