Frank Brettschneider soll die Kliniken und den Kreis beim Dialog mit den Bürgern beraten. Foto: dpa

Weil der Neubau in Winnenden nicht die erhoffte wirtschaftliche Entlastung gebracht hat, soll jetzt ein neues Medizinkonzept entwickelt werden. Der Kommunikationsexperte Frank Brettschneider soll die Öffentlichkeit einbinden.

Winnenden - Die Schließung der Krankenhäuser in Backnang und Waiblingen hat Gräben im Landkreis hinterlassen. Doch weil der Neubau in Winnenden nicht die versprochenen finanziellen Entlastungen generiert und sich in der Schorndorfer Klinik zudem offenbar ein erheblicher Sanierungsbedarf versteckt, stehen neuerliche Veränderungen an. Selbst die Schließung des eigentlich gesetzten Standorts Schorndorf ist ins Gespräch gebracht worden.

Der Landrat Richard Sigel will daher ein neues medizinisches Konzept erarbeiten lassen und setzt bei dessen Entwicklung erklärtermaßen auf einen „intensiven Bürgerdialog“. Professor Frank Brettschneider vom Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft der Universität Hohenheim soll dafür sorgen, dass sich das Volk nicht noch einmal unversehens vor vollendete Tatsachen gestellt fühlt.

Entscheidung obliegt dem Kreistag

Eins vorweg, sagt Frank Brettschneider auf Nachfrage: Die Entscheidung, wie der Landkreis seine Kliniken für die Zukunft aufstelle, obliege letztlich den gewählten Volksvertretern. Ein direktes Votum oder Vetorecht hätten die Bürger nicht. Gleichwohl sollten deren Anregungen und Wünsche in die Entscheidungsfindung einfließen. Seine Aufgabe sei es, einen Dialog herzustellen und den gesamten Prozess transparent zu gestalten. Dazu wiederum müsse noch ein entsprechendes Konzept erarbeitet werden.

Geplant sei, die Bürger noch in diesem Jahr zu einer Veranstaltung einzuladen, bei der sie ihre Kriterien für die künftige Entwicklung der medizinischen Versorgung im Kreis einbringen könnten. Möglicherweise werde die „Konsultation der Bürger als Experten“, die nicht nur einmal stattfinden werde, noch durch einer Befragung der Haushalte ergänzt. Parallel dazu sollen Kreis und Kliniken auf einer eigens eingerichteten Internetseite sowie über andere Kanäle fortwährend über den Stand der Entwicklungen berichten.

„Nur eine informierte Bürgerschaft ist auch eine kompetente Bürgerschaft, die Vertrauen in eine Medizinstrategie der Rems-Murr-Kliniken fassen kann“, sagt dazu der Landrat Richard Sigel. Brettschneider sagt, er habe bei verschiedenen ähnlich emotional aufgeladenen Projekten gute Erfahrungen mit der Vorgehensweise gemacht, etwa bei der Diskussion um den Bau einer Justizvollzugsanstalt in Rottweil oder den Klinikplänen auf dem Böblinger Flugfeldgelände.

Das Ziel ist eine gesellschaftlich tragbare Lösung

Voraussichtlich bis zum Ende des ersten Quartals des kommenden Jahres sollen im Fall der Rems-Murr-Kliniken verschiedene Varianten eines medizinischen Konzepts mit einer „ökonomischen Simulation“ unterfüttert werden. Sprich: Es soll genau beziffert werden, wie groß der Zuschussbedarf für den Landkreis voraussichtlich sein wird.

Am Ende sollen alle Varianten jedermann zugänglich zur Verfügung stehen. Das Ziel sei, eine gesellschaftlich tragbare Lösung zu erarbeiten, die letztlich eine möglichst breite Zustimmung erfährt. Nur eines dürfe man erfahrungsgemäß nicht erwarten: dass am Ende alle ohne Einschränkungen zufrieden sind.

Der Kommunikationsexperte Frank Brettschneider

Person
Der promovierte Politikwissenschaftler Frank Brettschneider ist seit zehn Jahren Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim. Zu den Arbeitsschwerpunkten des 51-Jährigen gehören die Kommunikation bei Großprojekten und die Wahlforschung. Der gebürtige Wiesbadener wohnt seit 1993 in Stuttgart.

Projekte
Im Auftrag des Klinikverbunds Südwest und der Kreisverwaltung Böblingen hat Brettschneider ein Kommunikationskonzept für die Planung eines Krankenhauses auf dem Flugfeldgelände erstellt. Es sieht vor, alle künftigen Nutzer – Patienten, Ärzte, Schwestern und anderes Personal – einzubinden. Auch in seiner aktuellen Forschung untersucht er die Kommunikation und die Meinungsbildung bei Bau- und Infrastrukturprojekten. Zudem ist er Vorsitzender des Richtlinienausschusses im Verein Deutscher Ingenieure (VDI), der Standards für die Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Planung und dem Bau von Infrastrukturprojekten regeln soll.