Immer mehr Frauen meiden die CDU. Foto: dpa

Mit Kinderbetreuung und anderen Themen will die CDU wieder Vertrauen gewinnen.

Stuttgart - An den Landtagswahlkampf 2011 erinnert sich Claus Paal nicht gern. Viele Frauen seien den Informationsständen der CDU ausgewichen, erzählt der CDU-Abgeordnete aus dem Wahlkreis Schorndorf, der seit dem vergangenen Jahr im Landtag sitzt. „Das war für mich ein Schock.“

Nicht nur auf der Straße mieden viele Frauen die CDU. Auch bei der Stimmabgabe machten sie häufiger als früher ihr Kreuzchen bei anderen Parteien. Erstmals in der Geschichte Baden-Württembergs favorisierten die Wählerinnen unter 60 Jahren nicht mehr die Schwarzen, sondern die Grünen. Nur in der Gruppe der 25- bis 34-jährigen Frauen lag die CDU 1,9 Prozentpunkte vor der Ökopartei.

„Jahr der Frau“ ausgerufen

Ein Ergebnis, das sich nur zum Teil aus der Atomkatastrophe in Fukushima erklären lasse, sagt CDU-Landeschef Thomas Strobl bei der Vorstellung der CDU_Initiative Frau im Focus in Stuttgart. Dass die CDU bei Frauen „regelrecht out“ sei, hänge „sicher auch teilweise mit den Inhalten zusammen, für die die CDU steht, aber auch damit, wie die CDU öffentlich wahrgenommen wird.“

Um die Frauen zurückzugewinnen, hat die Südwest-CDU das Jahr 2012 kurzerhand zum „Jahr der Frau“ ausgerufen. Sie will sich in den nächsten Monaten mit dem befassen, was Frauen interessiert. Diese Themen sollten aber nicht „in irgendeinem Hinterzimmer verhandelt und vorgegeben werden“, sagte Strobl. Vielmehr sollen im Mai die Parteimitglieder „ausschwärmen“, um auf Straßen und Marktplätzen das Gespräch mit Frauen zu suchen. „Wir wollen mal ganz sensibel erspüren, was Frauen eigentlich umtreibt“, so der 52-jährige Bundestagsabgeordnete.

Neben der Straßenumfrage soll es auch eine wissenschaftliche Untersuchung geben. Unter der Leitung des Politikwissenschaftler Oscar Gabriel von der Universität Stuttgart sollen 1000 Personen telefonisch nach ihren Wünschen befragt werden, die Ergebnisse sollen im September vorliegen. Weitere Informationen will die CDU über einen Online-Fragebogen erhalten, den Interessierte demnächst auf der Internetseite der Landespartei finden.

Auch Männer werden befragt

„Wir wollen signalisieren: Frauen sind uns wichtig“, sagte die Karlsruher Landtagsabgeordnete Katrin Schütz, die zusammen mit Paal das Projekt Frauen im Focus vorantreibt. Dabei solle es nicht nur um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehen, sagte sie. „Wir wollen auch die Meinung der baden-württembergischen Frauen zu Themen wie der Energie- und Umweltpolitik und der Finanzpolitik herausfinden“. Auch Männer werden befragt.

Strobl räumte ein, dass die CDU bei der Kinderbetreuung zu wenig getan habe, als sie noch in Regierungsverantwortung war. Nötig seien aber nicht nur mehr Plätze für Kleinkinder, damit Mütter Wahlfreiheit hätten. Viele könnten nur halbtags arbeiten, weil es nur an 300 von 2500Grundschulen Ganztagsbetreuung gebe. Er bot der grün-roten Landesregierung an, gemeinsam darüber zu beraten, wie der Ausbau beschleunigt werden könne – aber ohne neue Schulden.

Chancen für Frauen kaum verbessert

Auch das Thema Führungspositionen spielt in den parteiinternen Diskussionen eine Rolle. Während für viele in der Frauen-Union auch das Thema Quote kein Tabu mehr ist, bleibt Schütz skeptisch. Als ehemalige Geschäftsführerin in einem mittelständischen Unternehmen halte sie nichts davon. Das gelte auch für Quoten in der Politik.

Mit diesem Kurs ist die Partei allerdings schlecht gefahren. Trotz eines Frauenförderplans haben sich die Chancen für Frauen in der baden-württembergischen CDU in den vergangenen 20 Jahren kaum verbessert. Der Frauenanteil ist seitdem um einen Prozentpunkt auf 22 Prozent gesunken, ihr Anteil im Bundestag hat sich halbiert. 1993 waren sieben der 39 CDU-Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg weiblich, heute noch drei von 37 Abgeordneten.

Auch im Landtag sieht es nicht viel besser aus. Von den 60 CDU-Abgeordneten, die 2011 gewählt wurden, sind acht Frauen. Auf der kommunalen Ebene, wo über Kinderbetreuung und andere familienpolitischen Fragen entschieden wird, haben ebenfalls überwiegend Männer das Sagen. Doch Strobl ist sich sicher: Wenn wieder mehr Frauen in die CDU kommen, wird sich das ändern. Vielleicht auch ohne Quote.