Die Schulsozialarbeit in Renningen wird um eine halbe Stelle aufgestockt. Wie sich ihre Arbeit entwickelt hat, welche Probleme die Schülerinnen und Schüler bewegen und welche Folgen von Corona weiterhin spürbar sind, erzählen Anna-Sophie Schär und Joachim Widmann.
Ärger zu Hause? Stress mit den Lehrern? Oder einfach nur Lust auf einen Plausch? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schulsozialarbeit in Renningen haben für die Kinder und Jugendlichen immer ein offenes Ohr. Landesweit wird die Zahl an Sozialarbeitern an Schulen als deutlich zu gering eingeschätzt. Die Stadt Renningen will hier gerne weiter vorangehen. Der Gemeinderat hat grünes Licht für die Einrichtung einer zusätzlichen halben Stelle gegeben. Diese wird von den bereits zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgefüllt, die bisher weniger Stunden gearbeitet haben.
Unter den Mitarbeitenden gab es über die vergangenen Jahre eine größere Fluktuation. Susanne Künschner, Vorsitzende im Bereich Jugendhilfe des Vereins Mevesta, bei dem die Mitarbeiter angestellt sind, erklärt sich das so: „Es ist ein sehr arbeitsintensives Feld. Durch den niedrigschwelligen Ansatz sind die persönlichen Kräfte sehr stark gefordert.“ Zum jetzigen Mitarbeiterstamm in Renningen zählen Anna-Sophie Schär und Joachim Widmann, beide sind seit Ende 2022 dabei. Der Dritte im Bunde, Kasem Khraibani, ist im Moment in Elternzeit. Zusammen decken sie alle Einrichtungen ab, die Grundschule in Malmsheim, die Werkrealschule, die Realschule und das Gymnasium.
Jeder Tag ist anders
„Ich komme rein und weiß nicht, was mich erwartet“, beschreibt Anna-Sophie Schär ihren Arbeitsalltag. „Das ist es aber gerade, was ich daran liebe.“ Sie betreut die Grundschule Malmsheim und die Werkrealschule. Zuhören, reden, unterstützen, im Bedarfsfall weitervermitteln, das ist ihr täglich Brot. Doch auch Projekte, zum Beispiel zur Gewaltprävention, gehören dazu. Das Büro der Schulsozialarbeit befindet sich im Neubau des Schulzentrums gegenüber der Mensa, in dem auch die Musikschule untergebracht ist. Die Tür steht allen offen, die sich austauschen möchten.
„Die Älteren kommen schon eher gezielt und mit konkreten Anliegen auf uns zu“, sagt Joachim Widmann. Er ist zuständig für die Realschule und das Gymnasium. „Die Jüngeren kommen eher auch mal so rein und erzählen von ihrem Alltag“, ergänzt Anna-Sophie Schär. „Da geht es gar nicht immer um Probleme.“ Sind Konflikte im Spiel, stehen vor allem Freundschaften und das Elternhaus im Fokus, aber auch Schulthemen.
Homeschooling hinterlässt seine Spuren
Die lange Homeschooling-Phase während Corona hat ihre Spuren hinterlassen. „Die Zahl der psychischen Beeinträchtigungen hat zugenommen, das merkt man“, sagt Anna-Sophie Schär. Dazu gehören Ängste und Depressionen. „Und auch die Sozialkompetenz hat deutlich abgenommen durch die Homeschoolingphase.“ Das betreffe zum Beispiel die Gruppenkompetenz, sich in die Klasse einzufinden. Hier organisiert die Schulsozialarbeit extra Trainings- und Präventionsprojekte. Zudem gebe es mehr Schulverweigerer.
„Wichtig ist, dass die Kinder wissen, dass sie mit allem zu uns kommen können, weil wir Schweigepflicht haben“, so Joachim Widmann. Und die Schüler kommen, so viel steht fest. Das ist aus Sicht von Susanne Künschner vor allem dem Umstand zu verdanken, dass die Schulsozialarbeit sich nach mittlerweile drei Jahrzehnten etabliert habe. „Es gibt nicht mehr dieses Stigma, wenn jemand zu den Schulsozialarbeitern geht.“ Vielmehr sei der Kontakt inzwischen positiv besetzt. „Es ist keine Pflicht, herzukommen, sondern es ist für die Kinder und Jugendlichen ein Mehrwert, dass sich jemand die Zeit für sie und nur für sie nimmt“, so Künschner. „Das Stichwort: Ich ,darf‘ herkommen, das ist ein großer Gewinn.“
Insgesamt sehen sich die Schulsozialarbeiter in Renningen vergleichsweise gut aufgestellt. Vor allem, dass beide Geschlechter vor Ort sind, sehen sie als großen Vorteil. Denn junge Menschen öffnen sich oft leichter, wenn jemand mit demselben Geschlecht gegenübersitzt. Männer sind in dem Beruf aber unterrepräsentiert. Viele Städte seien weit schlechter abgedeckt, und selbst in Renningen hätten weitere Mitarbeiter genug zu tun, daher auch die Stellenaufstockung. Vor allem bei Schulformen, in denen viele Kinder mit Lernstörungen sind, ist der Bedarf laut Susanne Künschner grundsätzlich höher. „Aber das ist eine politische Entscheidung.“
Ende der 90er habe sich das Land Baden-Württemberg aus der Förderung von Schulsozialarbeit komplett zurückgezogen, so Künschner. Das änderte sich erst mit dem Amoklauf von Winnenden 2011. Finanziert werden die Stellen in der Schulsozialarbeit heute gemeinsam von Land, Landkreis und Kommunen. Und finanziell schwächere Kommunen könnten sich eine Aufstockung leider oft nicht leisten.
Der Verein Mevesta war vormals bekannt als Verein für Jugendhilfe. Er wurde umbenannt, da das Tätigkeitsfeld nicht nur Jugendhilfe, sondern ebenso Suchthilfe und politische Bildung umfasst. Der Verein ist unter anderem noch in Herrenberg und Leonberg-Höfingen in der Schulsozialarbeit tätig. In Ditzingen ist es beispielsweise die Caritas. In anderen Kommunen, wie Gerlingen, Hemmingen und Korntal-Münchingen, sind die Schulsozialarbeiter direkt bei der Verwaltung angestellt.