Auch für die Bundeswehr ist Niger von Bedeutung. Foto: picture alliance/dpa/Michael Kappeler

Angesichts der dynamischen Lage nach dem Putsch, gibt es noch wenige offizielle Reaktionen der Bundesregierung. Man scheint zunächst abwarten zu wollen.

Ein Gruppenfoto bringt derzeit die Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands durcheinander. Es zeigt neun uniformierte Männer, die vor einer beigen Wand stehen. Ein weiterer Mann sitzt in einer blauen Uniformjacke und großer Brille an einem Tisch und spricht in ein Mikrofon. Das Bild stammt aus einer Fernsehübertragung und verdeutlicht, was am Mittwoch mit vagen Berichten begann und sich am Donnerstag erhärtete: Im Niger putschten Teile des Militärs gegen die Regierung. Dies stellt nun die deutsche Politik vor Probleme.

Deutsche Soldaten derzeit nicht in Gefahr

Niger galt als Stabilitätsanker und wichtiger Partner in einer Krisenregion. Ein Land mit demokratisch gewählter Regierung und einer Schlüsselrolle in der Sahel-Zone. Dort sind nicht nur Terrorgruppen wie der Islamische Staat aktiv, die die sensible Region nicht weiter destabilisieren sollen. Niger liegt auch an wichtigen Reiserouten von Migranten, die aus Westafrika ans Mittelmeer, und von dort weiter nach Europa wollen.

Die Bundeswehr betreibt nahe der Hauptstadt Niamey einen Stützpunkt der Luftwaffe mit rund 100 Soldaten. Er ist wichtig, um den Abzug aus der Stadt Gao im benachbarten Mali zu organisieren. Das Personal kann die Bundeswehr zwar von dort mit eigenen Militärmaschinen ausfliegen, doch um die rund 200 Fahrzeuge und über 700 Container mit Material nach Deutschland zurückzubringen, ist man zwingend auf den Flugplatz Niamey angewiesen. Nur dort können größere zivile Frachtflugzeuge landen, die die Bundeswehr anmietet.

Wie es nun mit dem Rücktransport weitergeht, ist kaum vorherzusagen. Derzeit gibt es offenbar eine Sperre des Luftraums bis zum vierten August. Ob diese bleibt oder verlängert wird, ist unklar. Zumindest die Soldaten vor Ort scheinen nicht in Gefahr zu sein. Die Zugänge des Stützpunkts seien nicht blockiert, sagen Insider.

Zudem beteiligte sich die Bundeswehr an der Ausbildung nigrischer Spezialkräfte. Einer der Offiziere dieser Einheit ist offenbar auch unter den Putschisten, die sich im nigrischen Fernsehen erklärten. Im vergangenen Jahr posierte er noch neben dem damaligen Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn. Ob die Soldaten der Einheit sich am Putsch beteiligten oder sich ihm anschlossen, ist unklar.

Europäischen Sahel-Politik gescheitert?

Besonders besorgt ist man in Berlin darüber, ob Russland eine Rolle bei dem Putsch gespielt hat – wie es in Mali der Fall war. Dort hatte 2021 ebenfalls das Militär geputscht und sich russische Unterstützung geholt und gefordert, dass die dortige UN-Mission beendet wird.

Angesichts der dynamischen Lage gibt es noch wenige offizielle Reaktionen der Bundesregierung auf die Geschehnisse im Niger. „Wo Militärs mit Gewalt nach Macht greifen, schaden sie ihrem Land“, schrieb Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf Twitter. Offenbar scheut man eine eindeutige Positionierung – man könnte gezwungen sein, mit den Putschisten zusammenzuarbeiten.

Johann Wadephul, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag, sagte unserer Zeitung: „Auch wenn die Lage im Niger unübersichtlich bleibt, scheint der letzte Pfeiler der deutschen und europäischen Sahel-Politik weggebrochen zu sein. Man muss von einem Totalversagen der Sahel-Politik dieser Bundesregierung sprechen.“ Er fordert Konsequenzen für die Kooperation: „Eine Zusammenarbeit mit einer etwaigen Putsch-Regierung kann natürlich nicht in dem Maße fortgesetzt werden, wie wir es bisher mit den nigrischen Streitkräften getan haben.“ Wie die Kooperation künftig aussieht, hängt von den Entwicklungen der nächsten Tage ab – und von den Männern auf dem Gruppenfoto.