Schmuckstück: zeremonielle Maske aus dem 16. Jahrhundert. Sie kehrt in Kürze von Stuttgart nach Nigeria zurück. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Letzte Chance, eines der bedeutendsten Ausstellungsstücke des Linden-Museums in Stuttgart zu sehen. Ein Museumsbesuch lohnt sich jedoch auch aus einem anderen Grund. Es geht um ein besseres Verständnis von Afrika, meint Jan Sellner.

Was tun am Wochenende? Wohin in Stuttgart? Empfehlungen sind zwecklos. Oder zumindest ungerecht – wo die Stadt vor Weihnachten doch eine Ansammlung von Angeboten ist: Aufführungen, Ausstellungen, Konzerte, Märkte und nun auch der Weltweihnachtscircus! Sehenswert ist fast alles, wie Stuttgart überhaupt mehr Ansehnliches als Unansehnliches bietet – was man nicht von jeder Stadt behaupten kann.

 

Die Auswahl fällt einem schwer. Und doch sei aktuell ein besonderer Ort in der Stadt herausgehoben: das Linden-Museum am Hegelplatz. Ausgewählt deshalb, weil es dort noch etwas zu sehen gibt, dass nicht wiederkommt. Dieses Etwas ist eine mehr als 400 Jahre alte, etwa handgroße Maske aus Koralle, Glas und Elfenbein, ein Prunkstück der sogenannten Benin-Bronzen, über deren Rückgabe lange verhandelt wurde. Die Betonung liegt „auf noch zu sehen“, weil die Rückgabe dieser Maske unmittelbar bevorsteht. Darüber wird in den nächsten Tagen viel zu lesen und zu hören sein. Für jetzt soll der Hinweis genügen, dass das kostbare Stück noch genau drei Tage lang – Samstag, Sonntag und am Dienstag – im Linden-Museum betrachtet werden kann, ehe es aus der Vitrine genommen, verpackt und von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zurück nach Nigeria gebracht wird.

Das Linden-Museum leistet vorbildliche Entwicklungsarbeit

Viele Augen richten sich in dem Zusammenhang auf Stuttgart. Wünschenswert wäre es, dass sich nochmals viele Stuttgarter Augen auf die Maske richten, die 58 Jahre lang im Linden-Museum beherbergt war. Und das nicht nur, weil es sich dabei um eine künstlerisch herausragende Arbeit handelt, deren Bedeutung der Laie nur erahnen kann, sondern weil sich ausgehend von der Maske ein besseres Verständnis für den afrikanischen Kontinent entstehen kann. Das wäre dringend notwendig, denn in dieser Hinsicht ist Deutschland ein Entwicklungsland.

Das Linden-Museum leistet hier vorbildliche Aufklärungsarbeit. Wer das Staatliche Museum für Völkerkunde besucht, entdeckt dort auch neue Perspektiven auf Afrika. „Die Stimme dieses Kontinents wurde nicht gehört“, ist in der Ausstellung zu lesen. Stattdessen wurde viel und vorurteilsbeladen „über Afrika“ geredet. Das ändert sich gerade, wie die Geschichte jener kleinen Maske zeigt. Sie hat sich von einer Geschichte des kolonialen Raubs und der kulturellen Ignoranz zu einer Geschichte des hoffnungsvollen Dialogs mit Vertretern Afrikas entwickelt – im Linden-Museum ist das eindrucksvoll zu besichtigen.