Andreas Brand, seit 2009 parteiloser Oberbürgermeister von Friedrichshafen, erklärt im Gemeinderat seinen vorzeitigen Abschied. Eine Begründung bleibt er zunächst schuldig.
Schon länger wird in der Bodenseestadt Friedrichshafen kräftig über den Posten des Oberbürgermeisters spekuliert. Würde Amtsinhaber Andreas Brand, als parteiloser Kommunalpolitiker 2009 erstmals ins Rathaus gewählt, eine dritte Amtszeit anstreben? Oder würde er es gut sein lassen ab März nächsten Jahres, wenn seine Legislatur endet?
Seit Montag steht fest: Es kommt zu keiner dieser Konstellationen. In einer turnusmäßigen Sitzung des Gemeinderats überraschte der 59-Jährige mit der Ankündigung seines vorzeitigen Abschieds. In einer persönlichen Erklärung sagte Brand: „Unsere Entscheidung, die meiner Familie und mir, ist gereift, vorbereitet und getroffen. Es ist keine spontane Entscheidung, vielmehr wohlüberlegt.“ Den Tübinger Regierungspräsidenten Klaus Tappeser habe er bereits um die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand zum 31. Oktober dieses Jahres gebeten. „Er wird meinem Antrag entsprechen“, so Brand. Der OB wird dann 60 Jahre alt sein.
Turbulenzen am städtischen Klinikum
Eine Begründung für den vorzeitigen Abschied liefert Brand damit nicht. Die Verkündung seiner Entscheidung fällt zeitlich jedoch mit schweren Turbulenzen am städtischen Klinikum zusammen, dessen Aufsichtsratsvorsitzender er ist. Die Vorwürfe gegen fünf Mediziner reichen vom Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung bis zum Anfangsverdacht des Abrechnungsbetrugs. Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch den Suizid einer Oberärztin, die auf die mutmaßlichen Missstände hingewiesen hatte. Die Klinik ist zudem hochdefizitär.
Der Posten des Oberbürgermeisters von Friedrichshafen gilt landesweit als besonders wichtig, weil jeder Rathauschef per Amt zugleich über die Geschicke der Zeppelin-Industrie am Bodensee mitbestimmt, eine der größten Industriestiftungen Deutschlands. Die Stadt ist nach dem Willen des Luftschifferfinders Ferdinand Graf Zeppelin Hüterin und mehrheitliche Nutznießerin der Zeppelin-Stiftung. Sie bezieht ihr Vermögen aus Dividendenerträgen vor allem des Autozulieferers ZF AG mit seinen Zehntausenden Mitarbeitern, außerdem des ebenfalls international agierenden Baumaschinenherstellers Zeppelin. Brand ist Vorsitzender des Stiftungsrats und vertritt in den Aufsichtsräten der Unternehmen jeweils die Eigentümerseite.
Stadt profitiert von Geld aus der Zeppelin-Stiftung
Unter Brands Ägide hat die Stadt ihre Stiftungseinnahmen stark erhöht. Wichtigste Neuerung war die Kopplung der Dividendenerträge an den Gewinn der Industrieunternehmen, 2017 beschlossen in den Haupt- und Gesellschaftsversammlungen der Unternehmen. Zuvor waren die Erträge ans Stammkapital der Großfirmen gebunden. Dadurch haben sich die Einnahmen der Stadt in etwas verdreifacht, in Spitzenjahren auf annähernd 200 Millionen Euro.
Mit dem Geld finanziert die Stadt, der Satzung gemäß, Sozial- und Kulturausgaben: Kranken- und Pflegeeinrichtungen, Museen, Bäder oder Kindergärten. So bleibt der Stadt Geld, um den Friedrichshafener Flughafen oder das Messegelände mit Zuschüssen zu alimentieren. Allerdings sind sowohl Messe als auch der Flughafen durch die Coronakrise und den wirtschaftlichen Strukturwandel zuletzt immer tiefer in die roten Zahlen gerutscht, der Zuschussbedarf an Steuergeldern wuchs.
Und auch die Dividenden des mit annähernd elf Milliarden Euro verschuldeten Autozulieferers ZF, der mitten in der Transformation zur Elektromobilität steckt, drohen mittelfristig stark zu schmelzen. Der Konzern baut deutschlandweit aktuell Tausende Stellen ab, die Unruhe unter den Beschäftigten ist groß.
Im Juni endet die Wahlperiode des Friedrichshafener Gemeinderats, 40 neue Ratsmitglieder sind dann zu wählen. Das will Brand nach eigenem Bekunden noch aktiv miterleben. „Ich war und bin unverändert mit großer Leidenschaft Oberbürgermeister“, sagte er am Montag.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Artikels hatte es geheißen, unter Brands Ägide sei die Stiftungssatzung wiederholt geändert worden. Dies ist nicht richtig. Deshalb ist die Passage nun korrigiert.