Eine Archäologin legt die menschlichen Überreste in einem der bisher größten in Deutschland entdeckten Pestgräber in Nürnberg frei. Die Skelette wurden bei Bauarbeiten auf der Baustelle für ein neues Altenheim entdeckt. Foto: dpa/Daniel Löb

Die Pest ist Inbegriff ansteckender, todbringender Krankheiten. Durch das Bakterium Yersenia pestis ausgelöste Pandemien rafften in der Geschichte Millionen Menschen dahin. In Nürnberg haben Archäologen den größten Pestfriedhofs Europas entdeckt.

Die Knochen vieler Hundert Pestopfer legen Fachleute aktuell in Nürnberg frei. Bei dem Fundort handelt es sich nach Ansicht von Stadtarchäologin Melanie Langbein um den größten Pestfriedhof Deutschlands – möglicherweise sogar Europas. Verursacht wird die Pest vom Bakterium Yersinia pestis, das vor allem über Insekten wie Flöhe verbreitet wird.

Die Ausgrabung habe einen hohen wissenschaftlichen Wert, sagte Langbein am Dienstag (20. Februar). Diese könnte wichtige Erkenntnisse über die Entwicklung der Pest bringen. Eine Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig sei bereits in Aussicht.

Acht Massengräber mit Pesttoten

Bei dem Fundort handelt es sich um den größten Pestfriedhof Deutschlands – möglicherweise sogar Europas. Foto: dpa/Daniel Löb
Die Mensch starben wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Foto: dpa/Daniel Löb
Rund 800 Tote sind bisher dokumentiert. Foto: dpa/Daniel Löb
1632/33 hatte es in Nürnberg eine große Pestwelle mit 15 000 bis 25 000Toten gegeben Foto: dpa/Daniel Löb

Die Fachleute gehen davon aus, dass sich etwa acht Massengräber auf dem Gelände befinden. Eine Grabungsfirma arbeitet gerade an dem Dritten davon. Etwa 800 Tote seien bisher dokumentiert, erläuterte der Grabungsleiter Florian Melzer. Laut den Hochrechnungen könnten weit über Tausend Tote dort bestattet sein.

Diese starben Langbein zufolge wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Nürnberg hatte um 1620 rund 50 000 Einwohner. Zwischen 1632 und 1634 habe es in Nürnberg eine große Pestwelle mit 15 000 bis 25 000 Toten gegeben, sagte die Stadtarchäologin. Erste Hinweise auf die Gräber hatten Erkundungsarbeiten im vergangenen August ergeben.

„Dass es diese Ausmaße annimmt, hat uns auch überrascht“, erklärte Langbein. Auf dem rund 5900 Quadratmeter großen Grundstück sollen ein Pflegeheim und Wohnungen für Seniorinnen und Senioren entstehen.

Skelette liegen in mehreren Schichten übereinander

Die archäologischen Grabungen gestalten sich nach Angaben der Fachleute kompliziert. Die Knochen seien sehr fragil, sagte Melzer. Zudem liegen die Toten in den Gräbern in vielen Schichten übereinander. Ein Teil der Skelette sei beschädigt, weil auf dem Grundstück im Zweiten Weltkrieg eine Bombe eingeschlagen sei.

Insgesamt seien die Toten aber verhältnismäßig gut erhalten, so Langbein. Darunter seien Kinder, alte Menschen, Frauen und Männer – also ein Querschnitt der damaligen Bevölkerung. Teilweise seien Überreste von Kleidung wie Knöpfe, Ösen, Haken erhalten. Manche der Toten wurden laut Melzer in Leichentüchern ins Grab gebettet, andere scheinen hineingeworfen worden zu sein.

Vor den Fachleuten liegt nun noch viel Forschungsarbeit, wie Langbein betonte. Es gebe auch Hinweise darauf, dass auf dem Gelände ebenfalls Tote einer Cholera-Epidemie im 19. Jahrhundert liegen. „Unter Umständen haben wir nicht nur Pest, sondern Pest und Cholera.“

Geißel der Menschheit

Durch das Bakterium Yersenia pestis ausgelöste Pandemien rafften Millionen Menschen dahin. Foto: Imago/UIG

Die Pest ist Inbegriff ansteckender, todbringender Krankheiten. Durch das Bakterium Yersenia pestis ausgelöste Pandemien rafften Millionen Menschen dahin. Daneben gab es in der Spätantike, im Mittelalter und in der Neuzeit immer wieder regionale Pest-Epidemien – auch in Süddeutschland.

Historiker unterscheiden drei große weltweite Pest-Pandemien:

  • die Justinianische Pest mit der ersten Welle in den Jahren 541 bis 544, auf die bis Mitte des 8. Jahrhunderts mehr als ein Dutzend weitere Wellen in Europa und im Mittelmeerraum folgten.
  • der Schwarze Tod, der Europa, Vorderasien und Nordafrika im 14. Jahrhundert heimsuchte.
  • die Dritte Pandemie, die ab Ende des 19. Jahrhunderts in Süd- und Ostasien wütete und sich auch nach Madagaskar und Lateinamerika ausbreitete.

Pestausbruch in Ellwangen im 14. Jahrhundert

Der Schwarze Tod hält Einzug in ein Haus. Foto: Imago/UIG

Als Arbeiter im Jahr 2013 begannen, den Marktplatz von Ellwangen umzubauen, stießen sie auf etliche Skelette. Mitten in der Stadt im Osten Baden-Württembergs tauchte ein Massengrab auf, in dem um die Mitte des 16. Jahrhunderts mehr als hundert Menschen bestattet worden waren.

Die Menschen waren dem Schwarzen Tod zum Opfer gefallen, die seit Mitte des 14. Jahrhunderts in Europa wütete. Das Massengrab unter dem Marktplatz von Ellwangen liefert so einen wichtigen Eckstein zur Geschichte dieser Seuche.

Schwarzer Tod raffte Bevölkerung dahin

Die extreme Sterblichkeitsrate durch die großen Pestepidemien im 14. und 15. Jahrhundert führte zu verheerenden Bevölkerungsverlusten. Foto: Imago/UIG

Auch in den Jahrhunderten danach flackerten immer wieder Pestepidemien auf, die allerdings deutlich glimpflicher verliefen, weil die Menschen sich an den Erreger gewöhnt hatten und lernten, die Gefahr zu meistern. Besonders betroffen aber waren fast immer Hafenstädte und Ballungsgebiete.

Die extreme Sterblichkeitsrate durch die großen Pestepidemien im 14. und 15. Jahrhundert führte auch in Süddeutschland zu verheerenden Bevölkerungsverlusten. So wurde die Bevölkerung in Württemberg und der Pfalz bis zu 50 Prozent dezimiert. In Bayern, Schwaben und Franken starben zwischen 30 und 50 Prozent der Bewohner.

Eine Epidemie folgt der nächsten

Über Jahrhunderte folgte in Europa eine Epidemie der nächsten. Foto: Imago/UIG

Doch war es wirklich immer die durch das Bakterium Yersinia pestis ausgelöste Infektionskrankheit? Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit grassierte mehr als eine Seuche. Ruhr, Infektionen der Atmungsorgane, Tuberkulose, Typhus, Grippe, Masern, Pocken, Cholera, Lepra: Eine Epidemie folgte über Jahrhunderte in Europa der nächsten. Um welchen Erreger es sich konkret handelte, lässt sich heute – auch aufgrund der oft mageren Quellenlage – kaum noch rekonstruieren.

Vor allem in Kriegszeiten wie während des Dreißigjährigen Krieges 1618 bis 1648 wüteten Pest und Fleckfieber – auch Kriegspest genannt. Erreger der durch Läuse und Flöhe übertragenen Infektion sind Bakterien der Gattung Ricketttsien.

1633 bis 1635 gehören zu den schlimmsten Pestjahren in der deutschen Geschichte. So starben nach der Schlacht von Nördlingen im August 1643 Tausende an der Pest.