Die Schauspieler bewegen sich auf der Bühne um Verpackungsmüll herum. Foto: KKT (z)

Im ausverkauften KKT hat am Freitagabend ein ungewöhnliches Theaterstück Premiere gefeiert: „Bubble Studies – Realität ist relativ“.

Bad Cannstatt - Am Freitagabend war das Kulturkabinett – im Sport würde man sagen – „Austragungsort“ der Premiere des Schauspiels „Bubble Studies – Realität ist relativ“ des Theaters 360 Grad. Dahinter steht eine im Jahr 2007 in Stuttgart gegründete Theatergruppe, deren Fokus bei der Auswahl ihrer Stücke auf Sinnfragen des Lebens und die Tauglichkeit von Lebensentwürfen der modernen Gesellschaft liegt. Damit treffen sie ganz offenbar den Nerv der Zeit: Die Vorstellung war ausverkauft. Im Gegensatz zu früheren Produktionen interpretierte man diesmal nicht einen Autor, sondern das Stück wurde von Regisseur Alexander Ilic und seinem Ensemble selbst entwickelt. Dessen Thema: die Filterblasen des digitalen Zeitalters und ihre Unzulänglichkeit, die Realität zu beschreiben. Man könnte es auch Worthülsen oder Phrasen nennen, mit denen man sich etwas schön redet.

Das Ausloten des Gegensatzes, wie man sich selbst sieht, und wie man von anderen wahrgenommen wird, ist auch das Thema dieses Stückes und wird dem Besucher an Hand von verschiedenen Spielszenen ironisch und mit Lust zur Übertreibung (Neudeutsch: „overacting“) vorgeführt. Inspiriert zu diesem Thema wurde Ilic übrigens von einem Psychiater, der eine Dame begutachten sollte, die sich für die nicht inthronisierte Kaiserin von Deutschland hielt. Dabei sei erwähnt, dass es der Dame dabei sehr gut ging. Sollte man sie deshalb aus ihrem Wahn befreien oder gilt eher der Ratschlag „Never touch a working system?“ Sind Blasen auch ein Stück Lebenshilfe?

Man hält dem Gegenüber den Spiegel vor

Eltern von verhaltensgestörten Kindern erklären sich das damit, dass ihr Sprössling so sensibel sei. Rechthaberische Zicken mit der Neigung zu pauschalen Beleidigungen halten sich deswegen selbst für Powerfrauen. Die Liste solcher narzisstischer Selbsteinschätzungen ließe sich endlos weiterführen und in ihrer unfreiwilligen Komik sind sie der Humus für Autoren und Schauspieler. Man hält seinem Gegenüber den Spiegel vor. Diese Till-Eulenspiegel-Pose stand auch Pate für das Ensemble um Alexander Ilic. Eine weitere Inspirationsquelle waren Menschen, die sich bewusst von der Konsumgesellschaft und ihren Zwängen befreit haben. Optisch wurde das in einem Haufen von Verpackungsmüll umgesetzt, um dem herum sich die Schauspieler bewegten. Die Verweigerung, sich so den Zwängen einer Gesellschaft anzupassen, hat gerade in Stuttgart Tradition. 1927 gründete Gregor Gog, ein damals bekannter Anarchist und Freidenker, die Bruderschaft der Vagabunden. Ihr Schutzpatron war Till Eulenspiegel und ihr Motto hieß: Lebenslanger Generalstreik. Das Thema Blasen, und wie man ihnen begegnet ist also nicht neu. Janis Joplin sang in der Hippie-Ära: „Freedom ist just another word for nothing left to loose.“ Das sollte nachdenklich machen. Um es mit Martin Walser zu sagen: „Es geht auch um die Schönheit, die darin liegt, jemanden beim Denken zusehen zu können.“ Das Stück „Bubble Studies“ trägt sicherlich zu dieser Form von Schönheit bei.