In den 70ern Hippie, jetzt Boomer. Wenn das gesellschaftliche Miteinander doch nur so einfach wäre. Foto: /Alessandro Biascioli

Generation X, Generation Y, Generation Z ("Gen Z"), Boomer und jetzt auch noch die „Generation Alpha“. Sozialforscher Martin Schröder sagt: Das ständige Gerede von Generationen und ihren vermeintlichen Merkmalen sei nicht viel mehr als Augenwischerei.

Martin Schröder hat eine Vorliebe dafür, gängige, im öffentlichen Meinungsstreit verankerte Stereotype infrage zu stellen. Mit mehreren Büchern hat der in Saarbrücken lehrende Professor der Soziologie in den vergangenen Jahren für Aufmerksamkeit, teils auch für Aufregung und Verärgerung gesorgt.

„Wann sind wir wirklich zufrieden?“ hat manche konventionelle Vorstellung zu den Gründen von Lebensglück gegen den Strich gebürstet. „Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden“ dürfte den Schwarzmalern unter den Gesellschaftskritikern sauer aufgestoßen sein. Und mit dem Buch „Wann sind Frauen wirklich zufrieden?“, worin Martin Schröder darlegt, dass Frauen heute nicht weniger zufrieden sind als Männer, hat der Soziologe scharfe Attacken von Feministinnen auf sich gezogen.

Generation X, Y, Z - Was ist das?

Nun hat sich der empirische Sozialforscher die Generationenforschung vorgenommen, oder besser: das in Medien verbreitete Bild der Babyboomer, der Generationen X, Y, Z und – seit Neuestem – der Generation Alpha. Wobei Martin Schröder gar nicht detailliert auf angebliche Merkmale und Werte eingeht, die den jeweiligen Generationen zugeschrieben werden.

Also etwa darauf, dass die heute meistdiskutierte Generation Z Fleiß und Erfolg im Beruf eher gering, Work-Life-Balance aber besonders hoch schätzt. Ganz anders als die Boomer, die, so wird der Eindruck erweckt, schon immer nur die Arbeit im Kopf hatten. Der Saarbrücker Soziologe geht grundsätzlicher vor.

Aussprache Gen Z - Wie spricht man das aus?

Als Grundlage für seine Studie dienen ihm die sehr umfangreichen Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP). Die repräsentative, im jährlichen Rhythmus stattfindende Wiederholungsbefragung von Privathaushalten mit knapp 85 000 Teilnehmern läuft seit 1984.

Wer ist die "Gen Z" oder "Generation Z"?

Das Ergebnis ist für alle, die an den Generationen-Effekt glauben, ernüchternd. „Empirisch gibt es keine Generationen. Sie sind ein Mythos, kein messbarer Fakt“, erklärt Schröder. Dabei gibt der Forscher gar nicht vor, als erster diese Erkenntnis gewonnen zu haben. Einige Sozialwissenschaftler, die das Thema behandelten, seien schon vor ihm darauf gekommen – nur Gehör fanden sie keines.

Doch warum bestreitet Schröder, dass die Einstellung von Menschen beziehungsweise von größeren Menschengruppen entscheidend von ihrem Geburtsjahr geprägt ist? Man könnte sagen: weil die Autoren, die das behaupten, Umfragedaten nur oberflächlich und unreflektiert behandeln und zwei wesentliche Faktoren nicht berücksichtigen: den Alterseffekt und den Periodeneffekt.

Alt und Jung statt "Gen Z"

Der erste lässt sich am Beispiel der Einstellung zur Arbeit erläutern: Junge Leute denken anders über die Arbeit als ältere, unabhängig davon, wann sie geboren wurden. „Zu sagen, dass 18-Jährige anders über Arbeit denken als 40-Jährige, sagt noch nichts über Generationen aus, sondern nur über Alt und Jung“, betont Schröder.

Hätte man also den Mitte der 1950er Jahre geborenen Boomer, der in seiner Jugend in den 1970er Jahren vielleicht eine Hippiezeit durchlebt hat, damals befragt, wäre das Ergebnis vermutlich nicht viel anders ausgefallen als bei Vertretern der Generation Z heute. Der Hochschullehrer spricht vom „Effekt unterschiedlicher Lebensphasen“.

Boomer und Generation Z

Noch ausgeprägter wirkt sich der Periodeneffekt aus. Dieser lässt sich so charakterisieren: „Wir denken heute alle anders als früher.“ In der heutigen Zeit wollen einfach alle weniger arbeiten als vor Jahrzehnten. Das gilt keineswegs nur für die immer noch recht jungen Vertreter der Generation Z, sondern auch für die Boomer (die womöglich gerade deshalb in großer Zahl vorzeitig in Rente gehen). Hier schlage der „Effekt des historischen Zeitgeistes“ zu Buche. Und der betreffe „alle gleichermaßen“, so der Soziologieprofessor, „unabhängig davon, wann man geboren wurde und zu welcher Generation man gehört“.

Mit Generationenzugehörigkeit habe das recht wenig zu tun, hat Martin Schröder bei seinen statistischen Untersuchungen festgestellt. Dabei rechnet er neben dem Alterseffekt auch den Periodeneffekt aus vorliegenden Ergebnissen einfach heraus. Schröder hat dieses Phänomen bei verschiedenen Fragestellungen durchexerziert, neben der Bedeutung von Arbeit und beruflichem Erfolg etwa auch zur Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung sowie zur Wichtigkeit, ein eigenes Haus zu haben oder politisch engagiert zu sein.

Stets mit der gleichen Schlussfolgerung: „Fragt man vermeintliche Generationen zur selben Zeit und im selben Alter, denken sie fast genau gleich.“ Was aber freilich nicht bedeute, dass es zwischen den Generationen in solchen Fragen überhaupt keine Unterschiede gäbe. Nur seien diese statistisch derart gering, dass sie im Verhältnis zu den weitaus stärkeren Effekten der Lebensphasen und des Zeitgeistes kaum ins Gewicht fielen.

Boomer bis "Gen Z" – Liste der 6 Generationen

  • Traditionals: Geboren zwischen 1922 und 1955
  • Babyboomer: Geboren zwischen 1956 und 1965
  • Generation X: Geboren 1966 bis 1980
  • Generation Y ("Millennials"): Geboren 1981 bis 1995
  • Generation Z ("Gen Z"): Geboren ab 1995 bis 2009
  • Generation Alpha: Geboren ab 2010 bis heute
  • Lesen Sie auch: Was ist Generation Z? Definition, Merkmale, Erwartungen

Wer noch diese 10 Emojis nutzt, ist angeblich älter als "Gen Z"

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  • 6. Heulendes Gesicht 😭
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  • 10. Grimassen-Gesicht 😬
  • Quelle: Marktforschungsunternehmen Perspectus Global

Generation Z und Klimawandel

Besonders eklatant sei dies im Falle der Einstellung zum Klimawandel. Betrachte man die Entwicklung nur nach den Geburtsjahren, zeige die Kurve, „dass eine Generation nach der nächsten viel besorgter über den Klimawandel wirkt“. Vergleiche man aber die „Antworten, die zur selben Zeit gegeben wurden“, betont Schröder, „so sieht man sogar, dass die früher geborenen 68er sich mehr Sorgen aufgrund der Klimawandelfolgen machen als die sogenannte Generation Z“.

Und warum hält sich nun der Glaube derart hartnäckig, dass die Gerationenzugehörigkeit die Mentalität so tief präge? Zum einen mögen die Medien diese Generationengeschichten, auch wenn sie damit ein falsches gesellschaftliches Bild erzeugen. Dieses Interesse werde auch gerne erfüllt von „selbst ernannten Jugendforschern und Generationenverstehern, die mit dieser Behauptung Geld verdienen“. Generationenforschung als Geschäftsmodell.

Dass diese Annahmen den Mediennutzern so plausibel vorkommen, lässt sich ebenfalls schnell erklären: Man nimmt „einige wenige Aktive“ und stellt sie exemplarisch für eine ganze Generation (68er, Klimakleber) heraus. Dabei handle es sich aber „allenfalls um Milieus innerhalb von Generationen“, erklärt Martin Schröder. Diese Verallgemeinerungen sind der vermutlich häufigste Fehler bei der Beschreibung eines so komplexen Phänomens wie der Gesellschaft: Man nimmt einfach einen Teil für das Ganze.