Über der Südumfahrung Weil der Stadt ist das Gleis nach Calw gekappt Foto: Thomas Wagner

Der Ärger über den Landkreis Calw ebbt nicht ab. Im regionalen Planungsausschuss gibt es nun Kritik daran, dass das offizielle Planverfahren für die Reaktivierung der Schienenverbindung Calw–Weil der Stadt gestartet wurde, ohne dass die Zukunft der S 6 geklärt ist.

Stuttgart - Es ist Bewegung in den Schienenprojekten im Kreis Böblingen: Das Landesverkehrsministerium hat am Dienstag mitgeteilt, sowohl die 82 Millionen Euro teure Elektrifizierung der Schönbuchbahn Böblingen-Dettenhausen (Kreis Tübingen) mit 37,5 Millionen Euro zu unterstützen, als auch etwas für die Hermann-Hesse-Bahn Calw-Renningen übrig zu haben.

Mit 50 Prozent will sich Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) an dem rund 50 Millionen Euro teuren Schienenanschluss des Schwarzwaldkreises an die Region Stuttgart beteiligen. „Mit dieser Finanzierungszusage bringen wir ein weiteres wichtiges Projekt aufs Gleis“, sagte Hermann nach einem Gespräch mit den Landräten Roland Bernhard (Böblingen, parteilos) und Helmut Riegger (Calw, CDU) am Dienstagabend in Stuttgart. Die Schönbuchbahn nutzen täglich etwa 8000 Fahrgäste, auf der Hermann-Hesse-Bahn werden 2800 erwartet.

Im Planungsausschuss der Regionalversammlung regte sich am Mittwochnachmittag noch in Unkenntnis der Mitteilung des Ministeriums erneut Unmut darüber, dass Riegger die Reaktivierung des 1988 stillgelegten Teilstücks Calw–Weil der Stadt der Schwarzwaldbahn hinter verschlossenen Türen vorantreiben würde. Abgesehen von Hermanns Grünen sorgte sich die Runde einmütig um den Betrieb der S 6. „Bisher liegt kein Nachweis vor, dass der Verkehr betrieblich funktioniert“, sagte Regionaldirektorin Nicola Schelling, „der Betrieb der S-Bahn darf aber nicht beeinträchtigt werden.“

Ein Kritikpunkt, der auch schon aus den Rathäusern von Weil der Stadt und Renningen zu hören war: Das Landratsamt Calw behaupte zwar, dass nach einem entscheidenden Gutachten nur ein Betrieb zwischen Calw und dem S-60-Startpunkt Renningen (Kreis Böblingen) rentabel sei. Nur für diese Strecke stünden den Investitionskosten so viele Fahrgäste gegenüber, dass sich das Land an dem Bau beteiligen würde.

Dies bedeutet jedoch, dass die Calwer die Strecke nicht mehr – wie jahrelang vorgesehen – bis zur S 6-Endstation Weil der Stadt planen, sondern über Malmsheim weiter bis Renningen führen wollen. Die 570 Fahrgäste, die angeblich von hier aus weiter in Richtung Daimler in Sindelfingen und Böblingen wollen, sind nach Angaben des Calwer Verkehrsplaners Michael Stierle ausschlaggebend für die Förderwürdigkeit des Projekts.

Der Holzgerlinger Bürgermeister und Freie-Wähler-Regionalrat Wilfried Dölker zog diese Zahl im Planungsausschuss in Zweifel: „Die fahren doch mit Daimler-Bussen bis vor das jeweilige Werkstor“, sagte Dölker, „warum sollen die mit der Hesse-Bahn fahren, einmal umsteigen mit 250 Meter Weg und dann von der S-Bahn noch mal zweieinhalb Kilometer durchs Werk laufen? Das halten wir für reichlich optimistisch.“ Gegen eine Verlängerung der Hesse-Bahn über Weil der Stadt hinaus hegten seine Freien Wähler „erhebliche Bedenken“.

Zumal das Landratsamt keinen Einblick in das Gutachten gewährt, so lange es nicht vom Landesverkehrsministerium geprüft wurde. Das soll nach Angaben von Landrat Riegger Anfang des kommenden Jahres abgeschlossen sein.

Nicht nur die Freien Wähler, sondern auch SPD, Linke und die Verbandsverwaltung befürchten, dass der Parallelbetrieb von Hermann-Hesse-Bahn und S 6 die ohnehin angespannte Situation bei der S-Bahn zusätzlich stören könnte – zumal es zwischen Weil der Stadt und Renningen einen 2,5 Kilometer langen Abschnitt mit nur einem Gleis gibt. Die sich weiter verschärfende Situation, so ist immer wieder zu hören, könne sich auf das komplette S-Bahn-System auswirken. Allerdings hat die Bahntochter DB Netz der Hesse-Bahn in einer Art Stresstest inzwischen bescheinigt, dass der geplante Betrieb mit einem 30-Minuten-Takt an Werktagen und einem Stundentakt nach 20 Uhr und am Wochenende die S 6 voraussichtlich nicht stören werde. Aber auch diese Daten liegen dem Regionalverband nicht vor.

Weiteren Unmut brachte in die Runde, dass das zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe kürzlich das offizielle Planverfahren für einen Teilabschnitt bei Ostelsheim mit einem 498 Meter langen neuen Tunnel bei Weil der Stadt-Schafhausen im Kreis Böblingen gestartet hat. „Eigentlich sollte die Planung erst konkretisiert werden, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen“, sagte Regionaldirektorin Schelling. Sie hält es für „besonders ärgerlich“, dass das Planverfahren nicht für die ganze Strecke gelte, sondern in sechs Teile zerstückelt werde.

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