Dackeldame Branka und Sky werden im Wartezimmer zur Schicksalsgemeinschaft. Frauchen Laris Vranic aus Leonberg (links) und Sonja Wägerle aus Murr tauschen derweil Erfahrungen aus. Foto: Werner Kuhnle

Kranker Hund? Gebrechliche Katze? Im Wartezimmer von Tierarzt Ole Heinzelmann treffen viele haarige Patienten aufeinander.

Josua macht einen fröhlichen Eindruck. Der Retriever wedelt mit dem Schwanz und begrüßt sogar den Tierarzt freudig. Aber so weit ist es mit dem Wohlergehen nicht. Der Hund mit dem goldbraunen Fell geht nur auf drei Beinen. „Er hat etwas in der Pfote stecken“, sagt Besitzerin Stephanie Posmik aus Obersulm. Umgehend entscheidet Tierarzt Ole Heinzelmann, den Vierbeiner mit einer kleinen Narkose zu beruhigen, denn die Pfote tut sehr weh. Heinzelmann kniet sich neben Josua hin und spritzt ein Narkosemittel. Josua macht das gar nichts aus – der Mann in Jeans und blauem Pullover hat nichts Bedrohliches an sich. „Weiß ist eine Stressfarbe“, sagt Heinzelmann – deshalb hüllt der 62-Jährige sich nicht in eine „weiße Fahne“.

Pferde liegen dem Mediziner besonders am Herzen

Seit Oktober 1994 führt der gebürtige Schwarzwälder aus dem Kreis Rottweil die Praxis in Rielingshausen. Und eigentlich waren es Pferde, deren Gesundheit Ole Heinzelmann in den Fokus rückte. Doch vor etwa einem Jahr hat er seine Pferdepraxis geschlossen und konzentriert sich auf Kleintiere. Lediglich die Spezialgebiete Akupunktur, Chiropraktik, Homöopathie, Bioresonanz und Physiotherapie bietet seine Praxis weiterhin für Pferde an. Heinzelmann spricht von einer „schweren Entscheidung“, zumal ihm Pferde ganz besonders am Herzen liegen. Hauptgrund für die Aufgabe der Pferdepraxis sei der fehlende Nachfolger und so die fehlende Motivation gewesen, weiterzumachen.

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Schnell spürt Josua die Wirkung der Spritze. Der Toller-Rüde, so wird die Retrieverrasse auch genannt, legt sich ruhig ab. Heinzelmann und Frauchen Stephanie Posmik lupfen den Hund gemeinsam auf den Behandlungstisch und legen ihn auf die Seite. Josua schläft mit offenen Augen. Nach einigen Minuten ist der Übeltäter überführt: Frauchen bekommt den Stachel in einem Röhrchen überreicht. Sie ist erleichtert.

Mancher kommt zur Vorsorge, andere mit akuten Problemen

Während Josua unterm Messer lag, hat sich das Wartezimmer gefüllt. Mareike Haag aus Steinheim führt ihren Labrador aus dem benachbarten Behandlungszimmer. Dort hat der Vierbeiner eine Impfung bekommen und am Tresen händigt die Sprechstundenhilfe eine Wurmkur zur Vorsorge aus. Weniger gut geht es dagegen dem Rottweiler, der jetzt von Frauchen Eva Kummer aus Erdmannhausen in den Behandlungsraum geführt wird. Die Erdmannhäuserin ist besorgt. Zwei Tage hat ihr Liebling weder gefressen noch getrunken, stattdessen gespuckt: „Vielleicht hat Mex etwas Schlechtes gefressen.“ Jedenfalls ist der 50-Kilo-Hund sehr schlapp und braucht Hilfe. Tierärztin Christine Rothe ordnet eine Infusion an. Eva Kummer nimmt auf einer Bank vor der Praxis Platz – der kranke Kerl liegt ihr zu Füßen.

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Die zwei sehen an diesem Morgen viele Patienten kommen und gehen. Zum Beispiel Labradoodle Sky. Den 14 Monate alten Rüden hat sein Frauchen Sonja Wägerle aus Murr heute zum Impfen nach Rielingshausen gebracht. Die betagte Dackeldame Branka wartet ganz in seiner Nähe. Sie hat Herzprobleme und heute muss auch ihre Lunge untersucht werden. Laris Vranic ist zuletzt vor zwei Monaten mit Branka vorstellig geworden und hofft nun, dass sich die Werte ihres Lieblings nicht verschlechtert haben. Bei Heinzelmann fühlt sie sich aber auch in dieser schwierigen Lage gut aufgehoben.

Zur Belohnung gibt es auch mal eine Maultasche

Ganz freundlich ist Sky mit der betagten Branka. Sie beschnüffeln sich und liegen friedlich nebeneinander – die beiden Frauen tauschen sich ebenfalls aus. Lediglich einen Boxer, der gerade zum Tresen geführt wird, bellt der Labradoodle an. „Das war wahrscheinlich Gepöbel – schließlich ist Sky in der Pubertät“, kommentiert Tierärztin Christine Rothe wenig später, als sie den Rüden untersucht. Oder es war Unsicherheit. Spielt aber jetzt auch keine Rolle, denn nun soll der Rüde geimpft und zuvor gründlich untersucht werden. „Ich kontrolliere die Vitalwerte“, sagt die Ärztin. Dann bekommt der brave Sky die Spritze und gleich darauf eine Maultasche – seine Lieblingsbelohnung.

Es ist nun später Vormittag und das Wartezimmer ist voll. Auch auf dem Hof stehen die Patienten Schlange. Zum Beispiel Familie Ellwanger mit Collie Nischa aus Weinstadt. Das Ehepaar ist zum ersten Mal bei Ole Heinzelmann. Es könnte sein, dass ihr Junghund ein orthopädisches Problem hat. Die Hinterläufe stehen etwas schräg. Eine Untersuchung soll Klarheit bringen. Ole Heinzelmann hat viele Fragen – er möchte den Hund kennenlernen und die passenden Globuli aussuchen. Kann sie alleine bleiben? Bewacht sie das Haus? Wie ist sie im Umgang mit anderen Hunden? Trinkt sie viel? Arbeitet sie gerne? Was bekommt sie zu fressen?

Eine Goldakupunktur kann bei Gelenkproblemen helfen

In vielen Fällen von Gelenkproblemen kann Ole Heinzelmann auch mit seiner Goldakupunktur helfen. Dabei werden speziell angefertigte Goldstücke um das Schmerzzentrum implantiert, besonders bei Hunden, Katzen und Pferden. Rund drei mal in der Woche nimmt er so einen Eingriff vor. Heinzelmann hält tatsächlich so viel von der Methode, dass er selbst auch Goldstücke im Knie hat – von einem Kollegen eingesetzt.

Im Wartezimmer haben sich zwischen all den Hundepatienten mittlerweile auch zwei Katzen eingefunden. Beide gehören zu Anett Wiebeck aus Kirchberg und müssen heute lediglich eine Impfung über sich ergehen lassen. Der erfahrene Kater ahnt schon etwas und schlüpft in seiner Transportbox tief unter eine Decke während der Jungspund spielt. Frauchen ist entspannt.

Stephanie Posmik mittlerweile auch. Sie steht am Tresen und nimmt die Rechnung für die Behandlung von Josua entgegen. Josua geht es wieder gut. Er ist nach dem Eingriff selbstständig vom Behandlungszimmer zum Auto gelaufen – auf allen vier Pfoten.

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