Saniert und wiedereröffnet: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Foto: Staatliches Hochbauamt

Wenn die Sanierung auch aus Sicht so manchen Denkmalschützers keinen Modellcharakter hat, wird das in Fachkreisen bislang etwas verkannte Bauwerk nun, da es strahlend wiedererstanden ist, seinen gebührenden Platz in der Baugeschichte der Bundesrepublik als Ikone der Baukunst der sechziger Jahre einnehmen.

Man hat es vermisst, das vertraute Bild des TV-Justizreporters, wenn er vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stehend die höchstrichterlichen Entscheidungen der Verfassungshüter kommentierte. Zweieinhalb Jahre war der Bau aus dem Blickfeld der Kameras gerückt. Die Richter in den roten Roben hatten das Feld für die Handwerker im Blaumann geräumt und waren in ein Ausweichquartier gezogen.

Ihr Dienstsitz, das Pavillon-Ensemble unmittelbar neben dem Schloss, war in die Jahre gekommen. Die Richter klagten über Hitze im Sommer, Zugluft im Winter und undichte Dächer. Die Energiebilanz hatte geradezu verfassungswidrige Werte angenommen; eine grundlegende Sanierung war unumgänglich.

Der Bau war der große Wurf des Berliner Architekten Paul Baumgarten. 1969 eingeweiht, war es das erste Gerichtsgebäude in Deutschland, vielleicht sogar weltweit, bei dem bewusst vermieden wurde, Macht und Würde durch gebieterische architektonische Repräsentationsformen zum Ausdruck zu bringen. Baumgarten verzichtete auf Renaissance und Barock, auf Portikus und monumentale Säulen. Er benötigte keine Festungsmauern, keine Symmetrieachsen oder andere Herrschaftssymbole, die üblicherweise die Bürger vor dem hohen Gericht einschüchtern und den Herrschaftsanspruch des Staatsapparates bekräftigen sollen.

Da gemäß Grundgesetz die Macht vom Volke ausgeht, werden Gesetze in einem transparenten Prozess vom Bundestag gemacht, wobei auch das Verfahren und der Vollzug der Gesetze Transparenz und Kontrolle durch den Bürger verlangen. Transparenz und Würde ist deshalb das Credo, dem sich der Architekt verpflichtet fühlte, das ihm Programm und Symbolik war. Die Richter im Sitzungssaal, die Prozessparteien und die Prozessbeobachter sitzen im Glashaus, sie haben immer die Umgebung vor Augen, sie sehen die Stadt und die Menschen, das Volk, den Souverän.

Baumgarten hatte dem dreigeschossigen Sitzungssaalgebäude vier flachere, pavillonartige Gebäude zugeordnet, eines für die Richter, eine Bibliothek, ein Kasino mit einem öffentlichen Restaurant und einen Verwaltungsbau. Ein gläserner Gang verbindet die Bauten miteinander. Er schwebt ebenso über dem Gelände wie die Büros der Richter in einem aufgeständerten Baukörper mit Innenhof, „Richterring“ genannt: Der benachbarte Botanische Garten umfängt das Ensemble, ja der Grünraum fließt zum Teil unter den schwebenden, leichten Volumina hindurch. Zäune und Mauern gibt es erstaunlicherweise nach wie vor nicht. Das Gefährdungspotenzial wird gering eingeschätzt.

Ein Leichtes war das nicht für das zuständige Hochbauamt Baden-Baden, denn das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Amtsleiter Wolfgang Grether, der das 55-Millionen-Euro-Unterfangen als verantwortlicher Architekt leitete, verfolgte denn auch das Ziel, am Ende einen Bau vorzuweisen, der so weitgehend dem bauzeitlichen Original entspricht, dass nur Fachleute die Veränderungen feststellen können.

Der Grad der Erneuerung bereitete den Denkmalpflegern durchaus Bauchschmerzen. Die Holzfenster mit Dreifachverglasung, die Außenwände mit zeitgemäßer Wärmedämmung, die Dachdeckungen sowie die gesamte Außenhaut sind nagelneu. Nur die charakteristischen Fassadenplatten aus Gussaluminium wurden gereinigt und neu montiert.

Auch im Inneren beklagen Denkmalpuristen viel Verlust an Originalsubstanz. Immerhin wurden hölzerne Wandverkleidungen und Ausbauteile sorgfältig aufgearbeitet. Vor allem aber bemühte man sich mit hohem Aufwand, die Optik nicht zu verändern. Neue Kühldecken sehen aus wie die Vorgängerkonstruktionen, alle Leuchten wurden nachgebaut und durchgängig mit LED-Leuchtmitteln bestückt. Sicherheitsgläser sehen aus wie die alten, nicht mehr den Vorschriften entsprechenden. Neu erforderliche Brandabschnittstüren wurden im Design angepasst. Viel Mühe bereitete die Installation umfangreicher Haus- und Kommunikationstechnik in Decken und Kanälen mit geringen Platzreserven. Dem Sitzungssaal zum Beispiel sieht man die technische Ausstattung auf dem neuesten Stand nicht an. Bis auf die dezenten Lautsprecher sieht er exakt aus wie zu Baumgartens Zeiten.

Wenn die Sanierung auch aus Sicht so manchen Denkmalschützers keinen Modellcharakter hat, wird das in Fachkreisen bislang etwas verkannte Bauwerk nun, da es strahlend wiedererstanden ist, seinen gebührenden Platz in der Baugeschichte der Bundesrepublik als Ikone der Baukunst der sechziger Jahre einnehmen.

So ist denn auch Präsident Andreas Voßkuhle, der sich intensiv mit den Baumaßnahmen auseinandergesetzt hat, mit dem Ergebnis hochzufrieden. Gerade er hatte auf den dem Gericht gut zu Gesicht stehenden architektonischen Charakter des Gebäudes hingewiesen, jegliche Neubaupläne abgelehnt und sich für die Sanierung eingesetzt. Und da die Kosten- und Terminkontrolle funktioniert hat, was durchaus erwähnenswert ist, konnte die feierliche Einweihung Mitte November in aller Harmonie stattfinden.