Regierung müsste laut Selbstverpflichtung stets Economy fliegen – tut sie aber nicht.
Stuttgart - Für Politiker gelten besondere Maßstäbe, wenn es um Tugenden wie Sparsamkeit, Bescheidenheit oder Umweltbewusstsein geht – für Grünen-Politiker zumal. Schließlich predigen sie wie keine anderen das Hohelied der Nachhaltigkeit.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat diese Erfahrung auch schon machen müssen. Der grüne Regierungschef tourt mit einer gepanzerten Limousine durchs Land – schon hagelt es Kritik. Der grüne Regierungschef nutzt die Hubschrauberstaffel – welch Skandal! Und jetzt soll er auch noch Business- statt Economy-Class geflogen sein – und damit anstandsmäßig sogar hinter die schwarz-gelbe Vorgängerregierung zurückfallen, welche die Holzklasse einst zum Standard für Dienstreisen definiert hat.
Mindestens zwei Flüge sind verbrieft: am 31. Januar von Berlin nach Stuttgart und am 14. April von Stuttgart nach Berlin, jeweils mit Lufthansa. „Stimmt, beide Male saß der Ministerpräsident in der Business-Class“, bestätigt Arne Braun, Sprecher des Staatsministeriums. Und begründet auch, warum: „Das kurzfristige Umbuchen in der Economy ist nicht ohne weiteres möglich bzw. sehr teuer. Deshalb fliegen wir zu Terminen, deren Ende sich nicht absehen lässt, in der Regel Business.“
FDP wirft Grünen Doppelmoral vor
Der 31. Januar war so ein Termin. Kretschmann weilte beim Integrationsgipfel im Kanzleramt. Dieser ging länger als geplant – also musste man den Flug am Abend kurzfristig nach hinten verschieben. Laut Staatsministerium fielen dadurch Kosten in Höhe von 192 Euro an – statt 172 Euro in der zweiten Klasse, die nicht beliebig umbuchbar gewesen wäre. „Ich denke, ein Aufpreis von 20 Euro ist in dem Fall zu rechtfertigen“, sagt Braun.
Bei allen anderen Business-Flügen bewege man sich in einem ähnlichen Rahmen, was die Zusatzkosten angehe. In aller Regel fliege der Ministerpräsident, wie das gesamte grün-rote Kabinett, innerhalb Europas aber Economy. So, wie es die frühere Mappus-Regierung 2010 in einer Selbstverpflichtungserklärung festgelegt hat.
Birgit Homburger kennt diese Erklärung. Und sie hat auch Verständnis für die Argumentation mit dem Umbuchen. Dennoch findet die FDP-Landesvorsitzende das Flugverhalten von Kretschmann und Co. nicht in Ordnung. „Das ist die typisch grüne Doppelmoral: An der Selbstverpflichtung festhalten, weil es nach außen schön aussieht, aber in Wahrheit doch ständig Business fliegen.“
Braun verweist darauf, dass auch die frühere Mappus-Regierung Ausnahmen in der Erklärung zugelassen habe. Und dass dienstliche Flüge für den Ministerpräsidenten im Übrigen nicht aus Cocktailschlürfen und Filmeschauen bestünden, sondern aus Arbeit. „Mit den Aktenordnern in der Economy-Class zu hantieren ist nicht so angenehm.“