Wolodymyr Selenksyj und Olaf Scholz bei einem Treffen in Kiew Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nach Aussage von Kanzler Scholz soll die Unterstützung für die Ukraine weiterlaufen – zur Not durch mehr Schulden.

Es war eine der großen Fragen im Haushaltsstreit der Bundesregierung: Droht die Hilfe für die Ukraine zu versiegen? Gerade jetzt, wo sich die Lage auf dem Schlachtfeld zugunsten Russlands zu drehen scheint? Seit Mittwochmittag ist klar: Die Bundesregierung will die Ukraine weiter unterstützen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprach er der Ukraine sogar eine Art Rückversicherung aus.

„Sollte sich die Situation durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärfen, werden wir darauf reagieren müssen“, sagte Scholz. Um vorbereitet zu sein, habe man zwischen den Ampel-Parteien bereits vereinbart, die Sonderregel der Schuldenbremse zu nutzen.

Das heißt im Klartext: Um die Ukraine zu unterstützen, würde man neue Schulden machen. Dazu müsste man gemäß dem Grundgesetz eine Notlage erklären. Die Stimmen der Koalition reichen dafür aber aus.

Nervöser Blick nach Washington

Scholz nannte drei mögliche Szenarien, in denen es dazu kommen könnte. Erstens, die Lage auf dem Schlachtfeld. Tatsächlich gilt die Offensive der ukrainischen Armee als gescheitert. An vielen Teilen der Front hat Russland die Initiative und greift an. Als weitere Möglichkeit nannte Scholz das Szenario, falls sich andere Partner zurückziehen. So hatte etwa die Slowakei nach einem Regierungswechsel seine Militärhilfen an die Ukraine gestoppt.

Besonders nervös blickt man derzeit nach Washington. Die USA sind größter Unterstützer der Ukraine, doch Regierung und Opposition können sich nicht über die Freigabe weiterer Hilfen einigen. Als dritte Option nannte Scholz, wenn die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunehme.

„Mit dieser Zusage hat Scholz der Ukraine einen riesigen Scheck ausgestellt. Im Ernstfall muss sich beweisen, ob er auch gedeckt ist“, sagte Sicherheitsexperte Christian Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), unserer Zeitung. Er halte aber die drei von Scholz genannten Szenarien für realistisch.

Mölling hält es zudem für denkbar, dass Scholz schon sehr bald eine Notlage erklären muss. „Werden sich Demokraten und Republikaner im US-Kongress nicht einig, entsteht eine große Lücke bei der Ukraine-Unterstützung. Denn die bislang genehmigten Mittel sind bis Jahresende aufgebraucht und dann bekommt die Ukraine ein Problem.“

CDU spricht von „Trickserei“

Innerhalb der Koalition gibt es unterschiedliche Meinungen zur Notlage. Mancher sagt, die eingeplanten acht Milliarden Euro reichen für 2024 aus. Bei den Grünen im Bundestag wäre man schon jetzt bereit, die Hilfe für die Ukraine mit mehr Schulden zu finanzieren. „Die Lage würde es meiner Meinung nach schon jetzt möglich machen“, sagte ein Mitglied der Bundestagsfraktion. „Man sieht doch jetzt schon, wie stark Russland sich aufstellt und welche Konsequenzen das für uns in Europa hätte, würde Russland gegen die Ukraine erfolgreich sein.“

Die Opposition kritisierte dagegen die Pläne des Bundeskanzlers. Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) sprach mit Blick auf eine mögliche Notlage von „finanzpolitischer Trickserei“. Im Bundestag sagte er: „Diesen Trick lassen wir Ihnen nicht durchgehen.“