Bei der WM 2014 hatte es in Nürtingen mit einer Leinwand auf der Neckarinsel ein großes Public Viewing gegeben. Foto: Horst Rudel/Archiv

In der Hölderlinstadt dürfen Gastronomen die WM auf öffentlicher Fläche bis zum Viertelfinale nur bei Spielen der deutschen Mannschaft zeigen. Im Rems-Murr-Kreis löst die Polizei einen Autocorso auf.

Kreis Esslingen - Der Wirt der Nürtinger Brennbar hat für die Fußball-Weltmeisterschaft das mit Abstand größte Public Viewing in der Stadt auf die Beine gestellt. In der Heiligkreuzstraße gibt es Biertische und -bänke für 600 Menschen, die auf einer großen Leinwand die Spiele verfolgen können. Allerdings nur die Spiele der deutschen Mannschaft. Alle anderen Begegnungen fallen einer Verfügung der Stadt zum Opfer, wonach Übertragungen auf öffentlichen Flächen bis einschließlich zum Achtelfinale nur bei deutscher Beteiligung möglich sind. Das Rathaus steht deshalb als Spaßbremse am Pranger, die Verwaltung hingegen verteidigt ihre Entscheidung mit Blick auf Anwohnerbeschwerden.

Anordnung wird als „Rassismus“ empfunden

Mit diesem Schritt will das Ordnungsamt dem Ruhebedürfnis vor allem von Innenstadtbewohnern auf der einen und dem Wunsch nach „Rudelgucken“ von Fußballfans auf der anderen Seite gleichermaßen Rechnung tragen. Die Auflage gilt indessen nicht für die Außenflächen, die Gastronomen für ihr normales Geschäft gepachtet haben, präzisiert der Rathaussprecher Clint Metzger. Public Viewing ist dort für alle Spiele möglich, wenngleich in einem überschaubaren Rahmen.

Da sich der Public-Viewing-Bereich der Brennbar auf einer öffentlichen Fläche mit Sondernutzungsrecht befindet, ist die Lokalität von der Verfügung betroffen. Das heißt, dass Fans von Spielen ohne deutsche Beteiligung hier in die Röhre schauen. Nicht nur Gemeinderäte halten die Einschränkung fraktionsübergreifend für kleinlich – Stichwort Innenstadtbelebung. Auch in sozialen Netzwerken löst die städtische Entscheidung Kopfschütteln aus. Eine Benachteiligung ausländischer Fußballanhänger wird beklagt, teils ist sogar von „Rassismus“ die Rede.

Anwohner klagen über Lärm, Müll und Verkehr

Die Stadtverwaltung hält die Aufregung indes für überzogen. In einer Stellungnahme wirbt die Kulturbürgermeisterin Annette Bürkner um Verständnis: „Wir können den Unmut darüber, dass nicht alle Spiele gezeigt werden können, nachvollziehen. Wir müssen jedoch die Interessen aller Bürger, so auch der Anwohner im Hinblick auf Lärmschutz und Beeinträchtigungen, im Blick haben und berücksichtigen.“ Dies sei ein „Abwägungsprozess“. Die Entscheidung werde nicht revidiert. Dies habe auch der Oberbürgermeister Otmar Heirich bekräftigt, so Clint Metzger.

Neckarfest, Weindorf, Drachenbootrennen, Schön-am-Neckar-Festival – immer wieder sehe sich die Stadt mit Ärger rund um Freiluft-Events konfrontiert. Erschwerte Zugänge zu Gebäuden, Müll, Verkehrsprobleme – das sind die gängigen Beschwerden. Auf eine Anzeige hin hat Nürtingen auch schon beim Regierungspräsidium vorstellig werden müssen um sich zu erklären, so die Bürgermeisterin. Dass Nürtingen beim Vorgehen im Vergleich mit anderen Städten besonders restriktiv vorgehe, lässt sie nicht gelten. Metzingen (Kreis Reutlingen) verfahre beim Public Viewing genau gleich wie Nürtingen.

Portugiesen jubeln nach drie Ronaldo-Toren

Während es im Kreis Esslingen bei der WM bisher ruhig zuging, ist beim Unentschieden zwischen Portugal und Spanien die Freude von portugiesischen Fans im Rems-Murr-Kreis übergeschwappt. In Backnang hat die Polizei am Freitag einen Autocorso unterbunden, nachdem Ronaldo drei Mal getroffen hatte. Ein allgemeines Corso-Verbot gibt es in der Stadt aber nicht, betont ein Polizeisprecher: „In dieser Situation feierten aber 200 Menschen in einem Kreisverkehr, dann kamen die Autos dazu. Es wurde uns zu gefährlich.“