Was macht das Leben in der Stadt aus? Diese Frage soll sich leitmotivisch durch das Jubiläumsjahr ziehen. Foto: factum/Archiv

Auf der Zielgeraden ist das Vorbereitungsteam mit dem Programm für das Jubiläum „300 Jahre Stadterhebung“. Von Mitte März bis Ende Oktober Ende stehen mehr als 130 Veranstaltungen an.

Ludwigsburg - Dafür, dass es jetzt in die heiße Phase geht, ist Anna Weiland bemerkenswert gelassen. Ende dieser Woche stellt die Stadt ihr Jubiläumsprogramm vor, am 11. März steht der Festauftakt an, dann geht es bis im Ende Oktober mit mehr als 130 Veranstaltungen Schlag auf Schlag. Wobei manches, was im Herbst über die Bühne gehen soll, noch nicht final festgezurrt ist. Die junge Historikerin und Kunstgeschichtlerin stellt zu dem Veranstaltungsmarathon aus Anlass der Stadterhebung Ludwigsburgs vor 300 Jahren, für den sie federführend verantwortlich ist, unprätentiös fest: „Wenn ein Jubiläum über einen so langen Zeitraum gefeiert wird, muss man eine ungeheure Flexibilität beibehalten. Man kann nicht sagen, dass das stressfrei ist. Aber es ist alles eine Frage der Organisation.“

Netzwerkarbeit in rekordverdächtiger Geschwindigkeit

Seit April des vergangenen Jahres laufen bei Anna Weiland, die zuvor Kulturarbeit in Ludwigshafen machte, im Projektbüro für das Ludwigsburger Stadtjubiläum die Fäden zusammen. In rekordverdächtiger Zeit hat sie Netzwerkarbeit betrieben, Akteure und Multiplikatoren des Stadtlebens kennengelernt, Strukturen geschaffen und sich regelmäßig mit Projekt- und Lenkungsgruppen zusammengesetzt. Die Kulturamtsleiterin Wiebke Richert, in deren Fachbereich das Jubiläums-Büro angesiedelt ist, sagt: „So etwas funktioniert nur, wenn man das komplexe inhaltliche Spektrum immer wieder hoch konzentriert auf die ursprüngliche Idee und Haltung zurückführt und in den Alltag herunterbricht.“ Das sei ein hoher intellektueller Anspruch – und Weiland für die Aufgabe genau die Richtige.

Was aber ist die ursprüngliche Idee der erneuten Stadtjubiläumsfeier, nachdem es die Stadt erst 2009 hat krachen lassen – damals anlässlich des sich zum 300. Mal jährenden Stadtgründungs-Aufrufs? Wiebke Richert: „Zentraler Ansatzpunkt war es, den Anlass der Stadterhebung nicht nur künstlerisch-kulturell, sondern in seiner breiten gesellschaftlichen Relevanz aufzufächern. Es wäre unzeitgemäß, nur den Jubel zu inszenieren.“

Das Thema Stadterhebung in breiter gesellschaftlicher Relevanz

Will heißen: Selbst wenn im Festjahr mit den runden Geburtstagen 250 Jahre Pferdemarkt und 250 Jahre Venezianische Messe schon zwei Superlative für sich auf der Agenda stehen und die baden-württembergischen Literaturtage dem Ganzen das i-Tüpfelchen aufsetzen werden, zieht sich leitmotivisch und stringent das Thema „Stadt werden“ durchs Programm. Das passt nach Ansicht von Richert hervorragend zu aktuellen Fragestellungen: „Es ist ein Glücksfall und eine schöne Koinzidenz, dass unser historisches Jubiläum so gut in diese Zeit passt, in der sich die Menschen in den Städten stark mit Themen wie Wohnen, Digitalisierung, Mobilität, Ressourcenverbrauch oder Nachhaltigkeitbeschäftigen“, sagt die Kulturamtsleiterin.

Hierbei hat Anna Weiland der Jubiläumsagenda auch ihren eigenen Stempel aufgedrückt. Etwa mit der fünf Abende umfassenden Dialogreihe „Von der Planstadt zur Smart City“, bei der beispielsweise ein Hufschmied auf einen Mobilitätsexperten treffen wird oder die „Planstadt“ der „urbanen Utopie“ gegenübergestellt wird. „Das Thema Planstadt“, wirft Wiebke Richert ein, „gehört ja quasi zum genetischen Code von Ludwigsburg.“

Was zum Stadtsein gehört, werde aber auch „auf ganz klassischen Feldern abgearbeitet“, sagt Richert – bei Stadtspaziergängen und -begegnungen, in Vorträgen, in der Ausstellung „Hin und weg“ oder zum Beispiel mit einem Mikrohofhaus auf der Sternkreuzung. Dort hat gerade der Nachbau des Entwurfs der Architekten Florian Kaiser, Guobin Shen und Hans-Christian Bäcker begonnen, die den Architekturwettbewerb der Stadt zum Thema „Raumpioniere – Wohnen auf kleinstem Raum“ gewonnen hatten. Und zur Jubiläums-Auftaktmatinée kommt mit Annette Spellerberg eine renommierte Stadtsoziologin.

Ein „ungemeiner Beitrag zur Identifikation mit der eigenen Stadt“

Was Weiland und Richert positiv überraschte: auf welch großen Widerhall der Aufruf zur Beteiligung am Stadtjubiläum stieß und welche Dynamik er in Gang setzte. Bürger, Vereine, Kulturschaffende, verschiedene Institutionen sind mit von der Partie, auch viele Kinder und Jugendliche. „Wir arbeiten mit mehr als 40 Partnern zusammen“, erzählt Anna Weiland. „Der Gemeinwesen-Ansatz hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt“, merkt Wiebke Richert an. Das Jubiläum, für das 700 000 Euro an öffentlichen Zuschüssen fließen, sieht sie deshalb als „ungemeinen Beitrag zur Identifikation mit der eigenen Stadt“.

Bei manchen Akteuren habe man das Gefühl gehabt, sie hätten geradezu auf einen Anlass gewartet, um initiativ zu werden, berichten die beiden Frauen. Manches könne gar nicht in diesem Jahr umgesetzt werden, sei aber durch das Jubiläum angestoßen worden. Gut so, findet Wiebke Richert: „Das Leben und Gestalten in der Stadt geht ja auch nach 2018 weiter. Es ist immer schön, wenn der große Scheinwerfer über der Stadt angeschaltet wird. Aber genauso wichtig ist die Frage: Was bleibt?“