Ein Bild aus erfolgreicheren Tagen: Peter Sagan im Grünen und Chris Froome im Gelben Trikot im Jahr 2016. Foto: imago/Zuma

Der viermalige Sieger und der Top-Sprinter haben jahrelang die Schlagzeilen bei der Frankreich-Rundfahrt bestimmt. Diese Zeiten sind vorbei. Die Großverdiener geben ihre Ambitionen aber noch längst nicht auf.

Die Tour de France ist ein Spektakel. Und zugleich ein gnadenloses Rennen, in dem die Meriten der Vergangenheit nichts zählen. Das wissen auch zwei ganz große Namen.

Der viermalige Sieger

Chris Froome Einen Tag gab es, der Erinnerungen an früher weckte. Am Donnerstag, auf der Königsetappe nach L’Alpe d’Huez, bewies Chris Froome, was noch in ihm steckt. Er kämpfte sich erst in die Ausreißergruppe und danach als Dritter die 21 mythischen Kehren hinauf in den Wintersportort. „Ich habe mich im Laufe des Rennens besser und besser gefühlt“, sagte der Brite hinterher, „ich habe mein Glück versucht und alles gezeigt, was ich drauf habe.“ Das beeindruckte auch Etappensieger Thomas Pidcock: „Er ist vielleicht nicht mehr so schnell wie früher. Aber er bleibt eine Legende.“

Allerdings, so ehrlich muss man sein, war dieser Tag eine Ausnahme. Ansonsten ist Froome, der einst im Peloton alle Blicke auf sich gezogen hat, bei der Tour 2022 kaum zu sehen. Vor dem Auftakt der Rundfahrt war der Brite gefragt worden, was er sich denn vornehme? „Ich freue mich darauf, alles zu geben“, antwortete er. Nach der Hälfte des Rennens lässt sich sagen: Das reicht nicht mehr, um dauerhaft Schlagzeilen zu produzieren.

Dabei gehört Chris Froome (37) zu den Radprofis, die in Frankreich Geschichte geschrieben haben. Viermal gewann er die Tour (2013, 2015, 2016, 2017). Sein Vorhaben, in den exklusiven Zirkel der Fünffach-Sieger Jacques Anquetil, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Miguel Indurain aufzusteigen, zerschellte danach an einer Hauswand. Im Juni 2019 inspizierte Froome eine Etappe der Dauphiné-Rundfahrt, wurde bei Tempo 65 von einer Windböe erfasst. Bei dem Aufprall brach er sich den Oberschenkel, das Becken, den Ellenbogen und sechs Rippen, wurde noch am selben Tag acht Stunden lang operiert. Anschließend fand er nie wieder zu alter Stärke zurück. Geblieben ist ihm nur seine Hartnäckigkeit.

Aktuell liegt Froome als 28. mit 54:42 Minuten Abstand auf den Führenden Jonas Vingegaard weit zurück. Dennoch glaubt er weiter an sich selbst. „Es wird nicht dieses Jahr passieren“, erklärte er, „aber ich träume immer noch davon, die Tour zu gewinnen. Und ich werde diesem Traum weiter nachjagen.“ Auch wenn er für solche Aussagen von vielen mitleidig belächelt wird.

Andererseits war Froome nie ein Ästhet auf dem Rad, sondern immer ein Kämpfer. In den Rennen, aber auch in den Auseinandersetzungen mit Kritikern, die seine Glaubwürdigkeit anzweifelten. Warum also sollte er jetzt aufgeben? Zumal er beim Team Israel-Premier Tech einen bis 2025 laufenden Kontrakt ausverhandelt hat, der ihm pro Jahr 5,5 Millionen Euro einbringen soll. „Geld ist nicht mein Antrieb“, meinte Froome, „ich bin nach meinem Sturz zurückgekommen, weil ich so nicht aufhören wollte. Das ist es, was mich jeden Morgen aus dem Bett treibt.“

Gegenüber der ARD erklärte der Brite, erst seit diesem Jahr wieder schmerzfrei zu sein. Und dass er nur noch zehn bis 15 Watt von den Leistungswerten entfernt sei, mit denen er einst die Tour gewann. Dagegen sprechen die Ergebnisse: Seit 2019 hat Froome, von der Königsetappe nach L’Alpe d’Huez abgesehen, kein Rennen mehr unter den besten zehn beendet. Ob in der letzten Woche der Frankreich-Rundfahrt noch ein Erfolg dazukommt, ist eher fraglich. Weshalb Froome froh ist, dass Teamkollege Simon Clarke die Kopfsteinpflaster-Etappe am fünften Tag gewonnen hat: „Damit ist die Tour für uns schon ein Erfolg.“

Der siebenmalige Gewinner des Grünen Trikots

Peter Sagan Der Slowake hält einen Rekord, der nur schwer zu brechen sein dürfte: Siebenmal stand er mit dem Grünen Trikot des Punktbesten in Paris auf dem Podium (einmal mehr als Erik Zabel). Obwohl es schon beim Auftakt in Kopenhagen kaum Zweifel daran gab, dass diesmal aufgrund des enorm schwierigen Profils des Rennens eigentlich nur Top-Allrounder Wout van Aert für den Sieg in dieser Wertung infrage kommen kann, meinte Peter Sagan: „Ich will das Grüne Trikot auch diesmal gewinnen.“

Es ist ein Satz, der deutlich macht, wie weit Anspruch und Wirklichkeit derzeit auseinanderklaffen. In der Punktewertung hat van Aert 333 Zähler, Sagan als Neunter nur gut ein Viertel davon. Nachdem der 32-Jährige mal wieder einen Sprint verloren hatte, sagte er frustriert: „Irgendetwas fehlt.“

Noch immer ist der Ex-Weltmeister in der Lage, mit den Besten mitzuhalten, zuletzt bei der Tour de Suisse gewann er eine Etappe. Doch in Massensprints gibt es Stärkere, und wenn es auf den finalen Metern bergauf geht, fehlt Sagan der Punch – es war das Terrain, das er einst beherrschte. Trotzdem sagte Jean-Rene Bernaudeau, der Manager des Teams Total Energies, das Sagan pro Jahr 5,5 Millionen Euro überweisen soll, während der Tour: „Er ist immer noch wirklich gut.“ Aber eben vielleicht nicht mehr gut genug.

Nach drei Corona-Infektionen scheint Sagan körperlich nicht mehr auf höchstem Niveau zu sein. „Dazu fehlt ihm Selbstvertrauen. Die Siege kommen nicht mehr am laufenden Band“, sagte Ralph Denk, der Chef von Bora-hansgrohe, der sich vor der Saison nach fünf Jahren von Sagan getrennt hatte. Gerade noch rechtzeitig? Man sollte den einstigen Superstar nicht zu früh abschreiben. Das Grüne Trikot wird er bei dieser Tour nicht gewinnen. Ein Etappensieg aber wäre alles andere als eine Sensation.