Julia Gámez Martin (links) und Ariane Müller (Mitte) von „Suchtpotenzial“ sind beim Kleinkunst-Adventskalender mit dabei. Foto: z

Mit einem Kleinkunst-Adventskalender erprobt Fabian D. Schwarz neue Auftrittskonzepte. Mit dabei: Suchtpotenzial.

Remseck/Kornwestheim - Es ist ein überaus hartes Jahr für Musiker und Schauspieler, für Kabarettisten und überhaupt für Kulturschaffende fast jeder Art. Zum Glück sind Bühnenkünstler meistens ziemlich kreative Menschen und daher kommen, je länger die Corona-Pandemie dauert, immer mehr Ideen und Konzepte zum Vorschein nach dem Motto: Wenn die Menschen nicht mehr zur Kunst kommen, kommt die Kunst eben zu den Menschen. Es hilft, per Stream, Zoom, Twitch, Social Media und Co. – das Internet.

Ein Corona-Online-Kunst-Projekt hat nun auch Fabian D. Schwarz gestartet. Schwarz stammt aus Remseck, als Moderator, Kabarettist und früherer Betreiber der Kleinkunstbühne Casino an der Aldinger Straße ist er aber auch den Kornwestheimern bestens bekannt. Schwarz hat einen Online-Kleinkunst-Adventskalender ersonnen und organisiert.

Das Konzept: Vom 1. bis zum 24. Dezember treten – genutzt wird die Plattform Clickmeeting – verschiedene Künstler und Künstlerinnen vor die Kamera, immer abends um 19.30 Uhr. Vor allem Bands, Musiker und Musikerinnen sowie Kabarettisten hat Schwarz gewinnen können, er ist hier deutschlandweit gut vernetzt. Die Namen der Acts sind bekannt, was sie genau vorführen und an welchem Datum sie hinter den Türen des Adventskalenders auf die Zuschauer warten, das verrät Schwarz aber noch nicht. „Das ist eben Teil der Überraschung“, sagt er schmunzelnd. Die meisten Künstler und Künstlerinnen streamen auch wirklich live, einige interagieren gar mit dem Publikum daheim vor den Bildschirmen. „Wir haben ein schönes Line-Up zusammenbekommen“, sagt Schwarz, der die Auftritte anmoderiert. Mit dabei seien unter anderem Katie Freudenschuss, Dagmar Schönleber, Helge Thun, natürlich auch Veit Hübner, mit dem Schwarz früher das Casino gemeinsam betrieben hat.

Der Adventskalender ist kostenpflichtig, Interessierte müssen ein Ticket kaufen und erhalten dann Zugang zu den Aufführungen. Der Erlös wird zwischen den teilnehmenden Künstlern aufgeteilt. Ob sich das wirklich lohnen wird? Das hängt natürlich von der Anzahl der Zuschauer ab, weiß Schwarz.

Zu den bekannteren Künstlerinnen, die beim Kleinkunst-Adventskalender mit im Boot sind, gehört das Liedermacherinnen-Duo Suchtpotenzial – bestehend aus Ariane Müller und Julia Gámez Martin. Mit dem Song „Systemrelevant“ ist ihnen eine regelrechte kleine Corona-Hymne gelungen, die im Netz viel Anklang fand. „Wir verarbeiten unsere persönlichen Gedanken in Form von Songs. Natürlich können wir das nicht ohne ein Augenzwinkern und einen gewissen Galgenhumor, deshalb kommt das Lied wahrscheinlich so gut an“, sagt Julia Gámez Martin. Trotz der guten Abrufzahlen des Songs haben die beiden Musikerinnen an „Systemrelevant“ aber nur insofern verdient, als dass der SWR sie einige Male gebucht hatte, um den Song im TV oder Radio zu spielen.

Das zeigt dann auch einen Teil des Problems, die Einnahmen mittels Live-Auftritten fehlen selbst dann, wenn die Künstler im Netz gut wahrgenommen werden. „Es ist wirklich sehr hart“, beschreibt Ariane Müller die aktuelle Situation unter Musikern und Künstlern. „Viele kommen gerade an ihre Grenzen und niemand weiß, wie es weiter geht.“ Das sei das Schlimmste: „Man kann nichts planen und versucht irgendwie, die Zeit, bis es weitergeht, sinnvoll zu nutzen.“ Noch dazu hätten viele Künstlerinnen und Künstler eine „kreative Blockade“ – wegen der Existenzangst, hat sie beobachtet.

Den Kleinkunst-Adventskalender von Schwarz findet das Suchtpotenzial-Duo jedenfalls „toll“, wie Julia Gámez Martin betont. Ob solche Aktionen die Probleme lösen können, vor denen Künstler aktuell stehen? „Nein, das ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Müller. „Die Regierung muss aktiver werden und dafür sorgen, dass wir in einem Jahr noch eine blühende Kulturlandschaft haben, wie wir sie kennen und lieben.“ Aber: „Der Adventskalender ist ein solidarisches Projekt, das Zuschauern und Zuschauerinnen und den Künstlern und Künstlerinnen gleichsam hilft und ihnen Freude bereitet“, betont Julia Gámez Martin.

Und: „Vielleicht behalten wir den Kalender nach der Pandemie bei“, sagt Fabian D. Schwarz. Durchaus gut sei ja immerhin, dass die Pandemie dazu anrege, neue Konzepte auszuprobieren. Und für ihn sei die Aktion noch dazu ein Testballon für Online-Kabarettkurse und Humorseminare, die er gerne anbieten würde.