Der Anstieg der Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit lässt in Deutschland die Schattenwirtschaft blühen.

Tübingen/Stuttgart - Der Anstieg der Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit lässt in Deutschland die Schattenwirtschaft blühen. Viele versprechen sich dadurch Zusatzeinkünfte. Doch Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt. Deshalb will Finanzminister Wolfgang Schäuble verstärkt gegen Schwarzarbeiter vorgehen.

Wer seinen Job verloren hat oder wegen Kurzarbeit nur tageweise in die Firma geht, hat viel Zeit, aber ein geringeres Einkommen. Dadurch steige die Bereitschaft, am Staat vorbei Geld zu verdienen, haben Wirtschaftsexperten festgestellt. Sie rechnen deshalb in diesem Jahr mit einem Anstieg der Schattenwirtschaft um zwei Prozent gegenüber 2009. Das geht aus Modellrechnungen hervor, die das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Tübingen gemeinsam mit dem Schattenwirtschaftsexperten Friedrich Schneider von der Universität Linz vorgelegt hat.

Bei ihrer Rechnung gehen die Forscher für dieses Jahr von einem Anstieg der Arbeitslosenzahl um 600.000 auf 4,1 Millionen aus, einem Bestand an Kurzarbeitern von 700.000 und einem Wirtschaftswachstum um real 1,6 Prozent. Durch den Anstieg der Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit dürfte die Schattenwirtschaft 2010 zwischen sechs und zehn Milliarden Euro zunehmen und unterm Strich ein Volumen von 359,2 Milliarden Euro erreichen. Das entspricht 14,65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit wäre hierzulande jeder siebte Euro illegal erwirtschaftet. 2009 stieg die Schwarzarbeit um mehr als fünf Milliarden auf gut 352 Milliarden Euro.

Zahlen zu einzelnen Bundesländern gibt es nicht. Bernhard Boockmann vom IAW hält es aus konjunkturellen Gründen und angesichts der Entwicklung am Arbeitsmarkt allerdings für plausibel, dass Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich sogar schlechter abschneiden könnte und die Schwarzarbeit hier noch etwas höher ausfällt. Das Wachstum der Schattenwirtschaft sei eine indirekte Folge der Wirtschaftskrise.

Dass es in Deutschland nicht noch zu einem stärkeren Anstieg der Schattenwirtschaft kommt, liegt laut IAW an den steuerlichen Entlastungen und gesunkenen Sozialbeiträgen, was legale Arbeit etwas attraktiver macht und so die Schwarzarbeit drückt. Die Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung um 0,6 Prozentpunkte führt zu einer Abnahme der Schattenwirtschaft um 500 bis 800 Millionen Euro, errechneten die Forscher. Das Bürgerentlastungsgesetz, das die Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen von der Einkommensteuer regelt, vermindert sie um 900 Millionen bis 1,4 Milliarden Euro.

Auf der anderen Seite gibt es freilich wieder gegenläufige Entwicklungen, die Schwarzarbeit begünstigen - das sind etwa die beschlossene Einführung von Mindestlöhnen im Lackiergewerbe, bei Wäschereien und in der Abfallwirtschaft. Experten zufolge können Mindestlöhne dazu führen, dass in manchen Branchen Arbeitnehmer als Schwarzarbeiter mit Löhnen unterhalb der gesetzlichen Regelung beschäftigt werden.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat unterdessen angekündigt, stärker gegen die wieder zunehmende Schwarzarbeit und gegen Mindestlohn-Verstöße vorzugehen. Die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) wird personell aufgestockt und erhält in diesem Jahr 200 zusätzliche Planstellen, bestätigte ein Sprecher des Finanzministeriums einen Bericht der "Bild"-Zeitung. Damit steigt die Zahl der FKS-Fahnder auf rund 6700 Mitarbeiter. Hintergrund für die Verstärkung ist auch die Ausweitung des Mindestlohns auf weitere Branchen. Die Überwachung der Bestimmungen für Lohnuntergrenzen gehört neben dem Kampf gegen illegale Beschäftigung zu den wichtigsten Aufgaben der FKS.

Im internationalen Vergleich liegt Deutschland, was die Schattenwirtschaft angeht, im Mittelfeld. Am geringsten ist sie in den USA, wo die Quote im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt bei 7,8 Prozent liegt, am höchsten ist sie in Griechenland, wo es 25,2 Prozent sind und damit jeder vierte Euro illegal erwirtschaftet wird. Durch die Rezession wachse die Schattenwirtschaft 2010 in allen 21 untersuchten OECD-Ländern, so die Forscher weiter.