Die Grundschule Bonlanden – unter dem Namen sind die Uhlberg- und die Schillerschule vereint – macht sich auf den Weg zur Ganztagsschule. Unser Bild zeigt den Pausenhof der Uhlbergschule. Foto: Caroline Holowiecki

Ab 2026/27 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf die ganztägige Betreuung ihres Grundschulkindes. Viele Kommunen wird das wohl unter Druck bringen. Filderstadt hat das Ganze mal gedanklich durchgespielt.

Recht haben heißt nicht automatisch Recht bekommen. Viele Eltern von Kleinkindern können davon ein Lied singen. Der Rechtsanspruch auf eine U3-Betreuung besteht in der Theorie seit 2013, faktisch fehlen vielerorts nicht nur die Plätze, sondern auch das Personal. Da können sich die Eltern trotz ihres Anspruchs auf den Kopf stellen.

 

Bald kommt etwas Neues dazu. Dann haben Eltern von Grundschülern ein Anrecht auf eine Ganztagsbetreuung ihrer Kinder. Der Rechtsanspruch tritt ab dem Schuljahr 2026/27 ein – zunächst für Erstklässler und dann Jahr für Jahr für eine Klassenstufe höher, bis man im Schuljahr 2029/30 bei sämtlichen Grundschulklassen angekommen sein wird. Erstrecken wird sich dies auf acht Zeitstunden pro Schultag.

Für die Betreuung braucht es unter anderem Räume und Personal

Das Ganze ist kein Muss. Ob und wie der Anspruch geltend gemacht wird, entscheiden die Familien, vorgehalten werden muss das Angebot trotzdem. Das wird viele Kommunen unter Druck bringen, denn für die Betreuung braucht es Personal, geeignete Räume und pädagogische Nutzungskonzepte, Mensen und Essensangebote – Dinge, die beispielsweise in Filderstadt rar sind. Katja Anton-Kalbfell, die Leiterin des Amts für Familie, Schulen und Vereine, hat in der Sitzung des zuständigen Gemeinderatsausschusses nun einen Abriss darüber gegeben, was die Stadt erwartet.

Wie hoch der Betreuungsbedarf ab dem Schuljahr 2026/27 tatsächlich sein wird, das ist fürs Fachamt schwer einzuschätzen. Aktuell liegt die Betreuungsquote bei Grundschulkindern im landesweiten Durchschnitt bei 57,1 Prozent, der zeitliche Umfang variiert dabei allerdings erheblich und umfasst selten acht Stunden pro Tag. Laut Katja Anton-Kalbfell muss künftig von einer Erhöhung der Betreuungsquote um zehn bis 20 Prozent gegenüber dem jeweiligen aktuellen Stand gerechnet werden. In Filderstadt wird von rund 80 Prozent Betreuungsbedarf ausgegangen.

So viele Plätze werden rein rechnerisch fehlen

Das Institut für deutsche Wirtschaft hat dieser Tage einen Bericht veröffentlicht, wonach rund 2,35 Millionen Ganztagsplätze benötigt werden, wenn der Rechtsanspruch im Schuljahr 2029/30 vollständig in Kraft ist. Demnach müssen noch 700 000 Plätze geschaffen werden, allein in Baden-Württemberg 74 100. Das sind 38 Prozent mehr gegenüber dem Ist-Stand.

Und in Filderstadt? Die Zahl der kommunalen Betreuungsplätze liegt derzeit bei 480. Hier kommen neben klassischem Unterricht ergänzende Angebote von kommunalen und freien Trägern zusammen, sei es von Musikschulen oder Sportvereinen. Bleibt es bei diesen 480 Plätzen, werden nach aktuellen Prognosen zum Start des Rechtsanspruchs 2026/27 bereits 238 Plätze fehlen. Diese Zahl wird sich freilich Jahr für Jahr erhöhen – bis die prognostizierte Unterdeckung bei 877 Plätzen im Schuljahr 2029/30 liegen wird. „Das wird für uns in Filderstadt eine sehr große Herausforderung sein“, resümierte der Bürgermeister Jens Theobaldt in der Sitzung. Mit dem Rechtsanspruch werde eine Erwartungshaltung bei den Eltern geweckt, allerdings betonte er: „Mit dem Ausrufen eines Rechtsanspruchs ist noch kein einziger Platz geschaffen.“

Das alles sind Worst-Case-Szenarien. In Filderstadt will man sich möglichst gut vorbereiten. Geplant ist zum einen eine flächendeckende Umfrage bei Eltern, deren Kinder zum Schuljahr 2026/27 Erstklässler sein werden, um den Bedarf besser einschätzen zu können. Zudem will sich das Fachamt frühzeitig nach externen Räumen umschauen, über bauliche Veränderungen befinden und auch Betreuungspersonal qualifizieren. „Wir wollen Qualität und Standards für unsere Kinder“, sagte Katja Anton-Kalbfell. Stefan Hermann (Freie Wähler) drängte zudem auf die Einrichtung einer Koordinierungsstelle bei der Stadt und einen Runden Tisch, um kommunale und außerschulische Partner zusammenzuführen. Tatsächlich ist in Filderstadt im ersten Quartal 2024 eine Klausur zum Thema geplant. Auf Städtetags-, Kreistags- und Landesebene werden darüber hinaus in Arbeitsgruppen verschiedene offene Fragestellungen erörtert. Filderstadt ist dort vertreten.

Grundschule Bonlanden will sich verändern

Ganztag
Die Grundschule Bonlanden – unter dem Namen sind die Uhlberg- und die Schillerschule vereint – macht sich auf den Weg zur Ganztagsschule. Damit verbunden ist eine Entwicklungsplanung für den Schulcampus am Standort Bildungszentrum Seefälle. Die Grundschule hat vor, sukzessive in den Ganztagsbetrieb in Wahlform an drei Tagen mit sieben Zeitstunden einzusteigen. Losgehen könnte es mit dem Start des Rechtsanspruchs 2026/27.

Standorte
Schon jetzt steht allerdings fest, dass die Aufteilung auf zwei Standorte organisatorische Probleme mit sich bringt. „Das langfristige Ziel sollte daher sein, den Schulbetrieb auf einen Standort zu konzentrieren“, liest man in der Vorlage des zuständigen Fachamts. Dennoch: Die Rektorin Claudia Bubeck sprach jüngst vor Gemeinderäten von einer „Herzensangelegenheit. Ich sehe eine ganz, ganz große Chance“. Es gehe um bessere Bildung und Chancengleichheit für alle Kinder. Zwei weitere Grundschulen in der Stadt hätten ebenfalls Interesse am Ganztag signalisiert, so die Amtsleiterin Katja Anton-Kalbfell. car