Michael Gschwendtners Lieblingswerk ist aus Bienenwachs gegossen. Foto: Leonie Schüler

Künstler stellen ihre Werke vor, von denen sie sich nur schwer trennen würden. Heute: Michael Gschwendtner.

Weilimdorf - Würfel“ ist der Titel von Michael Gschwendtners Kunstwerk, und tatsächlich ist die kreuzförmige Skulptur ein auseinander geklappter Quader. Doch der Titel hat eine noch weitreichendere Ebene, denn auch im Inneren sind unzählige Mini-Würfel, die sich stapeln und wie kleine Treppenstufen aussehen. Die 1,20 Meter mal 90 Zentimeter große Skulptur bildet nur den Ausschnitt einer 25-teiligen Serie und kann dennoch als in sich geschlossenes Kunstwerk gesehen werden. Sie hängt in Gschwendtners Haus am Esstisch – und wird dort auch bleiben. „Das Original würde ich nicht verkaufen, aber ich könnte mir vorstellen, es für einen Kunden nachzubauen“, sagt der Gestalter, und fügt schmunzelnd hinzu: „Aber das erste wird immer mir gehören.“

Michael Gschwendtner lebt von seiner Kreativität. Bei Auftragsarbeiten entwirft der studierte Bildhauer und gelernte Steinbildhauer Messeobjekte oder Ausstellungsplastiken, gestaltet Produktpralinen oder vergoldet auch mal eine zwei Meter hohe Styroportaube, wenn gewünscht. An diesen Aufträgen für Versicherungs- oder Automobilfirmen reizt ihn die Zusammenarbeit mit ganz unterschiedlichen Gewerken. „Was mir aber näher liegt, ist das, was ich nur für mich mache“, sagt der 57-Jährige. Also Kunst ohne Auftrag, bei der sich eine Idee Bahn bricht und nur mit dem eigenen Gefallen abgestimmt werden muss.

Musik wird in Zahlen übersetzt

Die Inspiration zu der aus ungereinigtem Bienenwachs gegossenen Skulptur kam ihm vor rund 20 Jahren, als er sich zum ersten Mal mit dem Buch „Nada Brahma – Die Welt ist Klang“ von Joachim Ernst Berendt beschäftigte. Der Musikredakteur übersetzt musikalische Harmonien in Zahlenformeln. Eine Oktave entspricht demnach dem Verhältnis 1:2, eine Quarte entspricht 3:4. Michael Gschwendtner pickte sich bestimmte Harmonien heraus, in denen die Zahlen drei, vier und fünf vorkommen, und übertrug deren zeitlichen Ablauf auf eine fünf Meter lange Skulptur. Immer dort, wo sich die Zahlen überschneiden, ist ein Würfel entstanden.

„Mich hat interessiert, ob harmonische Proportionen auch eine optische Harmonie ergeben. Ob also etwas, das sich gut anhört, auch gut aussieht.“ Das Ergebnis seines Kunstwerkes habe ihn selbst überrascht, denn die akustisch wohlklingenden Harmonien empfand tatsächlich auch sein Auge als schön. Seine Schlussfolgerung: „In allem, was wir sehen, steckt eine Harmonie drin.“ Nicht jeder Betrachter müsse sein Gedankenkonstrukt verstehen, wenn er das Werk betrachtet, betont Gschwendtner. Wichtiger ist ihm, dass der Betrachter ein Gefühl dafür bekommt, dass es einen Zusammenhang zwischen Musik, Mathematik und Kunst gibt. Den Künstler selbst fasziniert die Erkenntnis, dass es universell gültige Harmonien zu geben scheint. „Wenn ich mir das vor Augen führe, dann habe ich das Gefühl, die Welt ist rund.“