München rüstet sich für die Sicherheitskonferenz am Wochenende. Foto: dpa

Grünenpolitiker Omid Nouripour über die Forderung von Bundespräsident Gaucks Forderung nach mehr Verantwortung Deutschlands in der Welt – und was daraus wurde.

Herr Nouripour, 2014 hat Bundespräsident Joachim Gauck auf der Münchener Sicherheitskonferenz mehr Verantwortung Deutschlands in der Welt gefordert. Konnte diese Forderung eingelöst werden?
Mitnichten. Ich habe schon damals die Rede in erster Linie nicht militärisch verstanden, sondern so, dass Deutschland vor allem mehr in der Konfliktvermeidung tun muss. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat mal einen richtigen Satz gesagt: Deutschland ist zu groß, um an der Seitenlinie zu stehen. Dann gab es aber leider Fälle, in denen Deutschland tatsächlich nicht an der Seitenlinie stand – sondern fluchtartig aus dem Stadion gerannt ist.
Zum Beispiel?
Im Irak. Eine Woche vor dem Marsch der ISIS-Barbaren nach Mossul war ich selber in Bagdad. Die zentrale Frage dort: Wo seid ihr Deutschen? Wir brauchen euch gerade. Gerade deshalb, weil ihr beim Irakkrieg 2003 nicht dabei ward, habt ihr eine andere Glaubwürdigkeit, hier darauf einzuwirken, dass die Sunniten mehr integriert statt diskriminiert werden. Da hatte ISIS schon ein Fünftel des Territoriums des Landes unter Kontrolle. Als ich zurück kam und hier mit verschiedenen Verantwortlichen geredet habe, haben die nur mit den Schultern gezuckt und gesagt: Irak, das ist amerikanisches Geschäft, was geht uns das an?
Ein anderes Thema ist die Ukraine.
Das stimmt. Ich bin sehr dankbar und froh, dass sich der Außenminister und die Kanzlerin so engagieren, um den Konflikt politisch zu lösen. Das ist gut und man kann auch nicht jeden Misserfolg ihnen anlasten. Aber unter dem Strich ist es so, dass in der Welt Konflikte noch und nöcher entstehen – und sie fallen nicht vom Himmel.
Wie meinen Sie das?
Da ist doch die Frage: Wo ist Deutschland vorher? Wo zeigt man Initiative? Die deutsche Außenpolitik rennt den Ereignissen die ganze Zeit hinterher. Statt eine Institution aufzubauen für zivile Krisenprävention, statt dass man darüber nachdenkt, wie man Diplomatie mit der Entwicklungszusammenarbeit verzahnt. Deshalb finde ich im Ganzen betrachtet nicht, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernommen hat.
Sollte Deutschland seine Bemühungen wieder intensivieren, einen ständigen Sitz im Uno-Sicherheitsrat zu bekommen?
Davon war ich nie überzeugt, auch nicht als der grüne Außenminister Joschka Fischer diesen Ansatz verfolgt hat. Viel sinnvoller wäre doch ein europäischer Sitz. Aber das ist ja das Problem, sowohl in der Außen- als auch in der Verteidigungspolitik. Alle sehen, dass die Europäer alleine zu klein sind, oder nicht mehr genug Geld haben, um 28 Armeen zu unterhalten. Aber wir kommen bei der Frage der Vertiefung der Zusammenarbeit nicht voran, weil immer die nationalen Egoismen im Weg stehen – und da ist Berlin leider vorne mit dabei, wenn es darum geht, mehr Kooperation zu verhindern.
Hat die Ukraine-Krise die EU nicht zumindest etwas zusammengeführt in diesen Fragen?
Punktuell schon. Aber dass daraus jetzt etwas erwachsen würde, kann ich derzeit leider nicht erkennen. Was fatal ist. Wenn nicht einmal jetzt begriffen wird, dass wir eine größere Vertiefung und mehr Vereinheitlichung brauchen in der EU, wann dann? Wir haben schließlich immer noch eine Finanzkrise, die noch lange nicht vorbei ist. Und die militärische Auseinandersetzung mit dem Krieg, den Russland in der Ukraine führt. Vor dem Hintergrund dieser Doppelkrise muss doch endlich jeder in Europa begreifen, dass wir mehr Zusammenarbeit und stärkere Institutionen brauchen aber auch dafür hat die Bundesregierung nicht viel getan.
Was für eine Rolle spielt die Münchner Sicherheitskonferenz?
Sie ist eine gute Plattform, um Nuancen zu hören. Aber vor allem eine noch bessere, um am Rande Gespräche zu führen. Wenn man sich zum Beispiel anschaut, dass mit dem Iran in München Atomgespräche geführt werden, dann sieht man, welche Dimensionen diese Konferenz hat. Schön wäre es, wenn noch mehr gesellschaftliche Stimmen zu Wort kommen würden. Aber Wolfgang Ischinger hat die Konferenz in den letzten Jahren schon sehr geöffnet. Der Chef von Human Rights Watch hat schon dort gesprochen, Greenpeace und viele andere Organisationen, die früher nicht mal reindurften, hat Ischinger zugelassen. Das ist ein Riesenschritt nach vorne.