Jessica Haase (links) auf der Bühne, fotografiert von Mitbewohnerin Selina Berger. Foto: Berger

Die Theatertheke Stuttgart hat es sich zum Ziel gesetzt, Menschen in außergewöhnlichen Lebenssituationen eine Bühne zu geben. Dazu gehören seit kurzem auch zwei Fellbacherinnen.

Vor ein paar Monaten ging in einer betreuten Wohngruppe der Diakonie Stetten in Fellbach ein Anruf mit der Frage ein, ob es dort vielleicht ambitionierte Schauspielerinnen gebe. Jessica Haase und Selina Berger waren sofort interessiert. Nun, wenige Monate später, steht die eine in Stuttgart auf der Bühne und die andere hält das Projekt in Fotografien fest.

Die Darsteller als Fokus des Stücks

„GAME“, das nur noch diese Woche im Club „White Noise“ in Stuttgart aufgeführt wird, ist allerdings nicht nur wegen seines inklusiven Charakters ein ungewöhnliches Projekt. Regisseurin Ismene Schell fasst das Konzept so zusammen: „Die Menschen sind das Stück.“ Am Anfang stand folglich also das Kennenlernen der einzigen beiden Schauspieler des Projekts. Neben Jessica Haase aus Fellbach ist das Hayan Amer, der an der Theaterakademie Stuttgart studiert.

Auch Ismene Schell war von Anfang an in den Prozess eingebunden und erörterte in vielen Gesprächen, welche Themen die Schauspieler mitbrachten und was sie bewegt. Die Kombination aus einer Laienschauspielerin mit Behinderung – Jessica Haase ist mit dem Down-Syndrom auf die Welt gekommen – und einem Schauspieler in Ausbildung ohne Behinderung sei so außergewöhnlich, dass sie laut Schell allein schon eine erzählenswerte Geschichte sei.

Die eigentliche Probezeit war dann eher kurz, die Mitwirkenden trafen sich drei Mal wöchentlich. Während der Proben entstand auch die eigens für das Stück komponierte Musik. Gerade die begeistert Jessica Haase sehr, die im Stück nicht nur Schauspielerin ist, sondern auch als Tänzerin auftritt: „Die Musik ist toll, dazu zu tanzen macht immer viel Spaß“, sagt Haase. Ihre Mitbewohnerin Selina Berger steht zwar nicht selbst auf der Bühne, hält aber das Geschehen mit der Kamera fest. Fotografiert habe sie schon immer gern, seit April eben auch fürs Theater: „Wenn ich Fotos mache, sehe ich, dass die Geschichte lebt“, sagt sie.

Inklusives Theater eher Ausnahmeerscheinung

Dass Menschen, die ein Handicap oder andere außergewöhnliche Lebensumstände haben, im Theater aktiv werden können, ist bislang noch eher eine Ausnahme. Die Freie Bühne Stuttgart möchte das mit dem neuen Format der Theatertheke ändern. Hier sollen Menschen kreativen Raum bekommen, denen bisher die Zuschauerrolle zugeteilt worden war. Schell betont, dass es keineswegs an der Nachfrage scheitert: „Die Menschen, die auf die Bühne oder Regie führen wollen, gibt es.“ An was es jedoch mangele, sei Geld.

Außerdem ist sich die Regisseurin auch der Außenseiterstellung der Theatertheke bewusst: „Was wir machen, steht dem traditionellen Verständnis von Theater sehr entgegen.“ Trotzdem hoffe sie, dass diese Wahrnehmung sich durch Projekte wie „GAME“ langsam ändere. Bei der Premiere des Stücks habe es jedenfalls reichlich Applaus vom Publikum und reichlich Freudentränen bei den Beteiligten gegeben.

Die letzten beiden Vorstellungen finden am Freitag, 6. Oktober, und Sonntag, 8. Oktober, je um 20 Uhr im White Noise, Eberhardstraße 37, in Stuttgart statt. Kartenreservierung unter E-Mail mail@freiebuehnestuttgart.de.