Mit dem Anfang des Jahres 2024 eingeführten E-Rezept läuft die Rezepteinlösung in der Apotheke von nun an digital. Foto: imago/Jochen Tack

Seit Anfang Januar erhalten Patienten Rezepte nicht mehr auf Papier, sondern auf digitalem Wege. Wir haben uns bei Ärzten, Apothekern und Patienten in Böblingen umgehört, wie sie zu der Neuerung des E-Rezeptes stehen.

Das letzte Stündchen des rosa-weißen Papierrezepts hat Anfang des Jahres geschlagen. Am 1. Januar 2024 wurde es offiziell vom E-Rezept abgelöst. Das digitale Rezept kann mit der Gesundheitskarte, über eine App mit dem Smartphone oder einem Ausdruck in der Apotheke eingelöst werden. Doch wie geht es den Ärzten, Apothekern und Patienten eigentlich mit der Neuerung? Macht die Digitalisierung ihnen das Leben leichter oder gar schwerer? Wir haben uns umgehört und stellen fest: Die Erfahrungen sind gemischt.

 

Für die Ärztin ist das E-Rezept zunächst einmal eine deutliche Mehrbelastung

Für die Hausärztin und Vorsitzende der Ärzteschaft Böblingen, Annette Theewen, ist die Einführung des elektronischen Rezepts vor allem zeitlich eine enorme Mehrbelastung. „Es läuft sehr langsam, sehr schleppend, sehr hinderlich – um es gelinde auszudrücken“, sagt die Ärztin. Mittags müsse sie eine Stunde dafür aufwenden und abends nochmals eine Stunde. „In dieser Zeit würde ich viel lieber Patienten behandeln“, sagt sie. Die elektronische Ausstellung sei ein zusätzlicher Aufwand. Zwar hofft die Ärztin, dass die Systeme noch schneller werden und nicht mehr so oft zusammenbrechen, doch selbst wenn sich die Technik noch verbessere, würde für Ärzte ein Mehraufwand bleiben.

Für die Patienten sei es zwar eine Umstellung, doch die habe auch Vorteile: Wer beispielsweise Dauerrezepte benötigt, muss nun dafür nicht mehr jedes Mal zum Arzt. Das Rezept kann nun auch per Anruf von Ärzten auf die Gesundheitskarte gestellt werden – allerdings nur, wenn die Karte im aktuellen Quartal einmal eingelesen wurde. Doch Annette Theewen sieht darin auch eine Kehrseite: „Manchmal ist es auch gut, wenn Patienten in die Praxis kommen. Es kommt schon ab und zu vor, dass ich den ein oder anderen vom Tresen in die Sprechstunde hole, weil ich sehe, dass etwas nicht stimmt“, erklärt sie. Manches gehe also vielleicht verloren, wenn man keinen direkten Kontakt mehr habe.

Apotheker sieht das E-Rezept-Verfahren auf einem guten Weg

Recht positiv fällt ein erstes Fazit aus Sicht des Apothekers Michael Hult, Inhaber der Böblinger Paracelsus Apotheke, aus. „Der Anfang verlief noch etwas holprig. Inzwischen funktioniert alles aber deutlich besser“, erklärt der Böblinger. Die Vorteile des neuen Systems sieht Hult vor allem darin, dass Korrekturen auf dem E-Rezept nun schneller vom behandelnden Arzt getätigt werden können, als dies vorher beim Rezept in Papierform der Fall war. „Das spart Zeit und Wege“, betont Michael Hult. Außerdem brächte das neue System administrative Erleichterungen mit sich.

Probleme habe es in den vergangenen Tagen nur dann gegeben, wenn Patienten mit dem E-Rezept in seiner Apotheke vor dem Verkaufstresen standen, der Arzt zuvor aber das Rezept nicht signiert hatte. „Hier müssen sich die Abläufe noch verbessern. Da befinden wir uns aber auf einem guten Weg“, sagt Hult. Einen anderen Nachteil, den der Apotheker noch sieht, bezieht sich auf die fehlende Transparenz: „Bei einem E-Rezept sieht der Patient nicht mehr, was er verschrieben bekommen hat. Das war beim Papierrezept anders.“

Die Versichertenkarte wird am häufigsten genutzt

Wie immer bei der Einführung neuer digitaler Verfahren sind Ärzte und Apotheker darauf angewiesen, dass die Geräte und die Software funktionieren. „Ich hoffe, dass wir keinen Ausfall des Gerätes erleben. Wir sind als Apotheke aber schon dabei, uns so vorzubereiten, dass wir alles redundant haben, sodass das E-Rezept reibungslos eingelöst werden kann“, erläutert der Pharmazeut.

Von den aktuell drei Möglichkeiten, ein vom Arzt ausgestelltes E-Rezept in einer Apotheke einzulösen, sei der Weg über die Versichertenkarte momentan der am häufigsten genutzte. „Die meisten erhalten ihr Medikament nach Einlesen ihrer Versichertenkarte. Die App ist für viele noch zu wenig vertraut und noch zu umständlich – gerade zu Beginn“, sagt Michael Hult. Das liege daran, dass Kunden zur Nutzung der sogenannten „gematik“-App von ihren Krankenkassen erst die Zusendung einer PIN beantragen müssen, bevor sie die App nutzen könnten. Welche Variante sich zukünftig durchsetzen wird, das vermag der Böblinger Apotheker noch nicht zu sagen: „Die Zeit wird zeigen, welcher Weg am bequemsten und effektivsten ist.“

Viele Patienten sind überrascht, wie unkompliziert das E-Rezept anläuft

Bei den meisten Patienten scheint das E-Rezept ganz gut anzukommen: Ein junger Mann aus Altdorf berichtet, dass er ein Rezept lediglich über einen Anruf beim Hausarzt auf seine Gesundheitskarte geladen bekommen habe. Danach sei es kein Problem gewesen, das Rezept in einer Apotheke abzuholen. „Ich war positiv überrascht von der unkomplizierten Abwicklung und froh, nicht persönlich in die Praxis zu müssen, sodass mir eventuelle Zeit im Wartezimmer erspart blieb“, sagt er. Für ihn hat das E-Rezept einen besonderen Vorteil, da er regelmäßig ein verschreibungspflichtiges Medikament benötigt. Hier sieht er Optimierungsbedarf, denn wenn seine Karte im aktuellen Quartal nicht bereits in der Praxis eingelesen gewesen wäre, hätte das E-Rezept auch nicht auf die Gesundheitskarte geladen werden können. „Hier wäre es von Vorteil, wenn die Möglichkeit bestünde, jederzeit ein E-Rezept zu erhalten, ohne davor persönlich beim Arzt gewesen zu sein.

Auch eine ältere Dame aus Sindelfingen findet die Neuerung gut. Am Dienstagmorgen löst sie ein E-Rezept in der Apotheke in den Mercaden ein. „Ich finde es toll, dass das Rezept über die Gesundheitskarte in der Apotheke eingelöst wird“, sagt sie. Von der Arztpraxis bis zur Apotheke lief alles wie am Schnürchen, berichtet sie. „Zackzack ging das“, so die Sindelfingerin.

Das E-Rezept zu bekommen, ist kein Hexenwerk

Schritt 1
Eine Ärztin oder ein Arzt erstellen das Rezept in ihrer Praxis digital, signieren es und sichern es in einem zentralen System. Das Rezept wird nicht auf der Karte gespeichert, sie dient nur als „Schlüssel“, damit die Apotheke Zugriff auf das zentrale System bekommt, wo alle Rezepte gespeichert und verwaltet werden.

Schritt 2
Versicherte können nun in die Apotheke gehen und dort entweder ihre Gesundheitskarte, die E-Rezept-App oder einen Papierausdruck vorlegen. Die Apotheker können nun das Rezept digital abrufen. Bei der Gesundheitskarte ist keine PIN nötig, die Karte wird lediglich ins Kartenlesegerät gesteckt. Wer die App benutzt, braucht eine Gesundheitskarte mit NFC-Funktion (Auf der Karte befindet sich ein Symbol mit einem Punkt in der Mitte mit Strichen drumherum, die wie Schallwellen aussehen) und eine PIN. Zuletzt gibt es noch die Möglichkeit, in der Arztpraxis einen Papierausdruck zu bekommen. Auf diesem steht ein Rezeptcode, der in der Apotheke gescannt wird.