Studienobjekt Leonhardsviertel: Studenten untersuchen, wie sich Prostitution auf Architektur auswirkt.

Stuttgart - Sie müssen in den Puff. Um Erfahrung zu sammeln. Allerdings interessieren sich die vier Studenten nicht für die Damen, sondern für die Gebäude selbst. Das Quartett von der Kunstakademie will wissen, wie sich das Geschäft mit dem Sex auf die Architektur auswirkt. Ihr Studienobjekt ist das Leonhardsviertel.

 

Sie sitzen im Schaufenster. Wie sich das im Rotlichtviertel gehört. Zu kaufen sind ihre Dienste indes nicht. Die Architekturstudenten Winston Hampel, Alexander Merkel, Georg Brennecke und der Grafikstudent Fabian Stuhlinger lernen nicht an der Kunstakademie am Killesberg, sondern schürfen am Grund des Kessels. "Rotlicht - ein urbanes Phänomen" heißt ihre Semesterarbeit, für die sie ins Haus am Eck Leonhardstraße/Jakobstraße gezogen sind. Dort hat ihnen Besitzer Thomas Barth die Galerie im Erdgeschoss als Büro angeboten.

Nichts getan im Sperrgebiet

Drinnen und draußen wird gearbeitet. Vor der Tür sitzt die Prostituierte Jeanny auf ihrem Klappsitz, hinter den großen Fenstern sortieren die Studenten ihr Material. Auf Tapeziertischen stehen vier Laptops, die Wände sind übersät mit Papier. "Unsere Recherchewände", sagt Alexander Merkel. Was etwa "Koberfenster", "Laufhaus", "Stundenhotel" bedeutet, haben sie in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia gesucht, gefunden, ausgedruckt und aufgehängt. Eine fremde Welt. Auch für ihr Fachgebiet. "Mit diesem Thema hat sich die Architektur noch nicht beschäftigt", sagt Brennecke, "das hat uns gereizt, aber wir mussten uns diesem Milieu erst nähern." Nicht nur auf Papier. "Als wir das erste Mal in ein Bordell gegangen sind", erzählt er, "sind wir uns vorgekommen wie ein Schüler, der am Kiosk einen ,Playboy' kauft."

Mittlerweile kennen sie sich aus. Und sind bekannt. "Wir werden gegrüßt", sagt Hampel, "es war einfacher, als wir dachten, einen Zugang zu bekommen." Egal, wo man gefragt habe, ob bei der Polizei, bei Ämtern, Politikern, oder Bordellbesitzern, "alle haben mit uns geredet". Offenbar waren alle einmal froh, ihr Herz ausschütten zu dürfen. Während Architekten, Denkmalschützer und Demonstranten in plötzlicher Liebe für den Hauptbahnhof entflammt sind, kümmert sich keiner um die letzten Reste der Altstadt. Etwa jenes Haus, das 1769 für den Schlosser Carl Friedrich Wölfle errichtet wurde. "Hier verfällt ein Viertel, ein Stück Stadtgeschichte", sagt Barth, "und alle schauen weg." Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, es könnte was hängen bleiben.