Peter Sagan will bei der Tour de France weitere Siege feiern. Foto: dpa

Ralph Denk, der Chef des deutschen Rennstalls Bora-hansgrohe, spricht über seinen Glauben an die Kraft des ­­Radsports und über seine Überzeugung, dass saubere Siege möglich sind.

Stuttgart - An diesem Samstag beginnt in Düsseldorf die Tour de France. Ralph Denk (43) fiebert dem Start wie jedes Jahr entgegen. Für ihn verfügt der Radsport nach wie vor über eine große Leidensfähigkeit und eine enorme Substanz.

Herr Denk, können Sie sich noch an die Tour de France 2007 erinnern?
Klar. Damals bin ich in den Pyrenäen gewesen und habe über die unglaublichen Menschenmassen am Straßenrand gestaunt. Das war Wahnsinn!
Dabei hielten viele den Radsport damals für tot. Erst recht, als der Däne Michael Rasmussen im Gelben Trikot wegen Dopings von seinem Rabobank-Team aus dem Rennen genommen wurde.
Ich wusste immer: Dieser Sport ist zwar stark in Mitleidenschaft gezogen worden, aber er verfügt über eine große Leidensfähigkeit und enorme Substanz. Ich habe den Glauben an den Radsport nie verloren.
2007 haben Sie ihr erstes Straßen-Team gegründet.
Richtig. Ich hatte das beste Mountainbike- Team der Welt, doch keiner hat’s gemerkt. Die mediale Durchschlagskraft war viel zu gering. Also habe ich vor zehn Jahren mit einem U-19-Rennstall angefangen. Mit knapp 100.000 Euro, viel Hoffnung und der Vision von einem richtigen Profi-Rennstall.
Es hat nicht lange gedauert.
Na, ja, ich würde sagen: Wir haben uns von Etappe zu Etappe gesteigert. 2010 sind wir dank Netapp in den Continental-Bereich aufgestiegen. Bis dahin hatten wir nur Sponsoren aus dem Landkreis, nun einen Milliarden-Konzern. Da war ich stolz.
Gab es nie Zweifel?
Doch. Viele haben mir gesagt, ich sei zur falschen Zeit in den Radsport eingestiegen. Aber für mich war es stets ein Hobby, ich musste nie davon leben. Und zudem waren die Verkaufszahlen der Radindustrie immer positiv, es gab immer ein stabiles Fundament. Anders als das Tennis nach der Zeit von Steffi Graf und Boris Becker hat das Radfahren nie einen wirtschaftlichen Einbruch erlebt. Trotz Dopings.
Dennoch sind viele Sponsoren ausgestiegen, nicht nur T-Mobile und Gerolsteiner.
Ich bin oft mit viel Euphorie in Sponsorengespräche rein und mit viel Frust wieder raus. Aber trotzdem habe ich es 2014 erstmals zur Tour de France geschafft – mit viel Unbekümmertheit, dem garantiert kleinsten Etat aller Teams und einer weißen Weste in Sachen Doping.
Heute führen Sie eines der stärksten Teams der Welt. Ist es auch eines der teuersten?
Über Zahlen spreche ich nicht.
Angeblich beträgt der Etat Ihres Rennstalls rund 15 Millionen Euro.
Ich kann Ihnen nur so viel sagen: Im Durchschnitt kostet ein Team in der World-Tour 16 Millionen Euro. Und ich freue mich, sportlich besser zu sein als der Durchschnitt.
Das liegt vor allem an Peter Sagan. Wie ist es Ihnen gelungen, vor dieser Saison den Weltmeister zu verpflichten?
Ich habe ihn gefragt, ob er zu uns will.
Und er hat einfach Ja gesagt?
Fakt ist: Peter Sagan hätte überall fahren können, denn es ging ihm nicht ums Geld. Sein Konto war schon voll. Er hat einen Rennstall gesucht, der ihm Vertrauen entgegenbringt, bei dem er auch mal Zweiter werden darf. Das alles hat er bei uns.
Es heißt, er verdiene bei Ihnen pro Saison rund vier Millionen Euro. Lohnt sich die Investition?
Noch mal: Von mir gibt es keine Zahlen. Doch offensichtlich ist, dass Sagan mein Team auf ein höheres Level gehoben hat.
Wie?
Indem er zuverlässig Siege einfährt. Und indem viele junge Fahrer von ihm profitieren. Sie schauen zu ihm hoch, achten darauf, was er zum Frühstück isst, wie er Rad fährt, wann er zu Bett geht.
Was macht Sagan anders als andere?
Es gibt Rennfahrer, die sind viel zu verbissen, verkrampfen deshalb. Und es gibt Profis, die alles zu locker angehen. Sagan verkörpert wie kein Zweiter die Mischung. Er kann super fokussiert sein, aber wenn er mal Freiraum hat, nutzt er ihn extrem gut, um danach mental wieder topfit zu sein.
Wie gut ist Ihre Mannschaft aktuell – gehört sie zu den besten fünf Teams der Welt?
Andere haben doppelt so viele Rennen gewonnen wie wir. Was die Sieggaranten angeht, sind wir eng aufgestellt, deshalb hätte ich gerne noch einen zweiten Peter Sagan (lacht). Mein Ziel ist es, einen Premiumrennstall zu haben, nur dann werden wir interessant für weitere Sponsoren.
Was fehlt zur Premiumkategorie?
Eine noch bessere Qualität. Und mehr Breite. Zudem arbeiten wir mit Hochdruck daran, selbst Fahrer zu entwickeln, um so die richtige Balance zwischen eigenen Leuten und Transfers finden zu können.
Ist Premium auch sauber möglich?
Das geht definitiv! Wir sind jetzt ja schon ein ganz gutes Team – ohne Doping!
Was macht Sie so sicher?
In der Vergangenheit ist im Radsport viel Mist gebaut worden, keine Frage. Aber jetzt gibt es mehr Dopingtests als in allen anderen Sportarten, unsere Kontrolldichte ist zehnmal höher als im Fußball. Wir haben den biologischen Blutpass. Ich verpflichte keine Fahrer, die dopingbelastet sind, mein Rennstall ist Mitglied in der Bewegung für sauberen Radsport. Es ist sehr schwierig, im Radsport heute noch zu betrügen – da bin ich mir sehr sicher. Und ich bin total überzeugt davon, dass man auch als sauberer Fahrer alle Chancen hat.
Kann man die Tour ohne Doping gewinnen?
Ja.
Können andere Sportarten sich vom Radsport etwas abschauen?
Auf jeden Fall die Engmaschigkeit des Kontrollnetzes. Dazu würde ich allen – vor allem im Fußball – empfehlen, sich eines zu vergegenwärtigen: Je mehr Geld im Spiel ist, umso höher ist die Betrugsgefahr. Und dann hätte ich noch einen Wunsch.
Welchen?
Dass noch viel mehr Geld in das Kontrollsystem fließt, zum Beispiel durch eine Zwangsabgabe von großen Sportsponsoren. Wenn Mercedes oder McDonald’s nur ein Prozent ihres Sportmarketingetats abführen müssten, würde das den Kampf gegen Doping enorm voranbringen.