Kirchen, Institutionen und Initiativen wollen bei der Corona-Krise Helfen. Bislang haben sich kaum Hilfsbedürftige gemeldet.
Stuttgart - Organisieren Sie Nachbarschaftshilfen, unterstützen Sie die Menschen in Ihrem Viertel.“ Mit diesen Worten appellierte Landessozialminister Manfred Lucha am vergangenen Freitag an die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger in der Coronakrise. Besonders älteren Menschen oder Personen mit Vorerkrankungen solle man Unterstützung anbieten, sagte der Sozialminister.
Dem staatlichen Aufruf folgten sogleich Tausende: In den sozialen Medien kursierte eine Flut an Solidaritätsbekundungen, innerhalb weniger Stunden mobilisierten Privatpersonen unter dem Hashtag #NachbarschaftsChallenge ihre Kräfte. Kirchliche Verbände, Vereine, private Initiativen – die Bandbreite ist groß. Zu Beginn der Gemeinschaftsoffensive bieten wir einen Überblick, wo in der Landeshauptstadt Unterstützung benötigt wird und Hilfe nah ist.
Die Landeshauptstadt
Während sich im Netz bereits die ersten Gruppen organisierten, fiel die Antwort des Stuttgarter Rathauses auf den Appell des Ministers am Freitagabend verhalten aus. „Zu der von Minister Lucha erwähnten Nachbarschaftshilfe gibt es bislang noch kein städtisches Konzept“, sagte ein Sprecher. Dafür hält die Landeshauptstadt schon seit längerem ein digitales Serviceangebot für Nachbarschaftshilfen bereit: Informationen über bereits bestehende Initiativen stehen der Allgemeinheit auf der digitalen Bürgerplattform zur Verfügung. Wer in der Adressensuche auf www.stuttgart.de den Suchbegriff „Nachbarschaftshilfe“ eingibt, stößt auf 173 Einträge.
Die Kirchen
In der Koordinierung der Nachbarschaftshilfe sind die Kirchen mit ihren Sozialverbänden gefragte Partner. Bereits am Freitag habe man daher das Ehrenamtsprogramm Caleidoskop für die Nachbarschaftshilfe geöffnet, berichtete Ulrike Holch vom Caritasverband Stuttgart. Normalerweise wird die Plattform nur zur Vermittlung von Freiwilligen an andere Institutionen verwendet. „In dieser speziellen Notsituation ändern wir das aber und vermitteln fortan auch an private Haushalte“, so Holch. Im Laufe des Wochenendes hätten sich bereits rund 100 Stuttgarter bei der Caritas gemeldet. Für die kommenden Tage sei nun noch ein breit angelegter Aufruf geplant, die Suche nach Hilfsbedürftigen müsse ebenfalls an Fahrt aufnehmen, ist Holch überzeugt. Anders als das Netzwerk an Unterstützern sind die oft nur schwer zu finden. „Gerade ältere Menschen sind eben nicht so gut über die sozialen Medien erreichbar“, sagte Ulrike Holch. Bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva) hatten sich bis Montagnachmittag vereinzelt bereitwillige Helfer gemeldet. Die Koordinierung eines Unterstützerkreises läuft bei der eva über den Besuchsdienst Vierte Lebensphase, der in der speziellen Notsituation auch Lebensmittelkäufe für Senioren betreut.
Kleinere Initiativen
Der Aufruf von Sozialminister Manfred Lucha scheint auch im Kleinen Früchte zu tragen: Am Freitag füllte sich das Netz mit privaten Solidaritätsbekundungen und spontanen Helfergruppen. Eine von ihnen wurde von der Stuttgarterin Paula Isbrecht ins Leben gerufen. Seit Freitag koordiniert die 23-Jährige außer ihrem Vollzeitjob in einer Werbeagentur rund 250 Ehrenamtliche. „Meine Freunde und ich versuchen gerade Herr der Lage zu werden, alle Helfer konnten wir noch nicht erfassen“, sagte Isbrecht am Montagmittag. Allein an Hilfsbedürftigen fehlte es auch ihnen: Bislang hatten sich nur zehn Stuttgarter gemeldet, die eine Unterstützung in Anspruch nehmen möchten. Besonders ältere Bürger sollen nun vermehrt über Aushänge und Mund-zu-Mund-Propaganda erreicht werden.
Die Nachbarschaftsvereine
Die spendenfinanzierten Nachbarschaftsvereine sind die ersten Anlaufstellen, für Menschen, die anderen helfen wollen. Etwa 70 Klienten betreut beispielsweise der Stuttgarter Verein „Zuhause leben“. Das Netzwerk fasste bis vor Kurzem rund 70 Personen – doch die Coronakrise löste erstaunliche Quantensprünge aus.
Seit einem Facebook-Aufruf in der vergangenen Woche seien auf einen Schlag zehn Freiwillige hinzugestoßen, sagt Dani Indlekofer, die den Einsatz der Helfer koordiniert. Dass die neuen Kräfte dringend benötigt werden, sei ohnehin mehr als klar: „Die Informationsflut, die seit dem Aufruf des Ministers über uns hereinbricht, ist groß. Wir benötigen jede Unterstützung.“
Kontaktdaten
Caleidoskop Freiwilligenportal der Caritas Stuttgart, das Ehrenamtliche an andere Organisationen und Hilfsbedürftige vermittelt.
Städtischer Service Das Portal der Stadt listet eine Vielzahl an Nachbarschaftshilfen.
Zuhause leben e.V. Der private Verein freut sich über Mithelfer, Hilfsbedürftige und Spenden.
Nachbarschaftshilfe Stuttgart Die private Aktion von Paula Isbrecht findet sich auf Facebook unter dem Namen „Nachschaftshilfe Stuttgart“.
Auf der Webseite des Sozialministeriums finden sich zahlreiche Tipps und Anregungen zur Nachbarschaftshilfe Einige praktische Tipps zum Anfangen: Aushang im Hausflur machen, auf Nachbarn zugehen, über soziale Medien Kontakte zu hilfsbedürftigen Menschen suchen.