Der junge Angeklagte sagt, er habe es eigentlich nicht auf seine Schwester abgesehen gehabt. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Ein 19-Jähriger steht wegen versuchten Mordes vor Gericht, weil er seine Schwester mit einem Baseballschläger geschlagen hat.

Stuttgart - Der junge Mann gibt bereitwillig Auskunft vor der 4. Jugendstrafkammer des Landgerichts. Der inzwischen 19-Jährige, der wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt ist, gesteht den Messerangriff auf einen Mann und die Attacke auf seine eigene Schwester. Doch die Vorsitzende Richterin zweifelt an seinen Angaben. „Bevor Sie hier Mist erzählen, sagen Sie lieber nichts“, so die Richterin während der Vernehmung.

Der junge Mann mit afghanischen Wurzeln hat mit einem Baseballschläger auf offener Straße in Zuffenhausen auf seine zur Tatzeit Mitte Juli vorigen Jahres 20-jährige Schwester eingeprügelt. Er sagt, er habe gänzlich allein gehandelt. Er sagt auch, er habe eigentlich nicht seine Schwester schlagen wollen, sondern ihrem Freund eine Abreibung verpassen wollen. Vorsitzende Richterin Cornelie Eßlinger-Graf zweifelt. Sie gibt dem Angeklagten, nachdem sein Verteidiger Uwe Böhm die Vernehmung abgebrochen hatte, drei Fragen mit auf den Weg: War er allein am Tatort? Hat er auf eigene Faust gehandelt? Und ging es tatsächlich um den Freund der Schwester?

Polizei warnt die ganze Familie

Vor gut zwei Jahren habe sich das Verhältnis zu seiner Schwester verschlechtert, hatte der 19-Jährige zuvor ausgesagt. Das habe am Freund der 20-Jährigen gelegen, so der Angeklagte. Die Familie sei auch nicht mit dem Verhalten der jungen Frau einverstanden gewesen. Im April 2018 hatte die Frau ihren Vetter aus den USA nach islamischem Recht geheiratet. Im Prozess ist von Zwangsheirat die Rede. Tatsache ist, dass die Frau danach nicht mit ihrem Gatten zusammenlebte, sondern sich Ende 2018 von ihrer Familie getrennt hatte. Offenbar wohnte sie bei ihrem Freund in Zuffenhausen.

Bei der Familie wurde indes die Polizei vorstellig. Die Beamten unterzogen die Familie einer sogenannten Gefährderansprache, sprich: Man solle die Schwester beziehungsweise die Tochter in Ruhe lassen. „Wegen der Zwangsheirat“, sagt der Angeklagte. Sein älterer Bruder war zuvor kurz festgenommen worden, weil er auf die Frau eingewirkt haben soll.

Am Morgen des 15. Juli war der 19-Jährige schließlich mit dem Auto nach Zuffenhausen gefahren, angeblich um dem Freund der Schwester aufzulauern. Der sei schließlich schuld, dass seine Schwester ihn verlassen habe, so der 19-Jährige. Woher er denn gewusst habe, wo der Freund wohnt, will die Richterin wissen. „Dazu sage ich nichts“, so der Angeklagte.

Mann in den Schenkel gestochen

Dabei habe er einen „kleinen Kinderholzschläger“ gehabt, sagt der 19-Jährige. Doch nicht der Freund sei aus dem Haus gekommen, sondern seine Schwester. Die habe er bis zur Haltestelle Hohensteinstraße verfolgt, wo sich die Frau hingesetzt habe. Aus Wut, weil sie ihn verlassen hatte, habe er „ungezielt“ zugeschlagen. Er traf den Kopf, das Jochbein brach. Weitere Schläge wehrte die Frau ab, Passanten griffen ein, der 19-Jährige floh. „Ich wollte sie nicht schwer verletzen“, so der Angeklagte.

Rund sechs Monate vor dieser Attacke hatte er einem Mann vor einer Schule in Stuttgart-Vaihingen mit einem Messer in den Oberschenkel gestochen – aus Angst, weil er geglaubt habe, der Mann wolle ihn schlagen, so der Angeklagte. Dass das Opfer ein Freund des Freundes der Schwester ist, habe er erst später erfahren, sagt der junge Mann. Auch das scheint ihm die Richterin nicht so recht zu glauben. Der Prozess wird am 17. Februar fortgesetzt.