Die Pyrenäen-Berghündin Hermine soll im Ernstfall den Kampf gegen einen Wolf gewinnen. Foto:  

Einmal mehr versuchen Schäfer Behördenvertretern zu erklären, was die Politik zur Rückkehr des Wolfes in ihrem Beruf anrichtet. Geld spielt aus Sicht der Herdenhalter keine entscheidende Rolle. Ihnen fehlt das Verständnis für ihren Berufsalltag.

Gäufelden - Hermine fremdelt. Sie klappt die Ohren nach hinten und zieht an ihrer Leine zurück zum Auto. Im Ernstfall soll sie den Kampf mit einem Wolf überleben – der Wolf nicht. Knapp 50 Kilo wiegt die Pyrenäen-Berghündin. „Im Pferch ist die ganz anders“, sagt Herbert Schaible – aggressiv. Hermine ist einer von drei Hunden, die er gekauft hat, damit sie seine gut 1000 Schafe vor Wölfen schützen, sobald die Raubtiere in der Region Stuttgart ankommen. Das werden sie.

Dies ist einer mehr der Termine, bei denen Schäfer Behördenvertretern erklären, was die Politik zur Wiederkehr der Wölfe in ihrem Beruf anrichtet. „Es darf nicht sein, dass die Tierhalter die Leidtragenden sind“, sagt der Landrat Roland Bernhard. Sollten Wölfe einen Schaden verursachen, den keine Versicherung zahlt, verspricht er Hilfe. Was die Kreisfinanzen trüben könnte: 2008 entgleiste bei Fulda ein ICE, weil er in einem Tunnel auf eine Schafherde prallte. 38 Menschen wurden verletzt. Der Schaden summierte sich auf zehn Millionen Euro. Hunde hatten die Herde in den Tunnel getrieben.

Der Landrat lupft die Schubkarre im zweiten Versuch

Schaible ist ein Mann mit knotigen Armen, für die er keine Gebühren in einem Fitnessstudio zahlt. Vorhin hatte er den Landrat gebeten, er möge die Schubkarre lupfen, auf der er mobile Zäune durch die Landschaft karrt. Bernhards erster Versuch scheiterte. Offenbar hatte er ein weit geringeres Gewicht erwartet. Künftig werden die Zäune schwerer, weil sie höher sein müssen. 90 Zentimeter gelten amtsoffiziell als wolfssicher. Ein Rüde von Hermines Rasse kann über diese Höhe hinwegschauen, aber Wölfe springen ungern.

Schaibles alte Zäune sind jetzt für den Müll. Er darf sie noch aufstellen im sogenannten Wolfserwartungsland, aber falls eines der Raubtiere seine Schafe reißt, bekommt er dann keinen Schadenersatz. Zehn Prozent des Preises für neue Zäune muss er selbst zahlen, den Rest übernimmt der Staat. „Das Geld ist es nicht“, sagt Schaible und fragt in die Runde: „Wer von Ihnen arbeitet 365 Tage im Jahr?“ Er schon, und das Aufstellen der Zäune dauert künftig doppelt so lang.

Treffpunkt ist der Aussiedlerhof von Karin Zimmermann, gelegen bei Gäufelden. Sie hält hier Schafe und ein paar Kühe. Käse, Quark, Fleisch verkauft sie direkt auf dem Hof. Nicht dass sie es nötig gehabt hätte, damals. Zimmermann ist Akademikerin. Sie hatte ihren Arbeitsplatz an der Universität Hohenheim. Als die Eltern zu alt wurden, stand der Verkauf des Hofes an. „Das konnte ich nicht“, sagt sie. Seitdem arbeitet auch Zimmerman 365 Tage im Jahr. Ihre Mutter hilft noch immer, und sie kann sich eine Aushilfe leisten. Oft beginnen ihre Sätze mit „bis zu meiner Rente“. Bis dahin will sie zuoberst den Kredit abzahlen, den sie aufgenommen hat, 250 000 Euro.

Dass höhere Zäune schwerer sind, versteht jeder

Dass höhere Zäune schwerer sind, versteht jeder. Aber auch das ist es nicht. Auf dem Land ist der Blick auf Tiere ein anderer als im Landtag – ganz gleich, auf welcher Seite eines Zaunes sie stehen. Zimmermann wünscht sich „eine sachliche Diskussion und einen pragmatischen Umgang“ mit Wölfen. Sie hat ein halbes Jahr lang in Kanada gearbeitet. Dort war der Bär der Feind der Schäfer. „Wenn die in den Flecken kommen, werden sie eben geschossen“, berichtet sie.

Reißt ein Wolf Schafe, bekommt der Schäfer Geld für neue. Aus Behördensicht besteht damit kein Grund zur Klage. Nur ist Schaf nicht Schaf. Alpine Rassen taugen nicht für Südhänge. Für die Weidehaltung im Winter braucht Zimmermann robuste Tiere. Die Herde, die im Stall steht, stammt aus den Pyrenäen. Beim Import „hatten wir die Veterinärbestimmungen von ganz Europa zu erfüllen“, sagt sie. Ein Dreivierteljahr verging, bis die Tiere in Gäufelden ankamen. Selbst wenn sie im Fall des Falles schnell Ersatz bekommt – „das ist eine Herde“, sagt Zimmermann, „da können Sie nicht einfach ein paar Neue reinsetzen, ganz wie bei Menschen“.

Hermine sitzt wieder im Auto. Ihr Besitzer ärgert sich über „eine Anmaßung, eine Frechheit“. Um Hermine zu halten, muss er einen Hundeführerschein bestehen. Die Vorschrift gilt nur für Schäfer, sonst für niemanden. „Solange jeder einen Kangal halten kann, mach ich keine Prüfung“, sagt Schaible. Seine Hermine sei „eigentlich ein Weichei“. Kangals sind türkische Hirtenhunde. In Hamburg und Hessen dürfen sie nur ausnahmsweise gehalten werden. In der Türkei verwendet sie das Militär. „Die helfen wirklich gegen Wölfe“, sagt Schaible, „aber die gehen auch auf jeden los.“