Von wegen kühl und distanziert: Maria Furtwängler singt gerne mit Freunden. Foto: dpa/Swen Pförtner

Im Interview spricht Schauspielerin Maria Furtwängler über ihre Weihnachtsrituale, 80er-Jahre-Frisuren und eine rätselhafte religiöse Erscheinung.

Millionen Zuschauer kennen Maria Furtwängler als „Tatort“-Kommissarin. In der Komödie „Abenteuer Weihnachten – Familie kann nie groß genug sein“ hat die 57-Jährige aber nicht nur irgendeine eine Hauptrolle übernommen. Da steckt mehr drin. Vor der Ausstrahlung am 15. Dezember haben wir mit ihr über Familienfeste unterm Tannenbaum gesprochen.

Frau Furtwängler, Ihr Weihnachtsfilm heißt „Abenteuer Weihnachten – Familie kann nie groß genug sein“. Ist das auch der Satz, mit dem Sie von Ihren erwachsenen Kindern endlich Enkelkinder einfordern?

Das nicht – aber der Satz stimmt trotzdem für mich. Wir sind eine große Patchworkfamilie und an Weihnachten kommen alle: meine Stiefmutter, meine Halbbrüder, mein Bruder mit der dritten Frau, meine Mutter. Außerdem muss man die Türen immer für einsame Herzen öffnen, die gerade eine Trennung hinter sich haben. Es ist jedes Jahr ein großes Durcheinander und ich liebe es.

Auf die Frage, ob sie Weihnachten mit den Enkeln feiert, hat Rosamunde Pilcher mal gesagt: „Natürlich nicht, sonst ist es doch kein Fest mehr.“ Was finden Sie schöner: Weihnachten mit Kindern oder Weihnachten mit erwachsenen Kindern?

Natürlich ist das Schönste das Leuchten in den Kinderaugen. Da fühlt man sich an die eigene Kindheit erinnert. Ich erinnere mich, dass ich das Christkind in meiner aufgeregten Erwartung und Hoffnung einmal sogar wirklich gesehen habe. Wie alt werde ich da gewesen sein, vielleicht so vier oder fünf. Ich war wohl etwas zu früh ins Weihnachtszimmer gegangen und habe das Christkind dann gerade noch raushuschen sehen.

Sie haben das Christkind gesehen?

Ich habe es wirklich gesehen. Das war sicher eine Vision, aber eine tolle und eindrucksvolle. Und für mich war es eine sehr materielle Wahrnehmung, die ich nicht infrage gestellt habe. Heute würde ich ein zweites Mal darüber nachdenken, ob es wirklich das Christkind war. Damals konnte ich mir das so fest vorstellen und glauben, dass ich es wirklich gesehen habe. Ich zehre heute noch davon.

Ihr Film inszeniert eine manifeste Weihnachtskatastrophe. Haben Sie mal eine im wirklichen Leben erlitten?

Die Komödie überhöht die Dramen. Aber natürlich ist es eine Realität, dass Weihnachten herausfordert – weil das Fest mit enormen Erwartungen verbunden ist. Alle hoffen auf Harmonie und Freude und gleichzeitig bringt jeder sein Päckchen an Ärger und Konflikten mit. Gerade innerhalb der Familie – die kann ich mir ja nicht aussuchen. Und dazu dann noch der ganze Stress der Vorbereitung. Weihnachten ist ein großer Hürdenlauf. Auch ich habe Enttäuschungen erlebt, Katastrophen aber bisher nie. Das gibt es bei mir nur im Film.

Für manche Leute ist Weihnachten einer der wenigen Anlässe, sich als Sänger zu versuchen . . .

. . . Singen ist für mich mit das Schönste überhaupt. Mit einer Freundin und einem Freund habe ich seit einigen Jahren eine Tradition: Wir treffen uns erst im kleinen Kreis und üben mehrstimmig – und dann noch mal mit dem ganzen Freundeskreis, mit einer Freundin am Klavier und einem weiteren Freund, der professionell singt. Es gibt nichts Schöneres, als wenn unsere Stimmen dann ineinandergreifen. Weihnachten ohne Lieder wäre gar keins. Mit Freunden singe ich gern auch gewagte Duette, auch solche außerhalb meiner Möglichkeiten.

In den 80ern haben Sie in der Serie „Die glückliche Familie“ mitgespielt. Wie sah damals eine glückliche Familie im Ersten aus? Und was davon kommt uns heute komisch vor?

Komisch vorkommen würde uns meine Dauerwelle – die war Pflicht. Komisch waren auch die Karottenjeans, mit denen wir unsere Figur vernichtet haben. Was die Familie angeht: Die Konflikte waren immer schon dieselben. Ich erinnere mich an einen Streit um ein hässliches Hochzeitskleid. Würde das nicht immer noch funktionieren? Bei den Mädels auf Tiktok geht es heute sogar darum, ob der Verlobungsring auch wirklich drei Monatsgehälter wert ist. Vieles kommt mir heute eher spießiger vor als in den 80ern. Aber natürlich sahen Fernsehfamilien damals anders aus.

Weniger divers, meinen Sie.

Unser Weihnachtsfilm erzählt sehr beiläufig eine lesbische Beziehung, es gibt einen Samenspender. Das wäre in den 80ern noch kein Thema gewesen. Und dann war „Die glückliche Familie“ sehr weiß. Das wäre heute auch anders, auch weil die Realität eine andere ist.

Mediale Rollenbilder sind auch das Thema Ihrer MaLisa-Stiftung, mit der Sie Fernseh- und Online-Angebote wissenschaftlich durchleuchten. Schlägt sich das in Ihrer Arbeit als Schauspielerin und Produzentin nieder?

Die Stiftung hat mich natürlich sensibilisiert. Ich lese Drehbücher inzwischen anders; als Schauspielerin kann ich auf Dinge aufmerksam machen, aber nicht viel ändern – außer eine Rolle ablehnen, die mir zu eindimensional ist. Als Produzentin nehme ich viel mehr Einfluss. Das beginnt mit der Frage, wer die Geschichte erzählt. Den Autor, die Regisseurin – die suche ich ja aus. Auf der Ebene der Figuren geht es mir dann nicht nur um „dolle“ oder starke Frauen, sondern vor allem um komplexe Frauenfiguren. Und auch um modernere Männerfiguren, vielleicht sogar um ganz neue Vorbilder.

Ich habe von mehreren Filmemachern gehört, dass Fernsehredaktionen beim Thema Diversität dogmatisch denken und bestimmte Projekte nur bei den Streamern zu realisieren sind. Was sagen Sie dazu?

Vielleicht kommt manchmal das Gefühl auf: Wir reden schon so lange über Gleichberechtigung, jetzt ist es doch langsam mal gut. Es ist aber noch lange nicht gut. In unserer aktuellen Studie ging es nicht um Geschlechterrollen; wir haben untersucht, wie der Klimawandel im Fernsehen thematisiert wird. Nebenbei haben wir gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut über Gesichtserkennung trotzdem noch das Geschlecht aller Personen auf dem Schirm analysiert: Frauen sind, obwohl wir die Hälfte der Gesellschaft sind, nur halb so viel zu sehen wie Männer. Natürlich verstehe ich auf einer individuellen Ebene, wenn männliche Regiekollegen sich benachteiligt fühlen, weil die Angebote weniger werden. Und trotzdem sind wir sowohl hinter als auch vor der Kamera von einer Gleichberechtigung weit entfernt. Es dreht sogar eher noch zurück.

Ihre Studie hat ergeben, dass Klimawandel und Artensterben in fiktionalen Formaten beinah unsichtbar sind. Wie könnte das Thema in der Unterhaltung denn aussehen?

Gerade in der Fiktion wollen wir ja immer authentisch und nah an den Leuten sein. In Wahrheit entfernen wir uns von den Zuschauern, weil wir diese Realitäten ausblenden. Eine Kollegin hat gerade im Harz gedreht. Im Hintergrund war ein abgestorbener Fichtenwald zu sehen, der wurde nachbearbeitet und wieder grün gemacht. Man kann den Leuten offenbar nicht zumuten, wie scheußlich die Welt aussieht. In der Wirklichkeit anzukommen, ist eine Aufgabe an uns Programmmacher. Wir müssen uns fragen, wie wir diese Veränderungen erzählen.

ARD-Chef Kai Gniffke positioniert die Unterhaltung gerade als Gegenpol zur Realität. Würde die ARD sich auf Information beschränken, sagt er, liefen nur noch Klimawandel und Krieg und das Erste wäre „ein Spartenkanal für Misanthropen“. Wie zeigt man hässliche Realitäten unterhaltsam?

Ganz bestimmt nicht, indem wir nur noch Weltuntergangsgeschichten erzählen, da wäre ich dagegen. Aber warum sollte eine Verfolgungsjagd über die Dächer nicht an Solarpanels vorbeiführen? Wenn meine „Tatort“-Kommissarin zu den Leuten nach Hause kommt, was liegt bei denen auf dem Grill? Müssen das Würstel sein? Oder könnten die auch mal was anderes essen? Ich erteile meinen Figuren kein Fleischverbot – aber auch über diese Szenen kann ich eine bestimmte Wirklichkeit miterzählen. Fiktion hat eine große Wirkmacht, gerade, wo es um Coolness geht: Müssen wir Erfolg anhand von Männern schildern, die vom SUV in die Jacht umsteigen? Oder finden wir neue Bilder?

Den Öffentlich-Rechtlichen wird ideologisches Denken vorgeworfen. Kommt diese Wut auch bei Ihnen an?

Das trifft sicher mehr die Kollegen aus der Information, weniger uns in der Unterhaltung. Dennoch gehe ich sehr offensiv in die Debatte, wenn es darum geht, die Öffentlich-Rechtlichen zu verteidigen. Gegen Polemik helfen Fakten. Ich habe kürzlich eine Untersuchung zum Thema Migration gelesen: Am häufigsten lassen ARD und ZDF die CDU/CSU zu Wort kommen. Der Eindruck einer links-grünen Berichterstattung stimmt nicht. Und was Klimawandel und Artensterben angeht: Auch wenn es eine Minderheit gibt, die immer noch daran zweifelt, kann ein Sender das doch nicht ausblenden. Die Öffentlich-Rechtlichen müssen die Demokratie erhalten. Und dafür müssen sie aussprechen, was da auf uns zukommt. Ich bin froh, dass wir Sender haben, die nicht mit Stimmungen mitgehen, sondern mit der Wissenschaft.

Zur Person

Maria Furtwängler
wird am 13. September 1966 in eine Münchner Künstlerfamilie geboren. Bereits als Siebenjährige tritt sie in dem Film „Zum Abschied Chrysanthemen“ auf. Furtwängler lässt sich zur Ärztin ausbilden, entscheidet sich 2001 aber für die Schauspielerei. 2002 übernimmt sie die Rolle der „Tatort“-Kommissarin Lindholm. Aus ihrer Ehe mit dem Verleger Hubert Burda gehen zwei Kinder hervor. 2022 gibt das Paar seine Trennung bekannt. Furtwänglers „Abenteuer Weihnachten“ läuft am 15. Dezember um 20.15 Uhr im Ersten