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Bei Salzburg denkt man an Mozart. Doch die viertgrößte Stadt Österreichs ist auch berühmt für ihre nostalgischen Traditionsgeschäfte.

Warum reisen Insider in die Mozartstadt Salzburg zum Einkaufen? Weil es so schön ist in den kleinen, aber feinen, mitunter schon seit Jahrhunderten angestammten Geschäften der Innenstadt, die alle nahe beieinander liegen. Das Angebot ist überwältigend: Da gibt es handgefertigte Schirme, Fleckerlteppiche, Schnäpse aus handgepflückten Früchten, die einzigen originalen Mozartkugeln oder ein ganz besonderes Stück Bergkäse.

Die gut 20 Salzburger Einzelhändler peilen kein Massenpublikum an. Und sie fahren gut damit. In großen Wirtschaftseinheiten sind Einkäufe anonyme Transaktionen, in den Nischen dagegen dominiert die Psychologie – die Ladenbetreiber hier haben Stammkunden bis hin nach Amerika und Fernost.

Ausgerechnet im schmalsten Haus in der berühmten Getreidegasse ist das Gedränge am größten: Sporer Spirituosenhandel, seit 104 Jahren geöffnet. Eine Institution, in der sich die Leute ihren Magen, aber auch die Seele wärmen. Urgroßvater Franz Sporer begann mit einer Branntweinschenke, die Firma stellt mittlerweile 33 Spirituosen her, neben Schnäpsen und Likören auch Kräuterbitter und Orangenpunsch. Produziert werden die Alkoholika im ersten Stock, dann über eine Rohrleitung in den Keller geleitet, dort per Hand abgefüllt. Die Kreationen sind Chefsache, Eigentümer Peter Sporer und Sohn Michael mixen fleißig und geben nur edle Ingredienzien dazu: Holunderblüten, Nüsse, Kirschen und Birnen aus Bioanbau. Die halbsüße Hausmischung Kräuterbitter, vor 50 Jahren erfunden, ist mit 19 diversen Kräutern, Beeren und Wurzeln versetzt und hat in Salzburg als Verdauungsschnaps legendären Ruf.

Auch Kirchtag, die letzte Salzburger Schirmmacherei, firmiert an der Getreidegasse. Sie wurde 1903 gegründet und hat seitdem schon so manche Aufführung im Festspielhaus gerettet. Denn nicht selten passiert es bei der Generalprobe, dass ein Griff abbricht oder Rüschen aufgefetzt werden. Dann muss Seniorchef Alois Kirchtag aushelfen. Doch hochwertige Schirme liegen auch abseits des Kulturbetriebs im Trend: Wer auf sich hält, bevorzugt Griffe aus Kastanie, Ahorn, Weißbuche oder Rosenholz. Kirchtag beschäftigt eine eigene Schneidermeisterin, Juniorchef Andreas hat als Zulieferer eine norditalienische Weberei gefunden, die imprägnierten Krawattenstoff zum Überziehen der Gestänge liefert.

Rupert Weiss fertigt als Handweber aus alten Stoffen neue, pfiffige Kreationen. Selbst das Nobelhotel Goldener Hirsch, in dem die Festspiel-Society absteigt, hat seine Fleckerlteppiche. Kaum einer der Gäste weiß, dass sie aus Tischdecken und den rosa Dirndlschürzen der Kellnerinnen gemacht sind, die so abgenutzt waren, dass man sie zu nichts mehr gebrauchen konnte. Als ein neuer Direktor im Goldenen Hirschen das Gefleckerl nicht mehr standesgemäß fand, hagelte es Beschwerden. Und Rupert Weiss hatte wieder viel zu tun.

Ob Mozart sich in der alten Hofapotheke etwas gegen seinen Kater besorgte, wenn er zu tief ins Glas geschaut hatte, ist eigentlich nicht bekannt. Aber durchaus denkbar, denn die Apotheke mit dem Zusatz "f.e." im Namen wurde 1591 gegründet. Das Kürzel steht für "fürsterzbischöflich", fromme Herren hatten in Salzburg lange das Sagen. Der Hofapotheker musste täglich beim Fürsterzbischof buckeln, und wenn der auf Reisen ging, war er mit seinem Medikamentenköfferchen dabei. Die Hofapotheke mit der letzten Einrichtung, Rokoko-Interieur aus dem 18. Jahrhundert, ist ein Museum, verkauft aber ganz neumodisch Aspirin mit Vitamin C. Doch im hauseigenen Labor etwa wird noch Spanischer Kräutertee hergestellt, der schon im Mittelalter gut war gegen alles, was schlecht ist, vom Sodbrennen bis zur Grippe.

Immer herein, Herrschaften!

Vor dem Mozarthaus Schlange stehen, danach Mozartkugeln kaufen bei Norbert Fürst – das ist das Programm vieler Salzburg- Besucher. Dass Fürsts Urgroßvater sich die Nascherei – ein Kern aus Pistazienmarzipan, mit feinem Nougat umhüllt – 1890 nicht patentieren ließ, nimmt er ihm noch ein wenig übel. Der Urenkel lässt zwar eine Million Kugeln pro Jahr rollen, aber es könnten 100 Millionen sein, hätte er das Patent. So verdienen viele Trittbrettfahrer mit. Norbert Fürst hat aber vor Gericht durchgepaukt, das nur er "Original Mozartkugeln" verkaufen darf. Das versöhnt ihn mit dem schnauzbärtigen Ahnen, dessen Bild noch heute im Laden bei ihm hängt.

Bei Mora war Georg Trakl Stammkunde. Der tragische Dichter sah die Fassade und die über hundert Jahre alte Holzverkleidung genauso, wie wir sie heute sehen. Wie früher wird hier dem guten Buch gehuldigt – es gibt weder Bestsellerstapel mit schnellem Verfallsdatum neben der Kasse noch Dudelmusik oder kaltes Neonlicht. Eigentümer Harald Ronacher setzt auf anspruchsvolle Literatur, organisiert Lesungen und Buchpräsentationen. Und wie sich das für einen Buchladen mit Tradition gehört, dürfen die Kunden in ihren Lederfauteuils so lange schmökern, wie es ihnen gefällt.

Von der Musik zum Buch: Das Musikhaus Katholnigg ging 1923 aus einer Klavierbauerfirma hervor. Herbert von Karajan hat sich hier über die Konkurrenz informiert, Weltstars wie Mirella Freni, Giuseppe di Stefano und andere hinterließen Bilder mit Autogramm. Das Geschäft im Festspielbezirk ist abonniert auf klassische Musik, nur Jazz ist noch zugelassen. Wer eine ganz bestimmte Aufnahme sucht, etwa von einer Premiere mit Solti, ist hier richtig. Fast immer kann geholfen werden, denn Chefin Astrid Rothauer unterhält nahezu konspirative Verbindungen zum Schallplatten- und CD-Vertrieb weltweit. Sie ist eine Expertin für Experten.

Mancher Käse hat Löcher. Dieses Fachgeschäft ist ein Löchl, das Kaslöchl – sieben Quadratmeter klein. Es wurde 1892 eröffnet, höchstens vier Kunden passen hinein, mehr als hundert Jahre hatten die nur die Wahl zwischen drei Käsesorten. 1997 kam Barbara Soukup aus Hamburg und stockte das Angebot auf. Sie ist durch Österreichs Alpen gefahren und hat sich ein Netzwerk erstklassiger bäuerlicher Zulieferer aufgebaut. Dazu Verbindungen nach Frankreich und in mediterrane Länder. Die Zugereiste hat Einheimische und internationale Kenner mit ihrem schier unfassbar großem Angebot und ihrem Fachwissen verblüfft. Manchmal kommt Salzburger Tradition eben auch aus dem hohen Norden.

Info: Einkaufen: Sporer Spirituosenhandel, Getreidegasse 39; Schirmhandel Kirchtag, Getreidegasse 22; Handweberei Rupert Weiss, Getreidegasse 18A; Alte f.e. Hofapotheke, Alter Markt 6; Fürst, Brodgasse 13; Buchhandlung Mora, Residenzplatz 2; Musikhaus Katholnigg, Sigmund-Haffner-Gasse 16; Kaslöchl, Hagenauerplatz 2.

Reiseliteratur: Weitere Geschäfte stellen Ernestine Stadler und Frank Taubenheim in ihrem Text-Bild-Band "Alles außer gewöhnlich. Über Leute und ihre Läden in Salzburg" vor, Residenz Verlag, Salzburg, 25 Euro.

Allgemeine Auskunft: Salzburg-Information, Tel. 00 43/6 62/88 98 70, http://www.salzburginfo.at.