Am zweiten Prozesstag war das mutmaßliche Missbrauchsopfer in den Zeugenstand am Landgericht geladen. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Ein 52-Jähriger soll in Bad Cannstatt eine Frau vergewaltigt und einen Mann getötet haben. Am zweiten Prozesstag ist sie im Zeugenstand.

In der Nacht auf Sonntag, 7. Mai 2023, soll ein damals 51 Jahre alter Mann eine junge Frau in seiner Wohnung in Bad Cannstatt vergewaltigt und wenige Stunden später ihren Freund, den sie offenbar zu Hilfe gerufen hatte, erstochen haben. Der mutmaßliche Täter muss sich derzeit unter anderem wegen Totschlags am Landgericht Stuttgart verantworten. Er schweigt bislang zu den Vorwürfen und auf Fragen zur Person.

Am zweiten Prozesstag stand dafür das mutmaßliche Missbrauchsopfer in Saal 6 unter Tränen Rede und Antwort. Dass die 21-Jährige detailliert die Vergewaltigung schildern sollte, nahm sie sichtlich mit. Um ihr die Aussage zu erleichtern, wurde die Öffentlichkeit nach der Mittagspause ausgeschlossen. Zuvor berichtete sie jedoch, wie sie den Angeklagten kennenlernte.

Kontaktversuche per Whatsapp

Zum ersten Mal sei er ihr rund drei Monaten vor der Bluttat begegnet. „Ich begleitete einen Freund, der bei ihm zu Hause etwas abholen wollte“, sagte sie am Vormittag im Zeugenstand. Weil der gemeinsame Bekannte den damals 51-Jährigen über ihr Mobiltelefon angerufen habe, sei er im Besitz ihrer Nummer gewesen. Im Anschluss soll der Angeklagte sich per Whatsapp gemeldet und gefragt haben, ob sie mit ihm mal einen Kaffee trinken gehen will. „Ich habe aber nicht geantwortet. Und ihn vorerst nicht mehr gesehen.“ Gemeinsam mit ihrem Freund habe sie ihr Leben weitergelebt.

Erst an dem Wochenende, als sich die tödliche Auseinandersetzung ereignete, habe man wieder Kontakt gehabt. Damals sei dem Paar die Wohnung gekündigt worden und eine Garage, die bis dahin als Lager genutzt wurde, habe geräumt werden müssen. Der Angeklagte hatte über seinen Bekannten offenbar von der Notlage gehört und ihnen kurzfristig seine Garage zur Verfügung gestellt.

Das Angebot nahmen die Beiden wohl an. „Ich habe beim Umzug meine Tasche im Lastwagen oder in der Garage vergessen und wollte sie nach der Arbeit bei ihm zu Hause abholen“, sagte die 21-Jährige in Richtung des Angeklagten, wobei sie jeglichen Blickkontakt vermied. Sie sei bis spät in der Nacht in einer Gaststätte in Heslach als Servicekraft tätig gewesen. Gegen 3 Uhr soll sie das Restaurant verlassen und wenig später in ein Taxi gestiegen sein. Weil sie nicht gewusst habe, wie viel Geld sich in ihrer Tasche befinde, habe sie mit dem Angeklagten kurz telefoniert. „Er sagte, komm her, ich zahl die Fahrt. Mach Dir keine Sorgen.“

Angeklagter soll Frau in Wohnung eingesperrt haben

Am Ziel hätte sie der 51-Jährige schon erwartet und zusammen mit einem Nachbarn noch in seine Wohnung eingeladen. Von einem gemeinsamen Kokainkonsum, wie es in der Anklage heißt, war am zweiten Prozesstag nicht mehr die Rede. Die junge Frau betonte aber, dass sie sich gut mit dem ihr unbekannten Mann verstanden habe. Offenbar so gut, dass der Angeklagte den Nachbarn aus der Wohnung geworfen haben soll. „Ich wollte auch gehen, wurde jedoch gezwungen zu bleiben.“ Der Angeklagte habe sie zurückgestoßen und sie bedroht. Anschließend habe er die Wohnungstür abgeschlossen, sie auf sein Bett geworfen und dort mehrfach vergewaltigt.

Im Gerichtssaal nahm sich der Richter viel Zeit für die Befragung, dabei wurden aber auch gewisse Zweifel an der Vorgeschichte geäußert. Was sich nach dem mutmaßlichen Missbrauch abspielte, ist wohl am dritten Prozesstag am 2. Februar Thema. Laut Staatsanwaltschaft hat sie sich Stunden später aus der Wohnung bei ihrem Freund gemeldet. Daraufhin soll der 25-Jährige gegen 11 Uhr dort mit einem Messer aufgetaucht sein. Es kam zum tödlichen Streit. Der junge Mann verstarb vor Ort, der Angeklagte, der auch Verletzungen aufwies, konnte noch im Treppenhaus festgenommen werden.