Aktuell sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland rechtswidrig, aber straffrei – unter bestimmten Bedingungen. Foto: imago images //Ute Grabowsky/photothek.net

Ist es richtig, dass Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch stehen – und somit eigentlich rechtswidrig sind? Darüber soll eine Kommission beraten. Wer mitredet, worum es geht und was zu erwarten ist.

Bis weit nach Mitternacht stritten die Abgeordneten im April 1974 über Paragraf 218 im Strafgesetzbuch – den Abschnitt, der Schwangerschaftsabbrüche für rechtswidrig erklärt. Mehrmals mahnt Bundestagspräsidentin Annemarie Renger zur Ruhe. „Wir sind hier doch nicht auf der Reeperbahn“, empört sich ein Abgeordneter.

Knapp 50 Jahre später debattiert die Bundesregierung erneut, warum Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch stehen. Ein Dauerbrenner: Zweimal landete das Thema beim Bundesverfassungsgericht, das sowohl 1975 als auch 1993 entschied, dass das Grundgesetz auch ungeborenes Leben schütze. Es blieb dabei, dass der Eingriff unter bestimmten Umständen straffrei, aber rechtswidrig ist. Die Ampelregierung will den Paragrafen nun erneut prüfen lassen.

Zwölf Monate Zeit

Dieses Mal soll es ohne hitzige Debatte gehen. Im Koalitionsvertrag hat die Ampel festgehalten, dass sie eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin einsetzen will, um die Gesetzeslage zu prüfen. Das Gremium traf sich erstmals Ende März und wird sich in den kommenden zwölf Monaten beraten.

Ob Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden können, ist eines der Themen der Kommission. Das andere ist die Frage, ob Eizellspenden und altruistische Leihmutterschaften legalisiert werden sollen. Denn das ist derzeit in Deutschland verboten.

Ziemlich viele Juristinnen

15 Frauen und drei Männer sitzen in der Kommission. Die Hälfte dieser Experten sind Juristinnen, darunter die Verfassungsrechtlerin Paulina Starski und die Strafrechtlerin Bettina Weißer. Die übrigen sind Fachleute aus Medizin, Ethik, Psychologie und Soziologie – etwa die Biologin Sigrid Graumann, die aktuell dem Ethikrat angehört, oder die Gesundheitswissenschaftlerin Daphne Hahn. Kirchen sind nicht vertreten. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, beklagte vor einigen Wochen eine Polarisierung der Debatte. Ein Sprecher der DBK äußerte sich auf Anfrage dieser Zeitung eher zurückhaltend: „Die Kommission hat die Möglichkeit, weitere Expertinnen und Experten hinzuzuziehen und Anhörungen durchzuführen.“ Offenbar hofft die katholische Kirche, wenigstens auf diesem Weg einbezogen zu werden.

„Nicht klar, wozu es diese Kommission braucht“

Skeptischer zeigt sich der Verein Doctors For Choice Germany, der sich für reproduktive Selbstbestimmung und die Abschaffung von Paragraf 218 einsetzt. „Mir ist nicht klar, wozu es diese Kommission eigentlich braucht“, sagte Vorstandsmitglied Christiane Tennhardt dieser Zeitung. Deutschland habe sich in internationalen Abkommen verpflichtet, Schwangerschaftsabbrüche leicht zugänglich zu machen, so die Gynäkologin. Es sei klar, dass Paragraf 218 gestrichen werden müsse. „Meine Sorge ist, dass zwar ein Jahr lang beraten wird, aber nichts passiert“, sagte Tennhardt.

Auffällig unauffällig hat das Gremium zusammengefunden: Zwar gab es zur Konstituierung eine Pressemitteilung. Eine öffentliche Auftaktveranstaltung gab es aber nicht. Die meisten Kommissionsmitglieder wollen sich derzeit auch nicht äußern. In Hintergrundgesprächen aber ist zu hören, wie wichtig den Beteiligten ist, sich sachlich zu beraten. Dabei sei es ratsam, unter sich zu bleiben, so eine Teilnehmerin.

Ausgang: offen

Unter den Rechtswissenschaftlerinnen sind Mitglieder des feministischen Deutschen Juristinnenbundes, der dafür ist, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuches zu regeln. Sollten die Kommissionsmitglieder zu einer Legalisierung raten, müssten sie eine rechtssichere Neuregelung finden, was schwer werden dürfte. Ob die Regierung der Empfehlung auch folgt, ist nicht ausgemacht. Die Koalition hat bislang keine einheitliche Position.