Kann man verhindern, dass der Partner fremdgeht? Und wenn ja, wie? Israelische Forscher haben dies untersucht. Foto: Adobe Stock/Lasse Designen

Ein Team aus israelischen und amerikanischen Psychologen hat in einer Studie untersucht, was Menschen davon abhalten kann, einen Seitensprung zu begehen und was Empathie damit zu tun hat.

Ein Seitensprung bedeutet für viele Menschen einen immensen Vertrauensbruch in einer Beziehung. Oft ist das Fremdgehen eines Partners gleichzeitig auch das Ende einer Beziehung. Laut aktuellen Studien sind rund 40 Prozent der Deutschen mindestens einmal in ihrem Leben fremdgegangen.

 

Aber warum gehen Menschen fremd? Die beiden Münchner Soziologinnen Christiane Botoyan und Claudia Schmierenberg haben im Jahr 2020 in dem Beziehungspanel „PariFam“ nach Ursachen geforscht und kamen in der ersten deutschen Längsschnittstudie zu Untreue zu dem Schluss: Nicht Unzufriedenheit verleitet zum Fremdgehen, sondern das Risiko ist größer, wenn die eigene Partnerschaft bereits in ernsten Schwierigkeiten stecke und eine Trennung bereits im Raum steht. „Zukunftsgewissheit trägt über Phasen der Unzufriedenheit hinweg, Endzeitstimmung lässt das Begehren frei“, schreiben Botoyan und Schmierenberg in ihrer Untersuchung „Zufriedenheit in der Partnerschaft und Untreue: ein Zusammenhang, zwei Richtungen“.

Die bisherige Forschung hat sich also bisher vornehmlich damit beschäftigt, welche individuellen und Beziehungsmerkmale dafür verantwortlich sind, warum Menschen in Beziehungen anfälliger für sind, aber weniger Strategien untersucht, die die Wahrscheinlichkeit des Betrügens verringern, heißt es von einem Forscher-Team der Reichman-Universität in Tel Aviv und der Universität Rochester in New York. „Menschen lassen sich auf eine monogame Beziehung ein, mit der Absicht, sexuell treu zu sein – aber scheitern oft genau daran“, heißt es in einer Erklärung des Teams zu ihrer neuen Studie „Put Me in Your Shoes: Does Perspective-Taking Inoculate Against the Appeal of Alternative Partners?“. Für viele sei es gar nicht so relevant, warum jemand betrüge, sondern eher die Frage: Wie verhindere ich, dass mein Partner fremdgeht?

Sich in den anderen hineinversetzen kann von einem Seitensprung abhalten

Das Psychologen-Team ist in der Untersuchung von der Idee ausgegangen, dass es allgemein positive Auswirkungen hat, wenn Menschen sich in die Lage eines anderen hineinversetzen und versuchen, ihn zu verstehen. Aber kann dies auch in Liebesbeziehungen die Versuchung verringern, fremdzugehen? In drei randomisierten Doppelblindversuchen kommen die Forscherinnen und Forscher zu dem Ergebnis, dass dies tatsächlich funktionieren kann. Mehr noch: Die Übernahme der Perspektive des Partners verringert nicht nur die Versuchung des Fremdgehens, sondern schützt auch vor anderen partnerschaftszerstörenden Verhaltensweisen, heißt es in der Studie, die im „Journal of Sex Research“ veröffentlicht wurde.

Laut der Hauptautorin der Studie Gurit Birnbaum, Professorin für Psychologie an Reichmans Ivcher School of Psychology, gehen oft auch Menschen fremd, die mit ihrer Beziehung eigentlich zufrieden sind. Sie verweist auf Bindungsstörungen: So könnten zum Beispiel sogenannte vermeidende Typen, die an Angst vor echter Nähe leiden, durch Betrügen die Distanz wahren oder die Kontrolle in ihrer Beziehung behalten.

Menschen mit starker Angst vor Nähe und Abhängigkeit brauchen immer noch eine Art Back-up zu ihrem eigentlichen Partner, sonst fühlen sie sich abhängig und bedroht. Darüber hinaus gelten auch Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung als wenig treu. Sie sind sogar häufig notorische Fremdgeher.

Birnbaums Mitautor Harry Reis, Dekan der Fakultät für Kunst, Wissenschaft und Technik an der Universität Rochester, ist ebenfalls der Auffassung, dass es mehrere Gründe für Fremdgehen gibt. Interessant sei, dass es Studien gebe, die Geschlechterunterschiede feststellten. So neigen laut Reis Männer eher zum Fremdgehen, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre sexuellen Bedürfnisse nicht erfüllt werden, Frauen hingegen gehen fremd, wenn ihre emotionalen Bedürfnisse nicht erfüllt werden.

Untreue erfolgt zwar manchmal spontan – aber keineswegs unüberlegt

Birnbaum, die seit Jahren dazu forscht, welche Rolle Sexualität in unseren Beziehungen spielt, geht davon aus, dass die meisten Menschen Seitensprünge nicht direkt planen. „Vielmehr bot sich die Gelegenheit, und sie waren zu ausgelaugt, zu müde, zu betrunken, zu abgelenkt – um der Versuchung zu widerstehen.“

In der Regel rutschen wir trotzdem nicht einfach in irgendwelche Situationen hinein. Das betonen auch Botoyan und Schmierenberg: „Obwohl Fremdgehen ein hochemotionales Thema ist und in vielen Fällen Emotionen und Vernunft sich gegenseitig ausschließen, kann man davon ausgehen, dass zumindest die Entscheidung, tatsächlich einen Akt der Untreue zu begehen, nicht unüberlegt erfolgt.“ Den Tätern und Täterinnen sei durchaus bewusst, was sie aufs Spiel setzen, sollte der Betrug auffliegen. So seien zwar unsere Emotionen nicht unserem Willen unterworfen, unsere Handlungen aber durchaus.

Daher kann jemand sehr wohl steuern, ob er dann tatsächlich fremdgeht oder nicht. Die israelischen und amerikanischen Forscher kamen letztlich zu dem Schluss, dass tatsächlich Einfühlungsvermögen und Empathie gegenüber dem Partner Menschen in brenzligen Situationen dann doch noch von einem Betrug abhalten können.

Eine Möglichkeit, sich in Empathie zu üben, sei der Versuch, die Perspektive einer anderen Person einzunehmen, so die Forscher. In drei Studien haben sie insgesamt 408 Teilnehmer, 213 israelische Frauen und 195 israelische Männer im Alter von 20 bis 47 Jahren, nach dem Zufallsprinzip angewiesen, entweder die Perspektive ihres Partners einzunehmen oder nicht. Die Teilnehmer befanden sich durchweg in monogamen, gemischtgeschlechtlichen Beziehungen von mindestens vier Monaten Dauer.

Wer sich überlegt, wie verletzt der Partner sein könnte, schreckt eher zurück

Im Rahmen der Experimente bewerteten die Teilnehmer attraktive Fremde, begegneten ihnen oder dachten an sie, während die Psychologen ihre Interessenbekundungen an diesen Fremden sowie ihr Engagement für und ihr Verlangen nach ihren derzeitigen Partnern aufzeichneten. Die Psychologen fanden heraus, dass die Übernahme der Perspektive des Partners die Bindung und das Verlangen nach dem Partner erhöht hatte, während gleichzeitig das sexuelle und romantische Interesse an anderen potenziellen Partnern eher abnahm.

Wer sich also mehr damit auseinandersetzt, wie verletzend ein Betrug für den eigenen Partner sein könnte, der schreckt eher doch davor zurück. „Die Perspektivenübernahme mindert an sich den Wunsch, fremdzugehen“, sagt Harry Reis. Letztlich bedeute Fremdgehen, „dass man seine eigenen Ziele über das Wohl des Partners und der Beziehung stellt, und wenn man die Dinge aus der Perspektive der anderen Person betrachtet, erhält man einen ausgewogeneren Blick auf diese Situationen“.

Wer betrogen wurde, den stört häufig weniger, dass der Partner vielleicht mit einer anderen Person Sex hatte, sondern dass der gemeinsame Treueschwur gebrochen wurde – der Verrat trifft uns oft sehr viel tiefer. Laut der Psychologin Birnbaum können die Ergebnisse der Studie den Menschen dabei helfen, zu verstehen, wie sie kurzfristigen Versuchungen widerstehen können und so den Partner überhaupt gar nicht erst verletzen. „Aktives Nachdenken darüber, wie Liebespartner von diesen Situationen betroffen sein könnten, dient als Strategie, die Menschen dazu ermutigt, ihre Reaktionen auf attraktive alternative Partner zu kontrollieren und ihre Attraktivität zu vermindern.“

Zudem habe es einen weiteren Effekt: Neben der Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Untreue motiviert die Perspektivübernahme des Partners Menschen dazu, Mitgefühl für die Gefühle ihrer Partner zu haben. „Das ist eine der Fähigkeiten, die den Menschen helfen können, das ‚Wir‘ in einer Beziehung zu sehen – und nicht nur das ‚Ich und Du‘“, sagt Reis.

Forschung zu Sexualität und Fremdgehen

Forschung
Die gesamte Studie findet sich unter https://www.researchgate.net/publication/365969013_Put_Me_in_Your_Shoes_Does_Perspective-Taking_Inoculate_Against_the_Appeal_of_Alternative_Partners.

Person
Die Professorin Gurit Birnbaum untersucht seit Jahren, warum Sex für Menschen ein Problem darstellen kann, wie Sex in etwas Größeres als das Alltägliche verwandelt werden könnte und warum Menschen Sex oft so wahnsinnig kompliziert machen. (nay)