Aus Sicht der Gutachter sollten künftig neue Hochhäuser gebaut werden. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Immobilienexperten der Stadt sehen im Verzicht auf neue Baugebiete einen der Hauptgründe für die extrem steigenden Preise. Als mögliche Lösung bringen sie nun neue Hochhäuser ins Spiel.

Stuttgart - Ungewöhnlich politisch. Mit diesen Worten lassen sich die Aussagen des Vorsitzenden des städtischen Gutachterausschusseszusammenfassen. Karlheinz Jäger spricht bei der Präsentation des neuen Grundstücksmarktberichts von teilweise extremen Preissteigerungen. Grund für die immer schnellere Verteuerung von Wohnraum sei in erster Linie der Vorrang der Innenentwicklung – also der Verzicht auf neue Baugebiete. Unter dieser Prämisse seien neue Hochhäuser aus seiner Sicht die einzige Alternative, um wieder bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können. Für die neuen Wohntürme hat Jäger sowohl den ehemaligen IBM-Campus in Vaihingen als auch das geplante Rosensteinareal auf den heutigen Gleisflächen im Auge. Zudem übt der Vorsitzende des Ausschusses Kritik an der Bürgerbeteiligung zum geplanten Rosensteinquartier.

„Die Preisentwicklung setzt sich ungebremst fort“, beschreibt Jäger die aktuelle Situation. Bei den Wohnungen im Baubestand haben die Gutachter im vergangenen Jahr eine Verteuerung von bis zu 15 Prozent verzeichnet. „Das ist eine Rekordsteigerung“, betont Jäger. In der Spitze wurden 2015 mehr als 15 400 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche bezahlt – dabei handelte es sich um eine Wohnung im Hochhaus Cloud No 7. Ein typisches Einfamilienhaus kostet laut Gutachter inzwischen mehr als eine Million. Außerdem liegen rund 50 Prozent der verkauften Wohnungen jenseits von 4000 bis 5000 Euro pro Quadratmeter.

Bodenrichtwerte um teilweise 20 Prozent gestiegen

Zudem haben sich die Bodenrichtwerte teilweise um bis zu 20 Prozent nach oben entwickelt. „An der Schottstraße im Norden wurden 1890 Euro pro Quadratmeter für Wohnbaugrundstücke festgelegt“, sagt Jäger. Nach Einschätzung der Gutachter könnte im laufenden Jahr die Grenze von 2000 Euro durchbrochen werden. Im gewerblichen Bereich liegt die Königstraße, nun mit einem Wert von 22 000 Euro pro Quadratmeter, weiterhin an der Spitze. Zudem ist der Bodenwert für Wohnungsbau im gesamten Innenstadtgebiet im Schnitt erstmals auf über 1000 Euro gestiegen. „Ein Knick in der Preiskurve ist nicht auszumachen“, analysiert der Vorsitzende.

Zu den Gründen sagt Jäger: „Der Vorrang der Innenentwicklung führt auch zu einem Defizit an preiswertem Wohnraum.“ Zwar halte er den Verzicht auf neue Baugebiete auf der grünen Wiese noch immer für richtig, doch seien verdichtete Wohnformen nun unabdingbar, sagt der Gutachter. „Damit meine ich insbesondere Hochhäuser“, erklärt Jäger weiter. Dabei seien ausreichender Abstand zwischen den Gebäuden, Rücksicht auf das Stadtklima sowie städtebauliche Qualität natürlich wichtig.

Auf die Frage nach möglichen Standorten, der von ihm ins Spiel gebrachten Hochhäusern, sagt der städtische Immobilienexperte: Er denke dabei an das Rosensteinareal oder an den ehemaligen IBM-Campus. „Wenn wir an der Innenentwicklung festhalten, müssen wir höher bauen“, urteilt Jäger und fügt an: „Dafür bedarf es einer politischen Entscheidung.“

Der politische Wille steht neuen Hochhäusern derzeit noch entgegen

Denn genau wie bei zusätzlichen Wohnbaugebieten steht der politische Wille in Stuttgart neuen Hochhäusern derzeit entgegen. Auf Anfrage erklärt die Pressestelle der Stadt: Der Bau von Hochhäusern sei unter anderem aufgrund der Topografie nur an wenigen Standorten möglich. Dazu sei bei der Neuaufstellung des Flächennutzungsplans im Jahr 2000 grundlegend die Situation untersucht worden. Dabei handelt es sich um das sogenannte Hochhausgutachten des Münchener Planungsbüros Steidle. „Die ausgewählten Standorte wurden danach im Rahmen von Bebauungsplänen vom Gemeinderat beschlossen, denn das vorhandene Bau- und Planungsrecht ist maßgeblich für die Genehmigung von Hochhäusern“, sagt ein Sprecher der Landeshauptstadt.

Zurzeit sind in der Innenstadt noch ein Hochhaus im Europaviertel zwischen Stadtbibliothek und Heilbronner Straße sowie weitere Hochhäuser auf dem Pragsattel möglich. Letztere würden jedoch aus städtebaulichen Gesichtspunkten nicht aktiv vorangetrieben, heißt es vonseiten der Stadt weiter. Dessen ungeachtet fordert Jäger: „Jetzt sollte über neue Standorte für Hochhäuser nachgedacht werden.“

Mit Blick auf die derzeit laufende Diskussion zur Zukunft der Gleisflächen sagt der städtische Immobilienexperte zudem: „Die Bürgerbeteiligung verläuft enttäuschend.“ Weniger als 100 Teilnehmer seien bei einem derartigen Projekt sehr wenig. Auch im Städtebauausschuss am Dienstag wurde die Teilnehmerzahl bei der jüngsten Veranstaltung zum Rosensteinquartier als deutlich zu gering kritisiert.