„Ich finde das irritierend“, sagt der grüne Freiburger Ex-OB Dieter Salomon zu seiner Hängepartie beim Normenkontrollrat. Foto: dpa/Patrick Seeger

Vor Monaten schon wird Dieter Salomon als Entbürokratisierungschef im Land ausgeguckt. Nur durchstarten kann er nicht. Kommt in die Sache jetzt Bewegung?

Der frühere Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) wundert sich auch: Ende März hieß es aus Kreisen der Landesregierung, der erfahrene Verwaltungsfachmann, seit 2019 Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein, solle den Vorsitz im Normenkontrollrat des Landes übernehmen, um die Politik im Südwesten beim Bürokratieabbau zu unterstützen.

 

„Ich finde das irritierend“, sagt Salomon unserer Zeitung über die monatelange Hängepartie zur neuen Aufgabe. „Ich könnte morgen loslegen“. Die beiden Fraktionschefs Andreas Schwarz (Grüne) und Manuel Hagel (CDU) müssten sich über den Auftrag des neuen Normenkontrollrats einigen, „was bislang nicht geschehen ist – so mein Kenntnisstand aus dem Urlaub“, berichtet Salomon. Auch wer seine weiteren Mitstreiterinnen und Mitstreiter in dem sechsköpfigen ehrenamtlichen Gremium werden, weiß er nicht. Auch diese werden von den Regierungsfraktionen vorgeschlagen und im Ministerrat bestellt. Nur Salomon scheint bisher Konsens.

Dass sich die Landesregierung mit der Neuaufstellung des Normenkontrollrats so viel Zeit lässt, deutet nach Ansicht von Insidern darauf hin, dass sich Grün-Schwarz auch nach Monaten nicht einig darüber ist, was seine Aufgabe sein soll und wie er methodisch zu operieren hat. Auch das verwundert, wird doch die Landesregierung, allen voran Winfried Kretschmann, nicht müde zu betonen, wie wichtig der Bürokratieabbau sei. Auch die Unternehmen schlagen immer lauter Alarm. Laut Mitgliederumfragen des Verbandes „Die Familienunternehmer“ sind Bürokratiekosten und Überregulierung das größte Probleme in ganz Deutschland, noch vor dem Arbeitskräftemangel und einer unberechenbaren Wirtschafts- und Finanzpolitik. Das Gespenst der Verlagerung ins Ausland geht um.

Zum Jahresende 2022 hatte die Landesregierung den alten Normenkontrollrat unter Führung der früheren CDU-Landtagsabgeordneten Gisela Meister-Scheufelen aufgelöst. Kretschmann hatte sich unzufrieden geäußert. Die Korrekturen seien ihm nicht weit genug gegangen. Der neue Rat solle besser mit der Arbeit der Landesregierung zum Bürokratieabbau verzahnt werden, digitale Kompetenz und Innovationsmanagement würden erwartet, hieß es. Meister-Scheufelen konterte: Der Regierung fehle es an Entschlossenheit im Kampf gegen Bürokratie.

Immerhin: In die Sache kommt womöglich bald Bewegung. Rechtliche Grundlagen und Mitglieder des neuen Normenkontrollrats befänden sich „derzeit in der Abstimmung mit den Regierungsfraktionen“, sagt eine Sprecherin des Staatsministeriums auf Nachfrage. Das „soll nach der Sommerpause unverzüglich umgesetzt werden“. Die Fraktionen von Grünen und CDU wollten sich dazu nicht äußern. Die Landesregierung betont, dass sich künftig auch die erst im Juli mit Kommunen und der Wirtschaft formierte „Entlastungsallianz“ gemeinsam mit dem Normenkontrollrat um das Streichen von Regelungen und Verwaltungsmodernisierung kümmern soll.

Harte Kritik an Kretschmann

Derweil hagelt es harte Kritik am schleppenden Aufbau des neuen Beratungsgremiums. „Die Landesregierung spielt beim Aufbau des neuen Normenkontrollrats auf Zeit und täuscht Aktivität nur vor“, meint der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Auch der neue Rat werde ähnliche Vorschläge machen wie der alte. Es gebe kein Erkenntnisproblem. Die Politik müsse handeln.„Niemand hält Herrn Kretschmann davon ab, den Bürokratieabbau umzusetzen.“ Auch in den Reihen der neuen Entlastungsallianz wächst die Ungeduld: „Die möglichst rasche Neueinsetzung eines Normenkontrollrats würden wir ausdrücklich begrüßen und sprechen uns dafür aus, ihm eine starke Stellung einzuräumen“, sagt Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags.

Dieter Salomon steht bereit. Er weiß, bei den Bürgern ist die überbordende Bürokratie „ein heißes Eisen“. Er möchte durchstarten. Das erste deutsche Flüssiggas-Terminal in Wilhelmshaven konnte in nur acht Monaten gebaut werden. „Aber können wir das auch auf anderen Gebieten“, fragt er.