Auch ein Barfußpfad ist Bestandteil der neuen Wanderwege Foto: Bernhard

Aussicht ohne Grenzen, Wald ohne Kultur, Abgrund ohne Limit: Die neuen Hochalbpfade bei Meßstetten bieten alles – außer Langeweile. Für Wanderer ein ideales Terrain.

Messstetten - Weich federt der Waldboden unter den Wanderschuhen. Irgendwo klopft ein Specht, in der Luft sirren Insekten, im Laub rascheln Waldmäuschen. Kreuz und quer liegen umgestürzte Bäume, manche schon moosüberwuchert, andere frisch gesplittert. Dürfen die das? Thorsten Steidle nickt. „Wir sind hier mitten im Bannwald“, weiß der Touristikchef von Meßstetten.

Seit mehr als 90 Jahren darf sich der Wald oberhalb des Meßstettener Ortsteils Thieringen unberührt von Menschenhand entwickeln. Deshalb sieht er so herrlich unaufgeräumt aus, deshalb lebt hier der Uhu und anderes scheues Getier. Deshalb feiert aber auch der Borkenkäfer fröhliche Fichten-Fressorgien in trockenen Sommern wie dem letzten. Natur pur halt, wie im Nationalpark Schwarzwald, den man vom nahen Aussichtspunkt erahnen kann.

Die Rundwege haben eine Länge von zehn bis 14 Kilometer

Vom Thieringer Hörnle reicht der Blick weit ins Land, sogar den rund 100 Kilometer entfernten Stuttgarter Fernsehturm sieht man. Wer statt geradeaus nach unten guckt, staunt noch mehr. Mehr als 100 Meter fällt der Hang an drei Seiten fast senkrecht ab ins Eyachtal. Über Abertausende von Jahren gestaltete das kleine Flüsschen die spektakuläre Schichtstufenlandschaft aus weichem Mergel und hartem Kalkstein. Das Thieringer Hörnle ragt wie der Bug eines Schiffs ins Land und ist mit seiner Höhe von 956 Metern ein würdiger Namenspate für den neuen Hochalbpfad. Seine beiden Geschwister heißen Hossinger Hochalb und Felsquellweg Oberdigisheim, und alle drei sind nagelneu und als Premiumwanderwege zertifiziert.

Einst lebte die ganze Gegend von der Textilindustrie, in jeder Garage stand eine Strickmaschine. Von den einst 20 000 Arbeitsplätzen sind heute nur noch 8000 übrig, und so besann man sich aufs Naheliegende: Landschaft und Natur, wild und schön, und zunehmend gefragt. Vor allem in gut aufbereiteter Form.

Die neuen Hochalbpfade sind Rundwege und mit 10 bis 14 Kilometer Länge und moderaten Steigungen gut als Tagestouren zu machen. Die lückenlose Ausschilderung ist nahezu verirrungsfrei – von einigen Kreuzungen abgesehen, an denen sich das Logo zwischen zig Fernwanderwegen, Pilgerpfaden und Lokal-Runden versteckt.

Mal eine Burg, eine Höhle oder eine Quelle

Die Hochalbpfade bieten allesamt Einkehrmöglichkeiten und kombinieren jeweils verschiedene Sehenswürdigkeiten: Mal eine Burg, eine Höhle oder eine Quelle, wie den Ursprung der Schlichem, den man auf dem Thieringer-Hörnle-Pfad passiert. Fröhlich blubbert ihr klares Wasser direkt aus dem Berg in den ehemaligen Dorfbrunnen, den man eigens hier hoch geschafft hat. Der Weg dorthin führt durch eine Parklandschaft mit großen alten Bäumen, das Naturschutzgebiet Hülenbuchwiesen. Diese Wiesen dienten einst als Brennholzlieferanten und wurden nur einmal jährlich gemäht. Weil das bis heute so ist, gedeihen hier bunte Blumenwiesen mit mehr als 60 Arten, darunter seltene wie Orchideen und Enzian.

Neben Naturschönheiten, Tiefgang und Weitblick gehört zu den Hochalbpfaden auch immer noch eine Überraschung. Auf der Thieringer-Hörnle-Tour heißt diese Barfußpfad. Rund ein Kilometer führt der Pfad durchs Gelände, und es gibt kein Entrinnen. Die superkratzigen Holzschnitzel bohren sich gnadenlos in die verweichlichte Fußsohle, denn mit Überspringen ist bei den Dimensionen nichts.

Welche Wohltat danach der Einstieg ins Bachbett der Schlichem und welche Erleichterung, als man das eisige Wasser gefühlt Stunden später mit bläulichen Füßen wieder verlassen darf. Bergauf durch den Wald tauen die Füße wieder auf, werden von verschiedenen Kieselgrößen massiert und im Schlammbad schließlich ganz geschmeidig. Der graue Glibber freilich ist recht anhänglich und geht selbst beim meditativen Übers-Gras-Laufen nicht ab. Wie geschickt, dass die letzte Station dieses Hochalbpfads ein Waschtrog samt Frischwasser und Wurzelbürste ist.