Will Eltern helfen, die das Turbogymnasium ablehnen: Schmiedel Foto: dpa

Für die Polizeireform vergibt Claus Schmiedel Bestnoten, für die Schulreformen noch nicht. Der SPD-Fraktionschef will vor allem mehr Gymnasien, die das Abitur in neun Jahren anbieten.

- Herr Schmiedel, Grün-Rot vergrätzt alle möglichen Bevölkerungsgruppen. Die Beamten sind unzufrieden, die Jäger, die Polizisten, die Lehrer. Wer soll Sie überhaupt noch wählen?
Ich bin viel im Land unterwegs und treffe auf überwiegend zufriedene Leute. Bei Umfragen haben wir nach wie vor 60 Prozent Zustimmung. Es ist auch ein Riesenunterschied, ob Sie einen Lehrer fragen oder die organisierte Lehrerschaft. Das liegt auch daran, dass immer irgendwo Personalratswahlen stattfinden, dann will man als Verbandsvertreter wahrgenommen werden.
Wie jetzt bei der Polizei?
Ja. Aber natürlich gibt es viele berechtigte Anliegen. Eines ist zum Beispiel, dass bei der Polizei jetzt eine Pensionierungswelle bevorsteht, bei der viele Beamte keine Aussicht mehr haben, befördert zu werden, obwohl sie zum Teil schon Jahrzehnte darauf warten. Da wollen wir gezielt Abhilfe schaffen, indem wir im Haushalt vier Millionen Euro mehr zur Verfügung stellen.
Die Polizeistrukturreform findet bei den Beamten aber wenig Widerhall . . .
Ich habe jetzt elf Polizeipräsidien besucht und dabei die Gewissheit bekommen, dass die Reform wirkt. Die Schlagkraft der Polizei wurde durch die neue Aufstellung erheblich gestärkt. Das betrifft einmal die Kripo mit dem neuen Kriminaldauerdienst, der gewährleistet, das rund um die Uhr Fachleute zur Verfügung stehen, aber auch die ständige Verkehrsunfallaufnahme. Wir haben eine deutlich höhere Professionalität.
Also alles in Butter bei der Polizei?
Man kann sagen, sie hat ihre alte Schlagkraft zurück, in die der Personalabbau der Vorgängerregierung ein Riesenloch gerissen hatte. Das bedeutet allerdings nicht, dass alles ganz leicht geht. Wenn man neue Schwerpunkte bilden muss, etwa wegen der gestiegenen Zahl der Wohnungseinbrüche, kann man nicht aus dem Vollen schöpfen, sondern muss dafür an anderer Stelle kürzertreten. Das heißt für mich, dass es bei der Polizei kein Einsparpotenzial bis 2020 gibt.
Hören Sie Begeisterung bei den Lehrern?
Gegenfrage: Wo sind denn die Beschwerden über Unterrichtsausfall? Wann hat die CDU je ein Lob dafür bekommen, dass die Lehrerzuweisung an Berufsschulen üppig ausfiel?
Lehrer sind auch Beamte, und denen gehen Sie an den Geldbeutel, weil Sie die Tariferhöhungen nicht zeitgleich übernehmen.
Das stimmt. Aber das Statistische Bundesamt hat festgestellt: Nur den bayerischen Landesbeamten geht’s noch ein bisschen besser als unseren. In allen anderen Ländern kommt weniger bei den Beamten an.
Bei der Wirtschaft protestieren nicht nur die Verbände, sondern auch die einzelnen Unternehmen gegen den geplanten Bildungsurlaub für Arbeitnehmer.
Das ist kein Bildungsurlaub, sondern Bildungszeit, und die gibt es in anderen Ländern schon längst. Wenn ich mit Unternehmern rede und sage, da geht es nicht um Sonderurlaub für Tauchkurse, sondern um berufliche und politische Weiterbildung, die zertifiziert ist, sind alle ganz entspannt.
Aber sie argumentieren auch: Wir machen schon so viel, warum müsst ihr das regeln?
Manche machen viel, andere wenig. Faktisch findet viel zu wenig Weiterbildung statt.
Die CDU läutet demnächst mit der Kür ihres Spitzenkandidaten den Wahlkampf ein. Auf welchem Feld erwarten Sie den Hauptangriff – bei der Bildung?
Ich erlebe auf diesem Feld nur Moserei, kein Alternativkonzept. Die CDU redet doch die Zustände im Land herunter, dabei geht’s Baden-Württemberg bestens.
Warum gelingt es Ihnen nicht, eine breite Mehrheit von den Vorzügen der Gemeinschaftsschule zu überzeugen?
Weil dieser Schultyp noch nicht weit genug verbreitet ist. Wir müssen auch nicht sofort alle überzeugen, sondern zunächst einen ausreichenden Anteil von Eltern, die vor der Entscheidung stehen. Da stellen wir fest, dass die Übergangsquoten auf die Gemeinschaftsschule immer besser werden. Und sie soll ja auch nicht komplett alle Schüler übernehmen.
Viele Eltern sind unzufrieden, weil es zu wenige neunjährige Gymnasien gibt. Wie lange halten Sie an dem Kompromiss mit den Grünen noch fest?
Ich persönlich rechne damit, dass wir noch in dieser Wahlperiode den Deckel von 44 Gymnasien lupfen. Im Herbst wird das Thema in Bayern virulent, die CSU wird vermutlich zusammen mit der SPD das neunjährige Gymnasium wieder flächendeckend einführen. Dann ist Baden-Württemberg umzingelt von Ländern, die es anders machen. Unsere Koalition wäre gut beraten, da nicht hinterherzuhinken. Man besinnt sich überall darauf, dass Bildung mehr sein muss, als nur aufs Studium vorzubereiten.
Was fordern Sie konkret?
Dass wir G 9 flächendeckend im Angebot haben. Für diese Wahlperiode reichen uns die gesetzlichen Möglichkeiten einer Versuchsschule – das wären bis zu 120 Schulen.