Bei Porsche hängt der Haussegen schief Foto: dpa

Eigentlich dient sie der kurzen Entspannung von der anstrengenden Fließbandarbeit: Die Steinkühler-Pause. Doch stellen Arbeitgeber das baden-württembergische Privileg infrage, ist es mit der Entspannung schnell vorbei.

Stuttgart - Da hat der Porsche-Finanzchef Lutz Meschke in ein Wespennest gestochen: Im Interview mit dem Handelsblatt kündigte er an, die Effizienz des Stuttgarter Sportwagenherstellers noch steigern zu wollen und dabei jeden Stein umzudrehen. Und: Einer der Steine sei die legendäre Steinkühler-Pause, die baden-württembergischen Akkordarbeitern in der Metallbranche seit 1973 eine fünfminütige Sonderpause pro Stunde Arbeitszeit einräumt.

Die Antwort des Porsche-Betriebsrats Uwe Hück kam prompt. Die von ihm am Donnerstag verschickte Pressemitteilung liest sich, als hätte es dem Freizeit-Boxer den Begrenzungsregler rausgehauen: Wer die Steinkühler-Pause abschaffen wolle, „muss doch ein Loch im Kopf haben.“ Etwas diplomatischer drückte sich die IG Metall Baden-Württemberg gegenüber unserer Zeitung aus: „Wir stellen mit großem Verwundern fest, dass sich insbesondere Automobilunternehmen derzeit mit abenteuerlichen Vorschlägen zur Kostenersparnis und Effizienzsteigerung überschlagen.“ Die Gewerkschaft geht nicht explizit auf Porsche ein, doch es ist eindeutig, wer damit gemeint ist.

Der Zank um die nach dem ehemaligen IG-Metall-Bezirksleiter Franz Steinkühler benannte Zusatzpause ist so alt, wie die Regelung selbst. Bevor sie 1973 eingeführt wurde, gingen die Arbeitnehmer drei Wochen lang auf die Straße. Bis die Arbeitgeber irgendwann einknickten. Seitdem sichert der sogenannte Lohnrahmentarifvertrag II für die Metallindustrie Nordwürttemberg und Nordbaden den Arbeitern die fünf Minuten Sonderpause zu.

Und seitdem ist sie den Vorständen ein Dorn im Auge. Fünf Minuten pro Stunde klingt nicht viel, dennoch läppern sie sich auf den Monat gerechnet immerhin zu knapp zwei freien Tagen zusätzlich. Anders gerechnet bedeuten die fünf Minuten mehr Freizeit schlicht um 8,4 Prozent höhere Lohnkosten im Vergleich zu Betrieben außerhalb Baden-Württemberg.

Deshalb wird die Arbeitgeberseite nicht müde, die Abschaffung der Pause oder zumindest ihre Einschränkung zu fordern. Im Jahr 1996 erzielten sie dabei einen ersten Etappensieg: Die Neuauflage des Tarifvertrags sah vor, die Pause nur auf solche Beschäftigte zu beschränken, die „Arbeiten mit kurzen Arbeitszyklen“ verrichten müssen, die eine andauernde hohe Konzentration erfordern. Also beispielsweise wenn sie Fahrzeuge am Fließband montieren müssen oder acht Stunden lang Leiterplatten löten.

Außerdem wird die Steinkühler-Pause in vielen Betrieben flexibel gehandhabt. Bei Daimler in Sindelfingen beispielsweise steht das Band nicht jede Stunde für fünf Minuten still. Stattdessen erhalten die Arbeitnehmer dort zusätzlich bezahlte Freizeit. Der ehemalige Mercedes-Chef Jürgen Hubbert hätte die Pause 2004 zwar gerne gleich ganz abgeschafft, bezeichnete sie damals gar als „baden-württembergische Krankheit“. Doch die Woge der Empörung ließ nicht lange auf sich warten: Die Arbeiter protestierten und die Zusatzpause blieb. Hubbert drohte damals mit dem Abzug der C-Klasse-Produktion. Eine Drohung, die sich als leer herausstellte – vor zehn Jahren. Die kürzlich angelaufene fünfte Auflage des Volumenmodells mit der internen Bezeichnung W 205 läuft als erste nicht mehr in Sindelfingen vom Band. Mercedes baut sie in Bremen, im US-Werk Tuscaloosa sowie in Südafrika und China.

Auch wenn die Steinkühler-Pause auf dem Papier noch besteht, in der Realität ist die Regelung häufig bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Viele Unternehmen machen Gebrauch von den Freiheiten, die ihnen der Tarifvertrag lässt. Zum Beispiel können Betriebe die Pause auf die Zeiten anrechnen, in denen eine Maschine ohnehin still steht und sich Zeit für Erholung bietet. An vielen Arbeitsplätzen wurden aus den Zusatzpäuschen Gruppengespräche oder Qualifizierungsmaßnahmen.

Beim Automobilzulieferer Bosch besteht das Privileg nur noch in Teilbereichen. Nachdem der Vorstand den Kostendruck im vergangenen Jahr erhöhte, fiel die Regelung beispielsweise für viele der 2700 Mitarbeiter im Reutlinger Werk. Im Gegenzug sagten die Arbeitgeber zu, den Standort zu sichern und in das Werk zu investieren.

Im aktuellen Fall von Porsche war die Reihenfolge exakt anders herum. In dem „Standortpakete 2020“, das der Vorstand im Juli ankündigte, soll der Ausbau der Fahrzeugmontage und ein neuer Karosseriebau für Zweitürer-Modelle am Stammwerk festgeschrieben werden. Die Modelle 911, Cayman, Boxster und der Supersportler 918 sollen demnach nur noch in Zuffenhausen vom Band rollen.

Das Volumen dieser Investition sprengt die Marke von 400 Millionen. Produktionsvorstand Oliver Blume will die Summe über eine erhöhte Flexibilisierung der Arbeits- und Pausenzeiten finanzieren. Gut möglich, dass er dabei schon die Steinkühler-Pause im Visier hatte, die sein Vorstands-Kollege Lutz Meschke jetzt gerne gekippt sähe.