Grün-Schwarz steht – und die Parteien reden über mögliche Konsequenzen daraus. Foto: dpa

Hat die neue parteipolitische Zusammenarbeit Signalwirkung für den Bund? Grün-Schwarz in Baden-Württemberg weckt das Interesse der Berliner Parteistrategen – natürlich aus ganz unterschiedlichen Motiven.

Berlin - Die Christdemokraten im Bund wollen aus der Zusammenarbeit mit den Grünen in Baden-Württemberg keine Schlüsse für die Zukunft ziehen. „Nach einem schwierigen Wahlergebnis stellen wir uns der Verantwortung für’s Land“, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber am Tag der Stuttgarter Regierungsbildung dieser Zeitung: „Grün-Schwarz bleibt aber eine Ausnahme, denn als Volkspartei kämpfen wir für das Ziel, Regierungen anzuführen.“ In diesem Zusammenhang sei es, so Tauber weiter, „immer gut, wenn wir entscheiden können, mit wem wir am meisten CDU-Politik umsetzen können“. Zu mögliche Rückwirkungen für die Bundespolitik sagte Tauber: „Die größten Schnittmengen gibt es nach wie vor mit der FDP, aber Hessen beweist, dass wir auch mit den Grünen erfolgreich zusammenarbeiten können.“

Dagegen sieht der deutsche EU-Kommissar und ehemalige Stuttgarter CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger sehr wohl „eine Signalwirkung insoweit, dass ein Lagerwahlkampf nicht mehr sinnvoll ist“. Die Aufstellung der politischen Blöcke CDU/CSU/FDP gegen Rot-Grün sei daher bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr „weder arithmetisch noch thematisch geboten“. Seine Partei müsse, so Oettinger gegenüber der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten, „ohne Ausschluss möglicher Konstellationen in den Bundestagswahlkampf gehen“. Der ehemalige Regierungschef bezeichnete den grün-schwarzen Koalitionsvertrag als „klug erarbeitet und handwerklich sauber“. Als EU-Kommissar bedauerte er jedoch, dass es keine ministerielle Zuständigkeit mehr für Europa gebe: „Jetzt müssen alle in ihren Ressorts zu Europaministern werden.“

Kritik von SPD und Linkspartei

Die Grünen dagegen feiern die neue Regierungskonstellation weitaus euphorischer. „Dass Grüne mit Winfried Kretschmann weiter die Verantwortung im Ländle tragen ist ein Segen für Baden-Württemberg“, sagte der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin dieser Zeitung: „Der Koalitionsvertrag trägt eine klare grüne Handschrift. Die CDU hat nun nach 5 Jahren hilfloser Fundamentalopposition die Gelegenheit sich in der Verantwortung zu bewähren.“ Der Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer, zugleich Vorsitzender der europäischen Grünen, sieht seine Partei durch die neue Stuttgarter Landesregierung auch strategisch gestärkt: „Dass wir in einer möglichen Koalition im Bund nur die Fassadenbegrünung für die Schwarzen machen würden, ist durch Baden-Württemberg deutlich unwahrscheinlicher geworden.“ Die Fraktionschefin im Europaparlament, Rebecca Harms, freut sich, dass „die Grünen nun weitere fünf Jahre regieren und die Früchte dessen ernten können, was angefangen wurde“. Ein wenig kritischer äußert sich dagegen die Grünen Bundeschefin Simone Peter: „Grün-Schwarz war kein Wunschbündnis, für keine der beiden Parteien. Inhaltlich stehen wir Grüne der SPD natürlich näher. Aber in Zeiten, in denen die rechtspopulistische AfD die Regierungsbildung erschwert, müssen alle Demokraten zur Zusammenarbeit bereit sein.“

Viel Kritik kommt dagegen von SPD und Linkspartei, die in Baden-Württemberg aus der Regierung gewählt wurden beziehungsweise gar nicht im Landtag sind. SPD Generalsekretärin Katarina Barley sagte den beiden Stuttgarter Zeitungen, sie sei in Bezug auf die CDU „sehr gespannt, ob sie es schaffen wird, sich einem grünen Ministerpräsidenten unterzuordnen und in diesem Bündnis konstruktiv mitzuarbeiten. Die letzte Regierung hat vor allem auf Betreiben der SPD gute Politik für die Modernisierung Baden-Württembergs gemacht“. Bernd Riexinger, der Parteichef der Linken, die mit ihm als Spitzenkandidaten an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert waren, wirft vor allem den Grünen vor, sich kaum noch von der Union zu unterscheiden: „Da wächst zusammen, was zusammen gehört. Grüne Konservative, konservative Grüne – erkennbare Unterschiede gibt es höchstens in der Farbgestaltung“, so Riexinger gegenüber dieser Zeitung: „Sozial gerechte Politik steht auf einem anderen Blatt – und zwischen die CDU und die Grünen in Baden-Württemberg passt buchstäblich keines.“