Eine bunte Zeltstadt hat der Stadtjugendring in der Maille, im Esslinger Stadtpark aufgebaut. Foto: Horst Rudel

Unter den 2000 Besuchern des Kinderfestes auf der Esslinger Maille am Samstag waren auch zwei alte Knaben. Die Schriftsteller Günter Guben sowie Ingo Cesaro, der Haikus schreibt, druckt und zum Trocknen aufhängt.

Esslingen - Was, Du hier?“ – „Wie, Du auch?“ Günter Guben, der Spiritus Rektor des Stuttgarter Schriftstellerhauses, steht dem Schriftsteller und Druck-Künstler Ingo Cesaro gegenüber. In dem Pavillon auf dem Postmichelfest in der Esslinger Maille scharen sich die Kinder um eine Druckerpresse. Sie wollen auf dem Kinderfest am Samstag ihren Namen gedruckt sehen. Ihnen ist es reichlich egal, dass die beiden alten Knaben sich seit fünfzig Jahren nicht mehr gesehen haben und sich nun zufällig treffen. Genauso wenig interessiert sie, dass man gut 16 Zehnjährige bräuchte, um auf die gleiche Lebensspanne zu kommen, wie sie die beiden Schriftsteller haben.

Begnung nach 50 Jahren

„Mensch, damals bei der Springer-Besetzung.“ – „Und dann das Sit-in an der Frankfurter Buchmesse.“ – „Na, eigentlich haben mir die Verlagsmitarbeiter leid getan, die konnten ja nichts dafür.“ – „Wie wir Farbbeutel auf die Fliesen beim Springer geworfen haben.“ – „Und die Bullen gesagt haben, ,wegen den Arschlöchern müssen wir Dienst machen’.“

Guben, damals Ende 20, hatte eine Wohnung in Frankfurt, wo Schriftsteller in Zeiten der Buchmesse gerne übernachteten. So lernten er und Cesaro sich zum ersten Mal kennen. 50 Jahre später in Esslingen zum zweiten Mal. Sie schütteln sich die Hände, Guben mit Hut und Stock, elegant weltmännisch, Cesaro mit druckerschwarz verschmierten Händen. „Bist Du noch literarisch tätig?“ „Ach, ich hab’ eben zwei Gedichtbände veröffentlicht“, sagt Guben.

Guben verschwindet im Bücherbus, Esslingens rollender Stadtbücherei. Der Bus feiert auf dem Postmichelfest seinen sechzigsten Geburtstag, und die Esslinger Stadtbücherei war es auch, die Cesaro und seine kleine transportable Schreibwerkstatt eingeladen hat, um Kindern die edle Kunst des Haiku-Schreibens nahe zu bringen. Allerdings wurde aus der Schreibwerkstatt nichts, denn der Andrang war zu groß. Also wird heute nur gedruckt, statt japanische Gedichte mit den 17 Silben und drei Zeilen zu verfassen.

In dem kleinen Pavillon zeigt er seinen Besuchern, dass man seinen Namen in Spiegelschrift setzten muss, um ihn zu drucken, dass die großen 48-Punkt-Buchstaben magnetisch sind, damit sie nicht verrutschen und dass die Druckfarbe auch blau sein kann und trotzdem noch Druckerschwärze genannt werden darf. Er walzt die Farbe auf die Lettern, legt ein Stück Tuch darauf und druckt mit einer Walze, einer sogenannten „Handnudel“, einen Haiku und den Namen des Kindes darunter. Dann hängt er das Tuch an einer Leine auf und lässt es im Park baumeln, wo der Stadtjugendring für die etwa 2000 Gäste knapp 40 Buden und Stände aufgebaut hat mit Spielen, Bastelangeboten, Essen und Trinken für Kinder und für ihre Eltern.

Cesaro hat etwa 300 Bücher herausgegeben und geschrieben

Cesaro hat etwa 150 Bücher herausgegeben und etwa 150 Bücher geschrieben. Er versteht sich als politischer Schriftsteller, weswegen er die Lyrik bevorzugt. Mit Gedichten könne man schneller auf politische Vorgänge reagieren als mit einem Roman, der Jahre Vorlauf brauche. So zieht er mit seiner Handpresse und seinen Plakatschriften durch das Land. Er druckt auf Stoffreste und macht Gedichte und Bücher. Es gebe kaum einen Ort in der Region, in dem er nicht schon gewesen sei und mit Kindern gearbeitet habe. Das Drucken ist wichtig, die Kinder sollen in Händen halten, was sie geschrieben haben, sagt er. Für ihn ist es das Charakteristikum einer ganzen Zunft, denn „ein Autor will immer, das was übrig bleibt“.