Jürgen Schmude inmitten einer Auswahl seiner Schätze. Foto: Max Kovalenko

Es begann mit Schokolade. Stollwerck warb als erste Firma mit einem Schild aus Email. Später machten es alle, man sprach gar von einer „Schilderpest“. Heute glänzt Werbung nicht mehr, heute klickt man sie. Und die Schilder sind begehrte Sammlerstücke.

Bietigheim-Bissingen - Die Schilder hängen überall, im Flur grüßt ein Kardinal, im Wohnzimmer reimt ein fröhlicher Trinker, der Wulle will: „Wir trinken immer brav und fest, erst die Blume, dann den Rest“. In der Küche wirbt Maggi für Würze. Es ist die Wohnung von Jürgen Schmude und Jasmin Kaboth, aber es könnte auch ein Museum sein. Gewidmet den Emailschildern, mit denen einst Firmen für ihre Produkte warben. Für das Paar ist die Wohnung in Bissingen groß genug, doch für die Schilder reichen die Wände nicht mehr. Im Arbeitszimmer stapeln sie sich, und Schmude blättert darin wie in einem Buch.

 

Da gibt’s etwa das Schild, das verdeutlicht, dass man vor hundert Jahren Tiere lieber schlachtete statt streichelte. Ein Pelzgeschäft warb damit, dass ein Braunbär einer Frau sein eigenes Fell umhängt. Oder jenes Schild, das Schmude und Kapoth in Lyon ergatterten. Die beiden erreichte die Kunde von einem besonderen Fund. Wie genau, erzählt Schmude nicht, seine Quellen gibt man nicht preis, da ist der Sammler verschwiegener als der Mossad. Jedenfalls kamen sie in Frankreich an, trafen den Finder, verhandelten per Handy und einem eigens zugeschalteten Dolmetscher in der Heimat, „schließlich können wir kein Französisch“, und kehrten schließlich mit einem fast mannshohen Schild zurück. „Das ist ein toller Fund“, schwärmt Schmude, es zeigt den Kardinal Gaspard Mermillod, Namensgeber der Brauerei Cardinal in Fribourg. „Es ist von 1900 und damit eines der frühesten noch erhaltenen Werbeträger.“

Schilder sind rar

Die Blechschilder mit dem Email-Überzug – oder wie Zeitgenossen sie nannten, „die Reklameplakate im Zuckerguss-Verfahren“ – tauchten um 1880 in England erstmals als Werbung auf. In Deutschland führte sie Schokoladenfabrikant Ludwig Stollwerck ein. Er war ein kluger Geist, verkaufte Schokolade in Automaten, entwickelte mit dem amerikanischen Erfinder Thomas Alva Edison ein Grammofon, das Schallplatten aus Schokolade abspielte, und ließ sein Firmenlogo auf Emailschildern verewigen und Deutschland damit zupflastern. Andere zogen nach, jeder wollte seine Marke bekannt machen, alsbald sprach man von der „Schilderpest“.

Heute allerdings sind die Schilder rar. Als Schmude in den 70er Jahren zum Sammler wurde, weil er die Schilder in Backnang beim Besitzer des Plattenladen „Diskus“ gegen Schallplatten tauschte, „lagen die Dinger in den Gärten oder flogen einfach beim Sperrmüll raus“. Heute braucht man schon Glück, wie ein Sammlerkollege, der beim Weihnachtsessen von der Oma erfuhr, dass man einst im Krieg einen Hasen großgezogen und vor den Nazis versteckt hatte, damit der Opa einen Grundstock für seine Zucht hätte, sollte er heimkommen. Doch das Viech habe ausbüxen wollen und den Maschendraht der Tür durchgenagt. Also habe man ein Blechschild als Tür genommen. Ach ja, das sei übrigens irgendwo im Keller hinter dem Mostfass. Das ist der Moment, in dem der Sammler schier in Ohnmacht fällt. 44 000 Dollar (rund 33 700 Euro) zahlte ein Sammler übrigens für das teuerste Emailschild, ein BP-Tankstellenzeichen wurde in den USA für diesen Preis versteigert. „Die Schilder sind auch eine Wertanlage“, sagt Schmude. Deshalb wird damit Schindluder getrieben. „Es sind viele Fälschungen auf dem Markt“, sagt er, „die werden in einen Misthaufen gelegt, damit sie künstlichen Rost anziehen.“ Ihn kann man nicht übers Ohr hauen, „ich habe das im Gespür, die bekommen die Farben nicht hin“. Aber ein Neuling sollte nur bei Experten kaufen und nicht auf dubiosen Märkten und irgendwo im Internet. Oder jetzt bei der Reklamebörse am Samstag, 20. April, in der Alten Kelter in Fellbach. Dort kann man stöbern, sich informieren und kaufen. Auch schon Schilder ab 100 Euro, versichert Schmude. Aber man sollte beim Sammeln bedenken: Die Schilder brauchen Platz. Man frage nach bei Schmude: Wenn einen die Leidenschaft packt, hängen sie bald überall.

Zahlreiche Sammler zeigen bei der Reklamebörse am 20. April in der Alten Kelter in Fellbach, Untertürkheimer Straße 33, ihre Schilder.