Wohin mit dem Atommüll? Ein Endlager wird gesucht. Foto: dpa/Uwe Anspach

Bei einer virtuellen Informationsveranstaltung zur Endlagersuche im Regierungsbezirk Freiburg äußern Bürger Bedenken: wegen Erdbeben, Grundwasservorkommen und alten Silberminen im Schwarzwald.

Freiburg - In sachlichem Tonfall und mit 200 beteiligten Bürgern ist am Dienstagabend eine Informationsveranstaltung der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und des Landesumweltministeriums im Regierungsbezirk Freiburg im Internet abgelaufen. Es war die erste auf eine Beteiligung der Mitbürger setzende Gesprächsrunde, die in allen vier Regierungsbezirken des Landes geplant und bundesweit in dieser Form einmalig ist. Moderiert von Manfred Loistl, Referatsleiter für Entsorgung im Ministerium, kamen rund drei Dutzend kritische Wortbeiträge und Fragen in einer Videokonferenz beziehungsweise über die Chat-Funktion – viele davon auf die Besonderheiten der Region abzielend. Rede und Antwort stand Steffen Kanitz, der BGE-Geschäftsführer, der selbst kein Geologe ist, aber nur in seltenen Fällen – etwa bei einer Frage nach einer detaillierten Beschreibung des kristallinen Wirtsgesteins (Granit) – auf die Homepage der BGE verwies.

 

Neun von zehn Landkreisen sind betroffen

Kanitz hatte erneut die Grundvoraussetzungen und Ausschlusskriterien für das vom Gesetzgeber gewollte Endlager in einer Tiefe von mindestens 300 Meter unter der Erde geschildert. Als sogenannte Teilgebiete des Regierungsbezirks Freiburg wären neun der zehn Landkreise als Standort möglich – ausgenommen ist nur der Landkreis Lörrach, der als Erdbebenzone der Stufe 2 gefährdet ist. Der Regierungsbezirk liegt damit im allgemeinen Trend des Landes Baden-Württemberg, wo von 44 Landkreisen 39 als Teilgebiet in Frage kommen und 47 Prozent der Landesfläche geeignete Wirtsgesteine – Salz, Ton oder Granit – aufweisen.

Mehrfach wurde in den Wortbeiträgen auf die seismische Aktivität im Rheingraben und auf der Alb hingewiesen. „Wir haben hier doch großflächige Erdbebenzonen, inwieweit spielen die eine Rolle?“, fragte ein Stadtrat aus Villingen-Schwenningen. Das sei natürlich bekannt, sagt Kanitz. Aber im Standortgesetz seien nur Erdbebenzonen, die höher als die Stufe eins haben, als Teilgebiete ausgeschlossen, und darunter falle ein Großteil der Region nicht. Auf Nachfragen teilte Kanitz später mit, dass die Din-Norm für die Erdbebenzonen derzeit überarbeitet werde und „in der Tat“ Überlegungen angestellt werden, welche Auswirkungen die Anwendung einer neuen Din-Norm für die Erdbebenzonen nun vor Ort haben könnte.

Angst um das Grundwasser in der Ortenau

Ein Fragesteller wies auf die großen Grundwasservorkommen im Ortenau-Kreis hin, die ein gutes Trinkwasserreservoir seien, und fragte, ob die nicht durch den Bau eines Tiefenlagers für den Atomabfall gefährdet seien. Ähnlich wie bei der Erdbebengefahr wies Kanitz darauf hin, dass bei zwei gleich geologisch gut geeigneten Gebieten natürlich das gewählt werde, bei dem eben nicht bestimmte Ausschlusskriterien – Grundwasser, Siedlungsdichte, Erdbeben – vorlägen. Vieles ist offenbar noch im Entscheidungs- und Abwägungsprozess.

So befindet sich das Auswahlverfahren derzeit am Ende des sogenannten Schritt „eins“ der Phase „eins“, wo es um die Ermittlung der Teilgebiete geht. Folgen wird der Schritt „zwei“, wo es um die oberirdische Erkundung geht und wo Kriterien wie Siedlungsdichte, das Vorhandensein von Kultur- oder Naturdenkmälern sowie alter Bergwerksstollen berücksichtigt werden. So hat ein Bürger aus dem Badischen daraufhin gewiesen, dass es einen historischen Silber-Bergbau im Schwarzwald gegeben habe, und er fragte, ob denn die Daten darüber bekannt seien. Kanitz wies darauf hin, dass im Rahmen der weiteren Öffentlichkeitsbeteiligung – die nächste wichtige Fachkonferenz mit einer öffentlichen Beteiligung ist vom 5. bis 7. Februar – auch Fakten und Daten benannt werden können, die ein Gebiet „nachträglich ausschließen“. Klar ist, dass die Auswahl enger werden muss.

In 300 Meter Tiefe ist der Müll sicher vor Terroristen

Einige Fragen drehten sich um die Sicherung vor kriminellen oder terroristischen Attacken, den langen Zeitraum der Lagerung von einer Million Jahre, die Rückholbarkeit des Atommülls sowie die Beständigkeit der Lagerbehälter. Kanitz sagte, dass ja gerade die Lagerung in mindestens 300 Meter Tiefe vor einem Terrorangriff schützen solle. Um da an den strahlenden Abfall zu gelangen, müsste man schon ein neues Bergwerk errichten – kein Vorhaben für kurzfristig handelnde Terroristen. Die Rückholbarkeit – also die Bergbarkeit des Mülls vielleicht wegen der Entwicklung neuer Recycling-Methoden – sei auf 500 Jahre ausgelegt worden. Das sei ein „überschaubarer Zeitraum“, man hätte aber auch 400 oder 600 Jahre sagen können. Vermutet werde, dass die Lagerbehälter so ausgelegt sein werden, dass sie 500 Jahre lang halten. Danach soll der Berg den Abfall „für immer“ verschließen. Dass die Dauer einer Lagerung von einer Million Jahre in der Zeitrechnung von Geologen relativ kurz sei, darauf machte Kanitz auch aufmerksam. So wolle die Schweiz ihren Atommüll in 140 Millionen Jahre altem kristallinen Wirtsgestein lagern, in Regionen, wo die Erdgeschichte weitgehend abgeschlossen sei. Welche Behälter für die insgesamt 10 500 Tonnen hochradioaktiven Müll in Deutschland überhaupt in Fragen kommen, das muss noch entschieden und dann erforscht werden. Es richtet sich danach, in welchem Wirtsgestein – Salz, Ton oder Granit – die Lagerung in Deutschland stattfinden wird. Jedes Gestein braucht einen anderen Behältertyp.

Die Schweizer sind schon weiter

Als guter Bekannter ist in der Anhörungsrunde Markus Fritschi von der Endlagergesellschaft Nagra aus der Schweiz begrüßt worden. Er schilderte den Erkundungsweg der Schweizer und empfahl „Öffentlichkeit und Transparenz“ als Richtschnur, die Langzeitsicherung des Mülls müsse Priorität haben. Laut Fritischi hätten die meisten Schweizer das erkannt, es gebe eine hohe Akzeptanz, die sich darin zeige, dass bei seismischen Messungen 98 Prozent der angefragten Grundstückbesitzer ihre Zustimmung gegeben hätten, gegen 23 Genehmigungen für Tiefenbohrungen zur Erkundung habe es keine gerichtliche Klage gegeben. „Sie sind in Deutschland noch in einer frühen Phase, wir in der Schweiz sind schon in Etappe drei“, so Fritschi. Allseits bekannt ist, dass mögliche Standorte für ein Atomendlager der Schweiz in direkter Grenznähe zu Deutschland sind.

Eine Frage richtete sich denn auch den Eidgenossen: Ob die Nagra nicht Gebiete nördlich des Rheins auch als ungeeignet wegen der Erdbebengefahr eingestuft habe. Fritschi verneinte dies und sagte, der Ausschluss sei erfolgt, weil „dort die Tiefenlage des Opalinus-Tons nach Norden hin immer untiefer wird“. In „Nuancen“ soll es im übrigen Unterschiede bei den deutschen und Schweizer Ausschlusskriterien für ein Atomendlager geben.